Zerbröckelnder Diskurs (Microsoft Copilot)

Es gibt Situationen, in denen kritisches Denken nicht scheitert – sondern schlicht keine Chance hat. Wo Logik auf Lautstärke trifft, Differenzierung auf Dauerempörung.

Fünf Minuten auf X beim Morgenkaffee genügen, um das zu erleben: eine Kakophonie aus moralischer Empörung, Zahlenspielerei und rhetorischer Pose.

Vielleicht liegt darin eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit: zu erkennen, wann Denken noch sinnvoll ist – und wann es schlicht vergeblich bleibt.

Da schäumt einer gegen Billie Eilish.

Woke Heuchlerin, schreibt er, weil sie mit 23 Millionen Dollar Vermögen sagt, niemand solle mehr als eine Milliarde besitzen.

Doch worin läge die Heuchelei?

Die Frau fordert keine Gleichmacherei, sie zieht nur eine Linie zwischen Reichtum und einer Maßlosigkeit, die zur gefährlichen Absurdität in einer freiheitlichen Gesellschaft wird – und zieht die Grenze weit jenseits ihrer eigenen Wohlhabenheit. Grob beim Vierzigfachen. Aber im Reflex der Empörung ist Denken offenbar schon Verrat.

Merkwürdig bleibt, wie heftig Menschen mit geringem Einkommen jene verteidigen, die vom Übermaß leben. Sie empören sich über die Kritik von Millionären an Milliardären – und bezeichnen erstere als Heuchler. Als wäre der Hinweis auf Maßlosigkeit ein Angriff auf ihre eigene Möglichkeit, reich zu werden.

Wer das System hinterfragt, in dem er selbst kaum aufsteigen kann, gefährdet den Glauben, dass Aufstieg immerhin denkbar bleibt. Also wird nicht der Milliardär, sondern die Kritikerin angegriffen, auch wenn sie selbst „nur“ Millionärin ist – sie wird zur Störerin der Illusion.

„Heuchlerin!“ heißt dann nicht: Du tust nicht, was du sagst. Sondern: Du sagst etwas, das ich nicht hören will.

Und hat Eilish das überhaupt gesagt?

Prüft man die Originalquelle zu Eilish‘ Äußerungen, so erfährt man, dass sie ihre Kritik an Milliardärsvermögen anlässlich eines Pressetermins zu ihrem Tourende geäußert hat, bei dem sie zugleich einen Millionenbetrag aus ihren Toureinnahmen spendete. Und von „keine Milliardäre mehr“ kein Wort. Sie appellierte lediglich an sehr, sehr Wohlhabende (von denen einige im Auditorium saßen), die Bedürftigen dieser Welt nicht zu vergessen und auch etwas abzugeben.

Damit verliert der Post jeden Realitätsbezug.

Man bleibt ratlos zurück.

Der nächste rechnet an Windkraftanlagen herum.

Er teilt die Abbruchkosten eines offenbar anstehenden Projekts durch die in dessen Lebenszyklus erzeugten Kilowattstunden, rechnet den Anteil dieser Kosten auf den kWh-Preis herunter und triumphiert über die „wahre“ Teuerkeit der Ökoenergie – und nennt das Fakt.

Doch über das Atomkraftwerk, das er als offenbar schlagendes Positivbeispiel dagegenhält, schweigt er zu allem, was zählt: keine Baukosten, keine Subventionen, keine Rückbau- oder Endlagerpreise, kein Risiko, kein Versicherungswert des Unaussprechlichen – überhaupt keine Kosten. Nur die Lebensdauer und die Zahl der erzeugten Terawattstunden werden genannt.

Und? Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Und wo gar nichts zum Vergleichen angeboten wird, erst recht nicht.

Argument als Pose. Empörung als leere Verpackung. Was soll das?


Fünf Minuten X. Zwei Zufallstreffer.

Ich ertappe mich dabei, wie ich kurz überlege, ob ich antworten sollte – Argument gegen Argument, Vernunft gegen Verzerrung. Doch schon der Gedanke ermüdet. Das Medium selbst lässt kein Denken zu, das mehr als zwei Sätze braucht.

Ich klappe die App zu und fühle mich leer, als hätte ich in eine Maschine geschaut, die aus Meinung Lärm presst.