Über Wissenschaft, (Pseudo-)Medizin, Aufklärung, Humanismus und den Irrsinn des Alltags

Kategorie: Fake

Von Akupunkturmeridianen und Biophotonen

Wie wissenschaftliche Zombies in den Bibliothekskatalog wandern

Neulich erreichte mich über die GWUP eine Anfrage, die – wäre man nicht so abgehärtet – für ungläubiges Kopfschütteln gesorgt hätte.
Ein Leser war im Wissensportal „Primo“ der TU Berlin auf einen peer-reviewed article gestoßen, der Akupunkturmeridiane als „Interferenzmuster des kohärent ausgesendeten Zellichts“ – also der sogenannten Biophotonen – erklärte. „Wie kann so etwas peer-reviewed sein?“, wollte er wissen.

Klar ist gleich auf den ersten Blick: Akupunkturmeridiane sind medizinische Fiktion, Biophotonen in der Form, wie ihre Protagonisten sie darstellen, ebenso. Ein „wissenschaftlicher“ Ansatz, der das eine mit irgendwelchen Auswirkungen des anderen zu erklären sucht, ist daher per se obsolet – ex falso quodlibet, aus Falschem folgt Beliebiges, wie der Formallogiker weiß. Der zweite Blick führt mitten hinein in ein Grundproblem der heutigen Publikationspraxis – und in den Plot eines wissenschaftlichen Zombies.

Der Artikel stammt aus dem Jahr 2013, erschienen im Journal Frontiers in Optoelectronics, verfasst von einer chinesischen Autorengruppe an einer chinesischen Universität. Obwohl die Prämissen nicht haltbar sind und die Folgerungen aus der Kombination beider zwangsläufig falsch, trägt der Artikel das Siegel „peer-reviewed“.

Wie kann das passieren?
Es gibt zwei Erklärungen. Die freundlichere lautet: Gutgläubige Reviewer und Editorial Boards nehmen exotische Grundannahmen der Autoren als gesetzt hin (Fail der unterschobenen Prämisse), prüfen dann nur auf innere Konsistenz der Schlussfolgerungen oder gar nur auf formale Kriterien, nicht auf die Validität des Fundaments.
Die weniger freundliche: Manche Journals – zumal aus dem weiten „Open Access“-Kosmos – haben geringere methodische Hürden, wenn das Thema ins eigene Profil passt oder aus bestimmten akademischen Netzwerken kommt. Peer-Review ist nicht unfehlbar, und formale Kriterien lassen sich auch mit inhaltlich schwachen Thesen erfüllen.

Das Problem liegt aber nicht bloß beim Erscheinen – sondern vielleicht noch mehr beim Fortleben. Einmal publiziert, bleibt ein solcher Text im wissenschaftlichen Ökosystem: in Zitationsketten, in Suchmaschinen, in Bibliothekskatalogen. Er wird nicht „entsorgt“, auch wenn er längst widerlegt oder inhaltlich wertlos ist. Selbst renommierte Institutionen wie die TU Berlin können nicht verhindern, dass fragwürdige Inhalte in ihren Beständen landen – die reine Herkunft aus einem „anerkannten“ Journal genügt für die Aufnahme. Q.e.d.

Und selbst wenn ein Artikel zurückgezogen wird, ist sein Zombiedasein nicht beendet. Retraction Watch dokumentiert seit Jahren Fälle, in denen längst revidierte oder zurückgezogene Arbeiten weiter zitiert werden, als sei nichts geschehen – und so das Erkenntnismaterial ganzer Fachgebiete kontaminieren. Eine technische Lösung dafür gibt es bislang nicht. Umso größer ist die Verantwortung der Journale, von vornherein keine unhaltbaren Publikationen durch das Peer-Review zu lassen. Ein frommer Wunsch – aber einer, ohne den das Problem nicht kleiner wird.

Hier entsteht der „Zombie“-Effekt: Solche Arbeiten sterben nicht. Sie wandern still und leise weiter, und für Laien – oder auch für Studierende – kann die bloße Präsenz in einer Universitätsdatenbank wie ein Gütesiegel wirken. Wer ohnehin geneigt ist, an Meridiane oder Biophotonen zu glauben, findet hier eine scheinbar wissenschaftliche, gar zitierfähige Bestätigung.

Genau das macht diese Altlasten gefährlich. Es geht nicht nur um aktuelle Fake News oder frische Pseudostudien. Wissenschaftskommunikation muss auch den Bestand kritisch im Blick behalten – gerade die Veröffentlichungen, die schon lange im Umlauf sind und sich unbemerkt festgesetzt haben.
Denn wie bei Zombies gilt: Sie sind schwer totzukriegen. Aber ignorieren darf man sie nicht.


Recent progress of traditional Chinese medical science based on theory of biophoton
Front. Optoelectron. 2014, 7(1): 28–36
DOI 10.1007/s12200-013-0367-1
https://www.researchgate.net/publication/271631415_Recent_progress_of_traditional_Chinese_medical_science_based_on_theory_of_biophoton


Epistemologie in a nutshell: Die unterschobene Prämisse

Drumherum diskutieren (Microsoft Copilot)

Nicht alles, was wie eine Debatte aussieht, ist eine. Wer sich oft und ernsthaft auf argumentative Auseinandersetzungen einlässt – sei es in Wissenschaft, Politik oder Weltanschauung – merkt irgendwann: Manche Gespräche führen nicht deshalb in die Irre, weil das Gegenüber unredlich ist, sondern weil das Fundament schon falsch gelegt wurde. Die entscheidende Frage wurde übergangen, und stattdessen diskutiert man aufwendig über die nächste.
Das ist keine intellektuelle Spitzfindigkeit. Es ist das Einfallstor für Pseudowissenschaft, Dogmatik und logisch verkleideten Unsinn.


Ein klassisches Beispiel liefert uns die Homöopathie:

„Welche physikalisch-chemischen Veränderungen das Verschütteln genau hervorruft, und wie diese es dem Wasser ermöglichen, die Information der darin verdünnten Stoffe aufzunehmen, sind die großen Fragen, die die Forscher zu beantworten suchen.“
(Zitat: Homeopathy Research Institute)

Hier wird nicht etwa gefragt, ob eine solche Wirkung existiert. Man tut einfach so, als sei das längst geklärt – und verlagert die Debatte auf das Wie. Die zentrale, erkenntniskritische Frage, ob eine Informationsübertragung auf geschütteltes Wasser überhaupt existiert, wird damit unterschlagen. Stattdessen beginnt man eine Suche nach Mechanismen für ein Phänomen, das nicht einmal plausibel belegt ist.

Was hier passiert, ist ein rhetorischer Trick: Man schmuggelt eine unbelegte Prämisse ein – dass das Wasser tatsächlich Informationen speichert – und tut so, als sei das schon Konsens. Die darauf aufbauende Debatte wirkt dann wissenschaftlich, ist aber in Wahrheit ein Scheingefecht. In Diskussionen über Pseudowissenschaften ist das ein verbreitetes Muster.

Ich habe das Prinzip in Diskussionen über Homöopathie des öfteren offengelegt – mit verblüffender Wirkung. Wo man mit naturwissenschaftlichen Argumenten oft ins Leere stößt, erzeugt das Aufzeigen des logischen Kurzschlusses meist ein zustimmendes Nicken. Man erkennt die Strategie wieder – aus anderen Diskussionen, anderen Kontexten.

Ähnliche rhetorische Verschiebungen begegnen einem überall:

  • „Warum werden Chemtrails versprüht?“ – Die Frage unterstellt, dass sie überhaupt versprüht werden.
  • „Wie genau hat das Universum auf Gottes Willen reagiert?“ – Die Frage setzt voraus, dass es Gottes Willen gab.
  • „Welche Energieformen werden bei Reiki aktiviert?“ – Auch hier wird eine unbelegte Annahme zur Prämisse.

Solche Fragen verleihen einem Scheinproblem das Gewicht eines realen Problems. Und genau darin liegt die Gefahr: Sie entziehen sich dem kritischen Blick, weil sie scheinbar nur „nachforschen“ wollen.

Denn das Phänomen ist universell: Man findet es bei esoterischen Systemen ebenso wie in theologischen Beweisführungen. Auch Benedikt XVI. etwa setzte in seinen populären Werken oft auf den Eindruck logischer Schlüssigkeit (und wurde dafür als Geistesgröße unter den Theologen gefeiert) – ohne je den Grundstein seiner Argumentation zu hinterfragen. Wer die Prämissen akzeptiert, mag den Rest folgerichtig finden. Wer sie nicht teilt, sieht nur klug gewobenes Wortgeklingel, das vorgibt, ein haltbares Netz zu sein.

Es gehört zu den größten Irrtümern, das Denken an seinem Glanz zu messen. Was zählt, ist die Prüfung der Voraussetzungen.


Man kann sich auf hohem Niveau über Wirkprinzipien von Informationswasser, Gottesbeweise oder morphogenetische Felder austauschen. Man kann das mit Ernsthaftigkeit tun, mit methodischem Besteck, mit Fußnoten.

Aber wenn das Gespräch auf einer Prämisse fußt, die nie als solche deklariert und zur Diskussion gestellt wurde – dann bleibt es ein intellektuelles Rollenspiel im eigenen Denkraum. Wissenschaft beginnt nicht mit Hypothesen. Sie beginnt mit Zweifel.

Oder, in Ray Hymans Worten:
Don’t try to explain something until you are sure there is something to be explained.


Trust it, this is science!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Die Erde ist keine Scheibe“
und wird hier in leicht überarbeiteter Form wiederveröffentlicht.

Peter Teuschel erinnerte vor einiger Zeit daran, wozu sich die AutorInnen des „Erdblogs“ damals (2017)zusammengefunden hatten: um dem erwartbaren Gegenwind für Ratio und Wissenschaft, den ein „unexpected POTUS“ namens Trump jenseits des Atlantiks mit einiger Sicherheit mit sich bringen würde, halb präventiv, halb kurativ etwas entgegenzusetzen. Auf unseren vergleichsweise begrenzten, aber für die Menschen sehr relevanten Gebieten der Medizin und der Psychologie.

Der genannte POTUS ist nun schon eine ganze Weile überstanden. Ist es deshalb an der Zeit, durchzuatmen, den Staub von den Kleidern zu klopfen und mit einem „wir sind noch einmal davongekommen“ zur Tagesordnung überzugehen? (Das wurde geschrieben, als man sich eine Wiederkehr von Trump auf den Thron kaum bis nicht vorstellen konnte.)

Ersichtlich nicht. Eher sind viele Tendenzen, von denen das Zerrbild eines Präsidenten namens Trump nur ein Teil war, zu einer neuen Qualität von Irrationalität und Faktenleugnung, zu einer post-postfaktischen Situation emergiert. Neue Qualitäten der Irrationalität, der Negation von Fakten, der Vergötzung der eigenen Meinung als sehr bewusst zur Schau getragener „Gegenpol“ zum Reich der Fakten sind entstanden und fast alle haben eine gesellschaftlich-politische Dimension bekommen.

Die Pandemie—Situation hat deutlich werden lassen, wie recht Popper mit seiner Diagnose hatte, der Mensch sei noch längst nicht aus der geschlossenen, der kollektivistischen Gesellschaft in die offene, individuelle übergetreten, die ihn sowohl mit Freiheit wie mit Verantwortung konfrontiert, ja, ihm diese abverlangt. Verschwörungstheorien werden zu Ersatzreligionen, haben eine Sinnlücke zu füllen, mit der viele Individuen überfordert sind. Fakten und Ratio mit ihren oft unausweichlichen Implikationen bleiben bei einem vermeintlichen Kampf gegen angebliche übermächtige globale Kräfte auf der Strecke und werden nur als aufoktroyierte Zwänge gesehen. Die Aufklärung gerät unter die Räder. Antiaufklärerische Tendenzen beginnen, sich in der Politik zu etablieren, flankiert von einer gewissen Hilflosigkeit, die auch in Kommunikationsproblemen ihren Ausdruck fand.

Wie ein Brennglas hat die Pandemie gezeigt, welche grotesken Zerrbilder fanatische Irrationalität erzeugen kann. Proponenten der Impfgegnerschaft sind auf der Bildfläche erschienen, die sich nicht einmal mehr die Mühe scheinwissenschaftlicher Tarnung ihrer Argumentationen machen, bei denen man sich ernstlich nach den Mechanismen fragt, die solche Karikaturen der Fakten hervorbringen, wie sie dann von einem buchstäblich gläubigen Publikum tatsächlich breit rezipiert und weitergetragen werden. Andere traten mit der Autorität von akademischen Titeln auf den Plan und forderten – gleich, ob damit nun Expertise verbunden war oder nicht, damit Glaubwürdigkeit ein. Viele Menschen meinten, Pseudo-Gurus ihrer unverbrüchlichen Gefolgschaft versichern zu müssen, was teils groteske Formen annahm. Vertrauen, in einer wissensbasierten Gesellschaft unverzichtbar, wird nicht mehr den wirklichen Experten, sondern den Opponenten derselben entgegengebracht. Aufklärung geriet an Grenzen, wiewohl sie dadurch nicht in Frage gestellt wird. Nicht einmal die normative Kraft des Faktischen konnte eine Vielzahl Irregeleiteter überzeugen. Keine tausenden von Toten auf den Straßen, keine genmanipulierten Zombies in den U-Bahnen der Republik, keine offensichtliche Gedankenkontrollen durch verimpfte Chips von Gates, Soros und Co. – und gleichwohl …

Die post-postfaktischen Gruppen werden kleiner, aber auch lauter und radikaler, sie wenden sich längst beliebigen Themen zu und scheren sich gar nicht mehr um die verbrannte Erde, die sie woanders hinterlassen haben. Und zu diesem weiten Feld der verbrannten Erde gehören auch die Themenbereiche, deren wir uns in der Hoffnung auf künftig bessere Zeiten vor gut fünf Jahren angenommen hatten: die der Medizin und der Psychologie.

Scheinbar dagegen stehen Untersuchungen, die von einem unter der Pandemie gewachsenen Vertrauen in die Wissenschaft berichten – und der Ansicht vieler, dass die Politik sich stärker nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten auszurichten habe. Ich gestehe, dass meine (völlig unmaßgebliche) „persönliche Erfahrung“ konträr zu diesen Ergebnissen steht, aber ich bin nicht verblendet genug, um nicht zu wissen, dass dies auch der Innensicht meiner kritisch-skeptischen „Blase“ geschuldet sein mag.


Aber nehmen wir einmal diese vergleichsweise große Zustimmung zur „Wissenschaft“. Im September 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, gaben 46 Prozent der Befragten an, sie hätten Vertrauen in die Wissenschaft. Kurz nach Beginn der Pandemie, im April 2020, zeigte das Barometer einen Wert von 73 Prozent. Der sank zwar bis November 2020 auf 61 Prozent ab, was aber immer noch mehr war als die Zustimmungsrate vor der Pandemie.

Gut und schön. Reine Zahlen allerdings, die vielleicht einer vorsichtigen Hinterfragung bedürfen. Denn was heißt schon „Zustimmung zur Wissenschaft“? Ist das wirklich durchweg mehr als ein Lippenbekenntnis? Sind die Menschen, die sich so äußern, überhaupt bereit und in der Lage, dies auch auf konkrete Fragen des eigenen Lebens, auf die Alltagserfahrung, in unserem Interessenbereich auf die Gesundheitskompetenz konkret anzuwenden? Was verstehen die Menschen überhaupt unter „der Wissenschaft“? Ich habe da schon so meine Zweifel aus etlichen Jahren mit vielen Diskussionen rund um dieses Thema.

Es gibt eine interessante Studie, die sich in erster Linie mit dem „Vertrauen“ befasst und die man bei der Bewertung dieser doch deutlich positiven Zustimmungswerte „pro Wissenschaft“ mit betrachten sollte. Die eben erwähnte Fragestellung, was die Menschen überhaupt unter „Wissenschaft“ verstehen, spielt hier stark hinein. Die Autoren kommen nämlich zu dem Ergebnis, dass „blindes“ Vertrauen in „die Wissenschaft“, ein unsicherer Boden sein kann. Sie zeigen auf, dass Vertrauen ohne eine gewisse Urteilsfähigkeit bzw. Kompetenz in der Sache wenig wert ist.

„Wer nichts weiß, muss alles glauben“, wussten schon die Science Busters. Und ja, „nur“ Vertrauen, das kann dazu führen, dass auch „offensichtlicher Quatsch“ als „Wissenschaft“ geglaubt und dieser Glaube sich selbst gegenüber mit „Vertrauen“ gerechtfertigt wird. Die Pandemie hat uns das vor Augen geführt – wie viele Leute setzen die Äußerungen von Leuten wie Wodarg, Bhakdi, Schiffmann mit „Wissenschaft“ gleich? Viele, sage ich mal. Dass Leute mit dem Ruf des Wissenschaftlers sich derart in den Wald der unbewiesenen Behauptungen verirren können, ist kein grundsätzlich neues Phänomen, aber eines, das in der Pandemie das Narrativ des „Vertrauens in die Wissenschaft“ schon einigermaßen verbiegt.

Die genannte Studie näherte sich dem Problem, indem die Forscher in vier getrennten Tests die Rezeption pseudowissenschaftlicher Botschaften (ein neues Virus sei als Biowaffe geschaffen worden, Verschwörungserzählungen zu Covid-19 und die angeblich nachgewiesene krebserregende Wirkung von genetisch veränderten Organismen) bei Personengruppen evaluierten, die grundsätzlich positiv, aber unterschiedlich differenziert zu Wissenschaft eingestellt waren.

Teilnehmer, bei denen ein eher allgemeines Vertrauen (!) in die Wissenschaft festgestellt wurde, akzeptierten falsche Behauptungen umso eher, wenn diese wissenschaftliche Referenzen enthielten und sich einer wissenschaftlichen Terminologie bedienten (die sogenannte Wissenschaftsmimikry). Wir sehen das Glatteis, auf das man sich mit dem Abfragen einer reinen „Zustimmung zur Wissenschaft“ begibt.

Zweitens macht es einen Unterschied, ob die kritische Haltung der Probanden sich recht konkret im Wissen um die Bedeutung einer kritischen Bewertung von Aussagen manifestierte – dies verringerte den „Glauben“ an falsche Behauptungen – oder eher in einem allgemeinen Vertrauen (!) in die Wissenschaft – dies führte interessanterweise keineswegs zu einer verminderten Akzeptanz von pseudowissenschaftlichen Behauptungen. Was eine Bestätigung des ersten, eher allgemeinen Ergebnisses darstellt.

In Summa konstatierten die Autoren, dass „Vertrauen in die Wissenschaft“ allein die Menschen geradezu anfällig für pseudowissenschaftliche Behauptungen machen kann. Es scheint bereits eine wissenschaftliche Terminologie oder eine lange Referenzliste auszureichen, um Menschen, die sich selbst für Anhänger der Wissenschaft halten, unkritisch werden zu lassen.


Eine der Mitautorinnen stellte in einem Interview zur Studie fest:

„Die Lösung für die Leugnung des Klimawandels, für irrationale Ängste vor Genfood oder für das Zögern beim Impfen ist nicht, Vertrauen in die Wissenschaft zu predigen. (Was auf einen reinen Appell im Sinne von „Trust me, I’m a scientist“ hinauslaufen würde.) Das Vertrauen in die Wissenschaft spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die wissenschaftliche Bildung zu verbessern und vertrauenswürdige von nicht vertrauenswürdigen Quellen zu unterscheiden. Vertrauen in die Wissenschaft behebt jedoch nicht alle Übel und kann zu Anfälligkeit für Pseudowissenschaft führen, wenn Vertrauen bedeutet, nicht kritisch zu sein.“

Und hier kommen nehmen mir die Autoren sozusagen die Worte aus dem Mund: sie sehen eine nachhaltigere Lösung zur Eindämmung von Fehlinformationen darin, so früh wie möglich wissenschaftliche Grundkompetenz („methodologische Kompetenz“) zu vermitteln. Also bereits in der Schule, und m.E. nicht erst in der gymnasialen Oberstufe: Was ist Wissenschaft? Was ist Wissenschaft nicht? Was für einen Anspruch stellt sie selbst an sich – und welchen nicht? Und später: was ist die wissenschaftliche Methodik und auf welchen Prämissen beruht sie? Was ist ihre Bedeutung für unser Leben? Was sind die Kriterien, an denen man aussagefähige wissenschaftliche Erkenntnisse identifiziert?

Bildung ist die Währung und das Menschheitskapital der Zukunft und vor allem das Lebenselixier demokratischer Strukturen auf humanistischem Boden. Es ist jämmerlich, welchen Stellenwert dieser einzigartige und herausragende Gesichtspunkt in der angeblichen „Bildungsrepublik Deutschland“ (Angela Merkel) einnimmt, ideell wie materiell. Musste auch mal gesagt werden.

Wir halten fest: Die Sache mit dem Vertrauen (der „Zustimmung“) ist ein wahrlich schlüpfriger Boden, solange sie nicht von kritisch-skeptischen Grundkompetenzen flankiert wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich mein – wie gesagt, unmaßgebliches – Bauchgefühl vielleicht noch einigermaßen mit dem Befund, immerhin die Mehrheit äußere „Zustimmung zur Wissenschaft“, in einen gewissen Einklang bringen.


Fake-Homöopathie-Fake

In Russland gibt es eine Firma namens OOO NPF Materia Medica Holding, unter Führung eines gewissen Oleg Epstein, die homöopathische Produkte herstellt. Wie nun offenbar wurde, stellte Epstein gleich auch die für diese Produkte passenden Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Journalen mit her. Und nicht nur das.

2018 hat PLOS ONE (Public Library of Science, ein Open-Access-Online-Journal) eine Arbeit von Epstein et al. mit dem Titel “Novel approach to activity evaluation for release-active forms of anti-interferon-gamma antibodies based on enzyme-linked immunoassay” zurückgezogen. Für den Nichtfachmann ein Buch mit sieben Siegeln, dieser Titel. Jedoch, die Erklärung zum Retract von PLOS ONE hatte es in sich:

“Nach der Veröffentlichung dieses Artikels wurden Bedenken hinsichtlich der wissenschaftlichen Validität der Studie sowie eines potenziellen Interessenkonfliktes geäußert, […] … ziehen wir diesen Artikel zurück, da wir Bedenken hinsichtlich der wissenschaftlichen Gültigkeit der Forschungsfrage, des Studiendesigns und der Schlussfolgerungen haben.
Insbesondere sind wir besorgt über das Gesamtdesign der Studie, das darauf abzielt, die Auswirkungen eines Reagens zu erkennen, das so weit verdünnt ist, dass nicht zu erwarten ist, dass die Lösung biochemisch relevante Mengen an Antikörpern enthält.”

Kleiner Zwischenhalt. Wir merken uns an dieser Stelle, dass hier ein Journal – meines Wissens zum ersten Mal – an dem Postulat Anstoß nimmt, ultrahoch verdünnte Lösungen könnten eine biochemische Wirkung haben. Damit wird nicht nur auf die statistischen Methoden und Daten der Studie (die Ergebnisse im Sinne der evidenzbasierten Medizin) rekurriert, sondern auf die wissenschaftliche Grundplausibilität, die in diesem Fall dagegenspricht, dass allfällige Ergebnisse aus dem Datenmaterial überhaupt irgendeine Relevanz haben können. Ausgedrückt in dem Term von der “wissenschaftlichen Gültigkeit der Forschungsfrage”.

Weiter heißt es zum Retract:

“Die konsultierten Experten äußerten auch Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit und Strenge des in der Studie verwendeten Immunoassay-Systems. Der verwendete enzymgebundene Immunosorbent-Assay (ELISA) wurde so eingestellt, dass er kaum nachweisbare Signale liefert, was den Assay besonders anfällig für Störungen macht. In Anbetracht dieser Fragen sind wir der Ansicht, dass der Artikel keine ausreichenden oder zuverlässigen Beweise für die Schlussfolgerungen liefert.
Andere Probleme sind nicht deklarierte Interessenkonflikte […].”

Noch ein Zwischenhalt. Hier wird zusätzlich der Vorwurf erhoben, das Messsystem sei so kalibriert worden, dass Messartefakte (ersichtlich, um diese dann als positive Messsignale deuten zu können) geradezu provoziert wurden. Das muss man sich einmal vorstellen. Und hier wird auch deutlich, wie sich diese Mittel eine Mimikry zulegen, die sie von “Alltagshomöopathie” unterscheiden soll: Nicht schlichte “gewohnte” Grundstoffe wie Sulphur oder Belladonna machen die nichtvorhandenen Wirkstoffe aus, es wird hier mit hochkomplexen “Ursubstanzen” (anti-interferon-gamma antibodies based on enzyme-linked immunoassay) und der Bezeichnung “release-activated forms” (also ungefähr “freisetzend-aktivierte Medikamente”, offenbar ein Euphemismus für homöopathisch potenzierte Substanz) ein gänzlich unzutreffender Eindruck seriöser biochemischer Forschung erweckt.


PLOS ONE wurde tätig aufgrund von Kommentaren eines russischen Skeptikers, Alexander Panchin, auf deren Webseite. Panchin forscht an der Russischen Akademie der Wissenschaften zu molekularer Evolution und ist – kaum verwunderlich – erklärter Gegner der Homöopathie.

Panchin sieht die verschleiernde Bezeichnung “Release-active drugs (RADs)” für solche Mittel – zutreffend – schlicht als Synonyme für Homöopathie an. Diese Präparate würden bereits in Mexiko, Vietnam, der Mongolei, Weißrussland, der Ukraine und anderen Ländern verkauft.
Derzeit ist Panchin auf der Fährte weiterer solcher Veröffentlichungen in weiteren Journalen.

Panchin hat in BMJ EBM zu dieser “russischen Homöopathie” einen Fachartikel veröffentlicht (Panchin AY, Khromov-Borisov NN, Dueva EV: Drug discovery today: no molecules required BMJ Evidence-Based Medicine 2019;24:48-52). Darin heißt es:

…. diese innovativen “Medikamente” enthalten keine aktiven Moleküle und können als eine neue Spielart der Homöopathie angesehen werden. Dies deutet auf eine von zwei Möglichkeiten hin: Entweder stehen wir kurz vor einer Revolution in der Medizin oder es ist etwas schief gelaufen mit der Forschung und ihren Veröffentlichungen in zahlreichen wissenschaftlichen Journalen. Wir halten dafür, dass die letztgenannte Erklärung wahrscheinlicher ist und dass diese Schlussfolgerung schwerwiegende Auswirkungen auf die Unternehmen und Organisationen im Wissenschafts- und Gesundheitssektor hat. Das Opfer war diesmal Antiviral Research, eine Zeitschrift von Elsevier, die zwei Artikel von Epstein und Kollegen zurückgezogen hat. Eines davon trug im Juni 2017 den Titel ‘Wirksamkeit neuartiger antikörperbasierter Medikamente gegen Rhinovirusinfektionen’: In vitro und in vivo Ergebnisse.’

Dieser Beitrag ließ nicht erkennen, dass die auf antivirale Aktivität getesteten Produkte in Wirklichkeit ‘homöopathisch aktivierte Formen von Antikörpern’ waren, wie im US-Patent 8,535,664 B2 beschrieben, das von O. I. Epstein und anderen eingereicht wurde.

Die Homöopathie ist eine veraltete Therapieform, die von der modernen medizinischen Praxis nicht akzeptiert und von der modernen Wissenschaft abgelehnt wird. Wenn das bei Antiviral Research eingereichte Manuskript die Art der zu prüfenden Materialien als homöopathische Produkte identifiziert hätte, wäre es abgelehnt worden. Nachdem der Chefredakteur nun von diesen Informationen Kenntnis hat und die Frage ausführlich mit anderen Experten diskutiert hat, hat er beschlossen, diesen Artikel offiziell zurückzuziehen.

Die andere, “Aktivität von extrem niedrigen Dosen von Antikörpern gegen Gamma-Interferon gegen die tödliche Influenza A(H1N1)2009 Virusinfektion bei Mäusen”, erschien 2012. Auch hier blieb unerwähnt, dass es sich bei den getesteten Produkten um “homöopathisch aktivierte Formen von Antikörpern” im Sinne des schon erwähnten US-Patentes handelte.”

Was für eine Spiegelfechterei. Da lässt sich jemand “homöopathisch aktivierte Antikörper” in den USA patentieren, im Patent ganz offen bezugnehmend auf homöopathische Potenzierung (von 10^23 bis 10^99, also de facto wirkstofffrei), stellt “Medikamente” (mehrere “unterschiedliche”!) auf dieser Basis her, vertreibt sie in Schwellen- und Entwicklungsländern und hat zudem auch noch die Stirn, die passenden Anwendungsstudien dazu selbst zu verfassen und – neben der Vorspiegelung, es handele sich um moderne biochemische Präparate – darin mit keinem Wort zu erwähnen, dass sie auf den “homöopathisch aktivierten Formen” im Sinne des US-Patentes beruhen. Ganz abgesehen von der Unverfrorenheit, die massiven Interessenkonflikte (massiver geht nicht mehr) auch nur anzudeuten. Dem peer review der Journale stellt dieser Vorgang allerdings auch ein vernichtendes Zeugnis aus.

Und um Kleinigkeiten geht es nicht. Epstein bewirbt seine “Mittel” als Beitrag gegen Antibiotikaresistenzen (sic!), aber auch zur Behandlung von allerlei Kleinigkeiten, die einem den Atem stocken lassen. Homöopathika in 10^24 und höher, wohlgemerkt. Für starke Nerven hier ein Link zu einer deutschsprachigen Werbeseite eines der Präparate mit einer Indikationsliste.

Und wäre das nicht alles schon genug Tricksen, Täuschen und Tarnen: Die hier in Rede stehenden Präparate lehnen sich auch noch namentlich an die hochwirksamen – und sehr teuren – Interferon-Präparate an, betreiben also auch hier noch Trittbrettfahrerei. Im Preis, soweit ich das recherchieren konnte, allerdings nicht – ein Interferon-Präparat kostet in der Regel vierstellig, das “Trittbrettpräparat” aus Russland ist für wenige Euro zu haben, hat aber – soweit bekannt – dem Hersteller bereits hohe zweistellige (Euro-)Millionenumsätze erbracht. Nun ja, in den Indikationsangaben stehen sie echten Interferonpräparaten ja auch kaum nach…

Panchin berichtete gegenüber Retraction Watch, ihm seien drei Klagen von Homöopathieherstellern gegen Kritiker bekannt. Zwei gegen die Russische Akademie der Wissenschaften wegen einer Veröffentlichung, die Behauptungen, Homöopathie sei zur Behandlung von Krankheiten geeignet, als unhaltbar zurückwies. Diese Klagen scheiterten.

Eine weitere, noch nicht entschiedene Klage stammt von Epsteins Firma Materia Medica gegen die russische (fundraisingfinanzierte) Wissenschaftspublikation “Troitsky Variant – Nauka” und drei Autoren (Mitglieder der Kommission gegen Pseudowissenschaften der Russischen Akademie) wegen eines kritischen Artikels über die Firma Materia Medica, ihre “Medikamente” und ihren Gründer Epstein.


Und was hat das alles mit der Homöopathie in Deutschland zu tun?

Wie ich finde, eine ganze Menge. Beispielsweise trägt das unbeirrte Festhalten an Homöopathie im deutschen Gesundheitssystem auch dazu bei, deren falsche Reputation in der Welt, besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern zu befördern. Letztlich wird auch den “Medikamenten” von Epsteins Materia Medica Holding in den Absatzländern der Weg geebnet. Ich zweifle nicht daran, dass Deutschland mehr oder weniger offen als eine Art internationale Referenz pro Homöopathie “vermarktet” wird, solange es eine Insel der Zuckerkugeltherapie darstellt. Und das ist mehr als ein Unding.

Ein Grund mehr für eine klare Positionierung des deutschen Gesundheitssystems, der Ministerial- und der Parlamentsebene gegen die Scheinmethode Homöopathie.

Worüber ich mich ehrlich freue: Dass die Chefredaktion einer wissenschaftlichen Publikation sich offen auf den Standpunkt gestellt hat, dass jedenfalls “Forschungen” zu homöopathischen Hochpotenzen den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit nicht erfüllen, die zur Veröffentlichung in einem peer-reviewten Journal Mindestvoraussetzungen sind.


Bildnachweis: Gerd Altmann auf Pixabay

Alternatives Fakt-Checking

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Die Erde ist keine Scheibe“
und wird hier in leicht überarbeiteter Form wiederveröffentlicht.

Photo by Ron Lach on Pexels.com

Es ist wirklich nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig, als Kritiker von Pseudomedizin und Impfgegnerschaft ständig mit Unterstellungen konfrontiert zu werden, man sei eh nur Knecht der Pharmaindustrie, gekaufte Mietfeder, würde unwissenschaftlich argumentieren und handeln, habe andere sinistre Motive und sei generell ein hinterhältiger, gewaltbereiter und schlechter Mensch, weil …

So etwas kommt nicht etwa nur aus den Schmuddelecken des Internets. So etwas kommt von Leuten aus der pseudomedizinischen Szene, bei denen völlig klar ist, dass sie es besser wissen. Dort wird von Menschen, die zweifellos einen Überblick über die Fakten haben, ungehemmt wider besseres Wissen die Lächerlichkeit von den bezahlten Pharmaknechten verbreitet, was schon mal so weit ging, dass führende Köpfe der wissenschaftlichen Pseudomedizinkritik als „Testimonials“, also bezahlte Werbegesichter, der bösen Pharmaindustrie hingestellt wurden.

Wozu so etwas führen kann, zeigt ein Beispiel aus dem scheinbar weit entfernten Australien. Dort gibt es die Familie Riley, deren wenige Monate alter Sohn vor ein paar Jahren an Keuchhusten verstarb – als er noch nicht geimpft werden konnte. Dies geschah in einer australischen Community mit den geringsten Impfraten landesweit.

Die Familie richtete eine Art Gedenkseite für ihren kleinen Riley ein, auf der sie fürs Impfen und die Aufklärung darüber wirbt. Die Seite wurde vielfach positiv angenommen. Jedoch…

Der Blog „Debunking Denialism“ berichtet:
„Online hat die Familie viel Unterstützung erhalten, aber auch viel Hass. Letzteres ist im Laufe der Zeit immer extremer geworden. Sie wurden sogar beschuldigt, Lockvögel für die Pharmaindustrie zu sein, dass sie nur Krisen herbeireden sollten und sogar, dass sie sogar ihren eigenen Sohn Riley ermordet hätten und dies mit der Impfpropaganda vertuschen wollten.

Uns wurde gesagt, dass unser Kind eine Puppe gewesen sei und dass wir Schauspieler für „Big Pharma“ wären. Uns wurde gesagt, dass unser Sohn nie existiert hat, oder dass Rileys Tod von den Gesundheitsbehörden inszeniert wurde, um die Impfbereitschaft zu fördern. Uns wurde sogar vorgeworfen, unser Kind ermordet und den Keuchhusten nur vorgeschoben zu haben, um damit durchzukommen“, berichtete das Ehepaar.

Das alles nicht punktuell, sondern ganz offenbar als Teil einer in Australien großangelegten zentral orchestrierten Anti-Impf-Kampagne.

Zu dieser Kampagne gehören sogenannte „Fact Checker“, die eine direkt gegen die Familie Riley gerichtete Seite im Netz unterhalten. Diese Seite geriert sich als Wächter der Wahrheit, verbreitet nicht nur die genannten unsäglichen Scheußlichkeiten gegen die Rileys. Sondern stellt die Rileys zudem als Menschen dar, die sich angeblich gegen Kritik immunisieren mit ihrer „Story“ und postuliert, dass dem im Interesse der Wahrheit und Redlichkeit entgegengetreten werden müsse:

Aus irgendeinem Grund sind sie (die Rileys) der Meinung, dass sie gegen Kritik immun sein sollten. Sie denken, dass es in Ordnung ist, öffentlich für die Einschränkung der Rechte von Menschen einzutreten, und sie haben öffentlich eingestanden, dass sie es für akzeptabel halten, andere Kinder deshalb zu bestrafen (to punish), weil sie selbst eine Erfahrung unter völlig anderen Umständen gemacht haben.“

Und was dergleichen Atemberaubendes mehr ist. Wer interessiert ist, findet noch mehr in diesem Beitrag auf Debunking Denialism.

Manchmal will mir scheinen, von dergleichen sind wir nicht weit weg. In Schweden wurde im letzten Jahr so eine Pseudo-Faktencheck-Seite debunked, die sich nicht primär, aber auch auf die Verbreitung pseudomedizinischen Unsinns bezog. Die Seite hatte schnell eine gewisse Reichweite erlangt. Hier ein Screenshot mit einem „Bericht“ über die HPV-Impfung, mit der Schlagzeile „Faktiskt.se deckt auf – Zusammenhang zwischen HPV-Impfung und Zervikalkrebs“ – man glaubt es kaum, hier wird unverfroren das glatte Gegenteil der Tatsachen behauptet und der Artikel ist mehrere zehntausend Mal gelesen worden…

Der Beitrag auf der Pseudofaktencheck-Seite behauptete, die „Wahrheit“ über die HPV-Impfung sei, dass sie Zervikalkrebs auslöse und nicht davor schütze.

Beim Auf-den-Kopf-stellen von Fakten ist die Szene auch bei uns ohnehin schon bemerkenswert rührig, mit zunehmender Tendenz. Auf welche Weise das teilweise geschieht, wird dadurch illustriert, dass die Verteidiger der Pseudomedizin und die Streiter gegen das Impfen mehr und mehr bemüht sind, nicht nur einen Wahrheits-, sondern auch noch einen Moralanspruch für ihre Position zu behaupten. Darin liegt ein gefährliches Potenzial, insofern als dass die beklagenswerte Voreingenommenheit weiter Teile der Öffentlichkeit gegen Wissenschaft, wissenschaftliche Medizin und die damit verbundenen „Feindbilder“ auch noch scheinmoralisch unterfüttert und gefestigt wird. Dass derartige scheinmoralische Positionen nur durch das Negativum der Diskreditierung von Persönlichkeiten der skeptischen Szene erreicht werden können, scheint dabei ein vernachlässigbarer bis begrüßenswerter Nebeneffekt zu sein.

Natürlich kann man das als letzte Verteidigungslinie einer jeder argumentativen Basis verlustig gegangenen Front ansehen. Man darf aber die Wirkung auf das Publikum ebensowenig außer Acht lassen wie den Umstand, dass es sich schlicht um Diffamierung von aus eigenem Antrieb kritisch engagierter Menschen handelt. Ein drastisches Beispiel dafür, wie der Weg von einer irgendwie noch als solche wahrnehmbaren Gegenkritik über bereits nicht mehr akzeptable ad-hominem-Angriffe bis hin zu einem scheinmoralischen Standpunkt, ja einer Selbstüberhöhung, führt, ist in der aktuellen Wochenendausgabe der TAZ in einem – dies sei offen eingestanden, unerwartet – kritischen und sich klar positionierenden Artikel nachzulesen. Der, wie nicht anders zu erwarten, in den sozialen Medien teils haarsträubende Kommentare nach sich zieht.


Man wird also ein Augenmerk auf Versuche der Pseudomedizin richten müssen, ihrerseits mehr als bisher schon in eine scheinbar aufklärerische Rolle mit einer pseudomoralischen Verbrämung zu schlüpfen. Die Blaupause hierfür gibt es längst, wie ich einleitend gezeigt habe.

Und damit sich der Kreis schließt: Eigentlich sind wir schon so weit. Nicht nur in Australien treten Verbreiter pseudowissenschaftlichen Unsinns mit dem wortwörtlichen Anspruch auf, als „Faktenchecker“ die wahren Aufklärer zu sein, siehe z.B. hier.

Aufklärung tut not, mehr denn je. Dabei fühlen sich die kritischen Skeptiker jedenfalls meines Umfeldes einer sachbezogenen, von persönlichen Angriffen und Unterstellungen freien Argumentation verpflichtet, ungeachtet dessen, ob dies umgekehrt auch der Fall ist.


Bildnachweise: Pixabay / Screenshot faktiskt.se via Debunking Denalism

Was erlaube Homöopathen?

Zum 20. Jahrestag der legendären Münchner Pressekonferenz vom Meister des gepflegten Wutausbruchs Giovanni Trappatoni sei diese leicht abgewandelte Einleitung eines durchaus ernstgemeinten Artikels einmal gestattet – unpassend ist sie auf keinen Fall. Passend ist rein zufällig in unserem Zusammenhang auch ein anderes 20-jähriges Jubiläum, das mit dem Wort „Retracted“ in enger Verbindung steht.

Aber zum aktuellen Fall:

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Was soll man dazu sagen, wenn eine Zeitschrift namens „Evidenzbasierte komplementäre und alternative Medizin“ (Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, wo ist mein Riechsalz… ) eine Arbeit zur homöopathischen Krebsbehandlung zurückzieht? Der Blog Retraction watch berichtet.

Man ist sprachlos. In mancher Hinsicht.

So geschehen am 26. Februar 2018 mit einem Beitrag namens “Psorinum Therapy in Treating Stomach, Gall Bladder, Pancreatic, and Liver Cancers: A Prospective Clinical Study” (Therapeutische Anwendung von Psorinum bei der Behandlung von Magen-, Gallenblasen-, Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs: Eine prospektive klinische Studie), veröffentlicht 2010. Allein der Titel lässt Schlimmes befürchten…

Es sei hier gleich eingeschoben, dass man wohl mit dem Anspruch eines seriösen medizinischen Fachblattes diesen Artikel niemals hätte veröffentlichen dürfen. Wir werden aber noch sehen, wie es zu dem Zurückziehen des Beitrages kam.

Als erstes tauchten diverse Fragen auf.

  • Angeblich gab es von der Registrierungsstelle für Studien (Institutional Review Board) eine Genehmigung für die „Studie“ aus dem Jahre 2001, was doch ein wenig unglaubwürdig wirkt, wenn man bedenkt, dass die Privatklinik, in der die „Studie“ durchgeführt wurde, erst 2008 gegründet worden war.
  • “Die Teilnehmer haben das Medikament Psorinum zusammen mit allopathischen und homöopathischen unterstützenden Behandlungen erhalten, ohne konventionelle oder andere Krebsbehandlungen zu versuchen” – heißt es in der Studie. Was insofern erschrecken lässt, als hier die Standardtherapie vorenthalten wurde – was zumindest Fragen nach der ethischen Bewertung des Vorgangs aufwirft.

Nun gut – obwohl das doch im Grunde auf einen Blick schon 2010 hätte erkannt werden sollen / müssen. Jedenfalls wurde bei den Autoren angefragt. Man erbat die Unterlagen zur Ethikprüfung, das vollständige Studienprotokoll und das Formblatt, das für die Einverständniserklärung der Patienten verwendet worden war.

Ja und dann – dann stellte sich heraus, dass die Hauptautoren, Vater und Sohn Chatterjee, Besitzer und Betreiber des Critical Cancer Management Research Centre and Clinic (CCMRCC; wie schön…) seit Mitte 2017 in Haft sitzen. Wegen „Ausübung von Medizin ohne Qualifikation“.

Nachfragen bei drei angegebenen Co-Autoren ergab, dass sie sich dagegen verwahrten, als Autoren der Arbeit genannt worden zu sein und dass sie niemals ein solches Einverständnis gegeben hätten. Ein vierter Co-Autor antwortete nicht.


Und was für eine tolle Krebstherapie hatte man da „entdeckt“?

Das Papier untersuchte die Wirkungen von Psorinum, einem homöopathischen Präparat, das offenbar schon in der Vergangenheit zur Krebstherapie benutzt wurde:

Psorinum, ein alkoholischer Extrakt aus Krätze-, Schorf- und Eiterzellen…[der] verschiedene Immuneffektorzellen (z.B. T-Zellen und akzessorische Zellen wie Makrophagen, dendritische Zellen und natürliche Killerzellen) aktiviert, die eine komplexe Antitumor-Immunantwort auslösen können.

Nosodenkram, aha. Nett. Der „Klassiker“ der Nosoden, erfunden vom Begründer der Homöopathie in Amerika, Konstantin Hering.


Und jetzt lichtet sich ein wenig das Dunkel:

Hindawi, einer der größten medizinischen Fachverlage, unter deren Flagge auch das Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine-Magazin segelt, war nach eigenen Angaben durch einen Leser auf die Verhaftung der Chatterjees aufmerksam gemacht geworden und hatte die Untersuchung initiiert. Zudem waren dort Beschwerden aufgelaufen, unter anderem -und das ist wichtig- über PubMed Central, also dem Meldewesen der großen Studiendatenbank PubMed/NCBI. Stichwort: Wissenschaftsgemeinde.

Der Kern der Untersuchung stammte dann auch von Hindawis Research Integrity Team. Falsche Angaben zur Autorenschaft und zum Genehmigungsdatum und vor allem das offensichtliche Ethikproblem der Studie (wenn sie denn überhaupt durchgeführt wurde…) reichten nach Ansicht von Hindawi allein aus, um die Veröffentlichung zurückzuziehen. Diese Entscheidung wurde denn auch von Hindawi getroffen.

Es gab aber noch mehr Unangenehmes. Die Diskussion der Studienergebnisse (“Diskussion” als Abschnitt in der Studie selbst ist hier gemeint, als Darlegung dessen, wie man die Daten warum beurteilt) stand in Widerspruch zur Zusammenfassung. Die Diskussion räumte eine eingeschränkte Aussagefähigkeit nach den Maßstäben wissenschaftlicher klinischer Studien ein, weil die Studie weder eine Placebo- noch eine Standardbehandlungsgruppe (!) besaß; die Zusammenfassung lavierte daran vorbei, indem sie eine Wirksamkeit von Psorinum als Krebsmittel implizierte. Und -endlich- wurde man darauf aufmerksam, dass das Studiendesign nicht weniger beschrieb als eine eierlegende Wollmilchsau – nämlich eine „prospektive klinische Beobachtungsstudie“. Es sei, um nicht noch mehr in die Breite zu gehen, nur angemerkt, dass eine Studie schlecht gleichzeitig „klinisch“ (also Anwendungsstudie) und „Beobachtungsstudie“ sein kann. Näheres für den Interessierten hier.

Retraction watch hat noch recherchiert, dass die Chatterjees Papiere über ihr Wundermittel allen Ernstes im Journal of Clinical Oncology (2009, 2010) veröffentlichen konnten. Die Herausgeberin, die American Society of Clinical Oncology, teilte mit, die Angelegenheit zu überprüfen…


Was haben wir nun hier?

Ein weiteres – dreistes – Beispiel für den Missbrauch der Wissenschaft als wohlfeiles Deckmäntelchen dort, wo es nichts Wissenschaftliches gibt. Für das Vortäuschen von Wissenschaftlichkeit, ohne sich an deren Regeln zu halten – dieser Vorwurf trifft auch das Magazin, ganz klar. Auf der einen Seite eine ethische Insolvenzerklärung allerersten Ranges, auf der anderen Seite aber auch ein weiteres Beispiel für die im Wissenschaftssystem „eingebaute“ Selbstreinigungskraft. So mancher hat schon diese „eingebaute Selbstkorrektur“ des wissenschaftlichen Systems unterschätzt. Oder gleich gar nicht wahrgenommen, weil ohnehin nie zum Grundgedanken der Wissenschaftlichkeit durchgedrungen.

Als einzelner Vorgang mag diese Geschichte wie ein Kuriosum aus dem Morgenland erscheinen. Gut, die Zitationen hielten sich immerhin in Grenzen. Eine Marginalie oder ein als solitär zu betrachtender Vorgang ist es aber keineswegs. Indien, das gelobte Land der Homöopathie (wir erinnern uns an die Besucher aus Indien anlässlich des Welt-Homöopathie-Kongresses 2017 in Leipzig), auch von westlichen Homöopathen stets als solches beschworen und als Beleg für die “hunderte Millionen erfolgreichen Anwendungsfälle” hervorgehoben, dort teils mit hohen Beträgen für „Forschung“ aus staatlichen Mitteln zu Lasten einer vernünftigen gesundheitlichen Grundversorgung ausgestattet – das ist nicht “weit weg”. Die indische Homöopathieszene dient (sogar gegenüber Patienten hierzulande, wie mir persönlich bekannt ist) immer wieder als Referenz – und ist insofern schon von zentraler Bedeutung.

Und so ist auch dieser Vorgang symptomatisch, ja systemisch für die homöopathische Szene. Über die einzelnen Mängel der Studie verzieht der Kummer gewohnte Kritiker zwar kaum eine Miene, so etwas findet man auch woanders. Aber ist das nicht ab einem gewissen Punkt zwangsläufig bei der Homöopathie, weil sie ja an gut designten und durchgeführten Studien scheitern muss? Und welchen Sinn sollen Zeitschriften haben, die nichts anderes darstellen als den gedruckten Teil der Filterblase Homöopathie? Die keine wissenschaftlichen Publikationsregeln einhalten? Die zu nichts anderem dienen als zur Selbstbestätigung der Homöopathen und allenfalls zum Marketing beim unkritischen Publikum?

Ein Zerrbild. Eine Groteske.


Bildnachweise: dpa / Screenshot Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine

VAXXED in London – Streng geheim!

Nun hat er es doch noch geschafft. Wie die TIMES recherchierte, hat am Abend des 14. Februar doch noch eine Aufführung von Wakefields filmischen Exkrementen stattgefunden. Aber welchen Effekt man sich davon versprochen hat…

350 Karteninhaber, ganz offensichtlich alle namentlich bekannt und schnell erreichbar, wurden vor der Vorstellung in den Regent’s Park bestellt. Die TIMES schreibt:

“Das Publikum stürmte in einen Saal auf dem efeubewucherten Campus einer Privatuniversität – für ein Ereignis, das so geheimnisvoll war, dass nicht einmal der gastgebenden Institution bewusst war, was geschehen sollte. Die Organisatoren hatten die Art von Vorkehrungen getroffen, die normalerweise zum Schutz von Holocaust-Leugnern oder salafistischen Hasspredigern verwendet werden. Doch das Ereignis des Abends waren weder David Irving noch Abu Hamza: Es war ein ausgestoßener Arzt.”

Ein schöner Erfolg. Von der Absicht, Europas Öffentlichkeit und womöglich auch noch politische Entscheidungsträger zu beglücken, bis hin zu einem konspirativen Treffen unter Gleichgesinnten, so geheim, dass die TIMES investigativ recherchieren musste – wirklich sehr beeindruckend. Glückwunsch.

Wenig erfreulich für Wakefield war auch die Berichterstattung in der TIMES, als er nach über sieben Jahren wieder britischen Boden betrat. Sinnigerweise verband die TIMES dies gleich mit dem Hinweis darauf, dass die Internetriesen Amazon und Apple jetzt auch noch Geschäfte mit dem VAXXED-Film machen.

Wir werden dranbleiben.


Bildnachweise: Screenshots THE TIMES, 16.02.2017


Aus den Kommentaren

 John sagt:

…und jetzt. Vielleicht schon mal die Frage gestellt, warum hier gegen diesen Film Seitens der Impfstoff Industrie so Sturm gelaufen wird? Die Menschen sehen ganz oft die Gesundheitlichen Probleme, die nach Impfungen auftreten…Immunologischer oder Neurologischer Natur.
Ungeimpfte kennen sowas kaum bis gar nicht. Wissenschaft hin oder her, wer heilt hat recht. Wer nach dem Impfen einen oben genannten Schaden davonträgt, kommt recht schnell drauf, dass die Schulmedizin NICHT im Stande ist ,chronische Krankheiten zu HEILEN.
Deshalb der Run auf TCM, Homöopathie etc.
Wer heilt hat recht…
Wer will schon dauerhaft Medikamente nehmen.

 Udo Endruscheit sagt:

Ich antworte Ihnen gern und freue mich auch über Ihre Zuschrift, aber bitte tun Sie mir den Gefallen, sich auch mit meiner Antwort wirklich zu beschäftigen.

Zunächst einmal: Wie kommen Sie darauf, dass “die Impfstoffindustrie” gegen den Film “Sturm läuft”? Nennen Sie mir bitte Ihre Quellen für diese Behauptung! Mir persönlich ist nicht einmal im Ansatz bekannt, dass Impfstoffhersteller in irgendeiner Form etwas zu dem Film gesagt oder veröffentlicht haben.

Ebenso die Frage: Woher haben Sie die Weisheit, dass “die Menschen ganz oft die gesundheitlichen Probleme sehen, die nach Impfungen auftreten”? Bitte nennen Sie mir auch hierfür Ihre Quellen! Ich empfehle Ihnen, da Sie ja erfreulicherweise auf meinem Blog lesen, mal nach dem Stichwort “Impfschäden” zu suchen und zu lesen, was Sie dann dort finden.

“Wer heilt, hat recht” – das ist der abgedroschenste und – Entschuldigung- dümmste Spruch aller Pseudomedizin-Anhänger. Nein. Es hat nur der Recht, der Mittel und Methoden einsetzt, die nachweislich dazu geeignet sind, zu heilen oder zu lindern. Nicht der, der irgendetwas gibt und aus einer Veränderung eines Zustandes ohne Beleg darauf schließt, das Eine hinge mit dem Anderen zusammen. Nichts unterliegt so sehr der Selbsttäuschung wie die menschliche Wahrnehmung. Das Gehirn sucht immer nach Zusammenhängen und findet sie auch immer. Eine solche Fehlannahme nennt man den “post hoc ergo propter hoc”-Fehlschluss. Also etwa “Ich habe etwas gegeben – also ist es auch die Ursache für die Wirkung, die ich jetzt sehe”. Wenn Medizin auf so etwas beruhen würde, wären wir jetzt noch auf dem Stand von vor 300 Jahren – beim blinden Herumprobieren.

Noch einmal eine Frage nach einer Quelle: Woher haben sie -mit Fundstellenangabe- die Weisheit, die Schulmedizin sei nicht in der Lage, chronische Krankheiten zu heilen? Dabei schicke ich mal voraus, dass niemand behauptet, die “Schulmedizin” könne und wisse alles. Davon sind wir noch Lichtjahre entfernt. Nein, wer behauptet, alles zu wissen und alles heilen zu können, das sind die Scharlatane, viele Homöopathen (die z.T. behaupten, Krebs heilen zu können) und andere, die eben nicht zur Schulmedizin gehören.
Es gibt aber durchaus chronische Krankheiten, die die Schulmedizin auch heilen kann. Z.B. ist heute -anders als noch vor wenigen Jahren- eine echte Heilung von Hepatitis C möglich. Auch bestimmte Krebsarten sind definitiv heilbar. Längst natürlich nicht alle Krankheiten, wie gesagt, das behauptet die “Schulmedizin” ja auch nicht. Nur mal als Beispiel: Die Forschung arbeitet derzeit an einem sehr vielversprechenden Ansatz für eine Heilung bestimmter Erscheinungsformen von Diabetes Typ II, eine Sache, die man bislang für völlig unmöglich gehalten hatte. Warten wir es mal ab.

Es steht Ihnen frei, auf die Errungenschaften moderner Medizin zu verzichten, selbstverständlich. Betrachten Sie das aber als persönliche Entscheidung und verzichten Sie darauf, andere davon zu überzeugen. Dann aber bitte ich Sie um folgendes: Besuchen Sie niemals in Ihrem Leben, egal was kommt, mehr einen Arzt der “Schulmedizin”, weder in einer Praxis noch in einer Klinik. Tragen Sie immer einen Notfallausweis bei sich, auf dem vermerkt ist, dass Sie auf keinen Fall schulmedizinisch behandelt werden möchten. Kaufen Sie nie mehr in einer Apotheke ein pharmazeutisches Präparat. Aber seien Sie konsequent und bleiben Sie dabei!

Wer will schon dauerhaft Medikamente einnehmen? Das kann ich Ihnen sagen. Zum Beispiel Diabetespatienten, die sonst in absehbarer Zeit erblinden und Gliedmaßen verlieren würden. Zum Beispiel Blutdruckpatienten, die nicht mit Mitte 50 an einem Schlaganfall sterben möchten. Zum Beispiel chronische Schmerzpatienten, für die ohne medikamentöse Hilfe womöglich das Leben nicht mehr als lebenswert ansehen würden. Und, und, und… Fragen Sie solche leute doch einmal, ob sie gern auf die Hilfe und Unterstützung von Medikamenten, die ihr Leid lindern und ihr Leben verlängern, verzichten würden. Ich habe schwerkranke Menschen gesehen, die sich aus Verzweiflung Dingen wie TCM oder Homöopathie zugewandt haben – und dies alle bitter bereut haben, wenn sie noch Gelegenheit dazu hatten. Genau diese Erlebnisse haben mich dazu gebracht, mich gegen Scharlatanerie, Pseudomethoden und Dinge wie die völlig irrationale Impfgegnerschaft zu engagieren.

Und nein, Pseudomedizin ist keine Alternative. Denn sie ist wirkungslos und reine Geschäftemacherei. Wenn Sie sich für sich selbst anders entscheiden möchten – bitte sehr. Aber dann: Siehe oben.Nehmen Sie mir meine klaren Worte bitte nicht übel. Ich sehe nur an der Anhäufung von unsinnigen Behauptungen und Plattitüden in Ihrem Post, dass Sie sich noch nie wirklich unvoreingenommen mit dem Unterschied von wissenschaftlicher Medizin und Pseudomethoden beschäftigt haben. Ich würde Sie gerne dazu ermuntern. Stöbern Sie dazu doch einfach mal ein wenig mehr in meinem Blog, wenn Sie eh schon da sind!Ich wünsche Ihnen ehrlich alles Gute!

PS. Und nicht vergessen, mir die Fragen nach den Fundstellen zu beantworten!

Für Impfgegner

Link dazu

Auch an anderen Stellen veröffentlicht:
Robert Kennedy jr. und Robert de Niro loben 100.000 Dollar für den aus, der die Unschädlichkeit von thiomersalhaltigen Impfstoffen bei Kindern und Schwangeren nachweist.

Dumm, perfide oder beides? Hier kommt die klassische dumm-hinterlistige Forderung um die Ecke, etwas Nichtvorhandenes beweisen zu sollen. Wieder mal wird eine Schleimspur gelegt, die zu einer Win-Win-Situation für die Impfgegner führen soll. Wie soll man die Nichtschädlichkeit beweisen, wenn eh klar ist, dass medizinstatistische Daten diese Herrschaften nicht beeindrucken werden? Und dann auch noch der Spezialfall von thiomersalhaltigen Impfungen (gibt es fast nicht mehr) bei Schwangeren und Kindern? Wie soll das denn gehen?

Was die Herrschaften oder vielleicht auch nur ihre Hintermänner wissen: Gar nicht. Sie werden, wenn jemand so verrückt ist, hierauf einzugehen, sich der Methode Lanka bedienen: Mit nichts zufrieden sein. Was ja aufgrund der Fragestellung, die nach dem Beweis von etwas Nichtvorhandenem fragt, auch naheliegt. Denn das ist keine epistemologische Kategorie, die Nichtbeweisung ist a priori ein praktisch unlösbares Problem, weshalb man es auch gar nicht erst aufwirft. Unter Leuten, die das verstanden haben. Oder es legt überhaupt niemand etwas vor, weil man sich nicht auch noch intellektuell selbst beleidigen will.

Folge in beiden Fällen: Es wird messerscharf gefolgert, dass niemand die Unschädlichkeit von thiomersalhaltigen Impfungen bei Schwangeren und Kindern belegen kann. Und daraus wird triumphal abgeleitet, dass thiomersalhaltige Impfungen bei Schwangeren und Kleinkindern schädlich sind.


Um nun doch noch etwas zur Sache „Thomersal“ beizutragen:

Thiomersal wurde als Konservierungsstoff in Impfungen schon seit Ende der 1930er Jahre verwendet, damals auch -technisch bedingt- in weitaus höheren Dosen als zur letzten Zeit der Anwendung. Niemals sind deshalb Nebenwirkungen spezifisch berichtet worden. Vorher waren in den Impfdosen übrigens Petroleumverbindungen (!) drin. 

Bis ca 1990 waren Röteln-Immunglobuline in Verkehr, um Rötelnembryopathien nach Kontakt bei Schwangeren ohne Rötelnimmunität zu vermeiden. Da wurden lt Fachinfo bis 40 ml in den M glutaeus injiziert, evtl sogar mehrmals. Nur waren die meisten dieser Immunglobuline mit Thiomersal 0,01% konserviert.

Schäden beim Fötus: keine bekannt.

Keine Frage, die Zerfallsprodukte Ethylquecksilberchlorid und Thiosalicylsäure haben ein hohes Sensibilisierungspotenzial. Da in jeder Fachinfo steht: Kontraindiziert bei Sensibilisierung gegen einen Inhaltsstoff.
Thiomersal war in vielen Infundibilia mit > 20 ml (zB Immunglobuline) enthalten, obwohl damals bereits lt Europäischem Arzneibuch untersagt. In einem Anti-thymozytenglobulin eines internationalen Konzerns war es sogar undeklariert enthalten (1988) und man ist damit bis an die akute (irreversible) Toxizitätsgrenze gegangen. Dieses Produkt wurde dann vom Markt genommen.
Quecksilberorganische Verbindungen waren bis in die 90er Jahre z.B: in Flächendesinfektionsmitteln enthalten. Nicht zu vergessen die Saatgutbeizmittel,da gabs Massenvergiftungen mit vielen Toten im Irak in den 70ern.

Thiomersal ist leider in Kontaktlinsenwaschflüssigkeiten und auch in Kosmetika heute noch enthalten. Sensibilisierung sieht man dann an den roten Augen und an „diese Kosmetika sind nicht für meinen Typ geeignet“.

Nur: die geringen, schon sehr lange nicht mehr aktuellen Mengen von Theomersal in Impfstoffen werden lautstark thematisiert. Der Rest – allenfalls in Fachkreisen …

(Danke für Hinweise an Kommentator WolfgangM)


Hiermit lobe ich demjenigen, der mir den wissenschaftlichen Beweis dafür erbringt, dass Robert Kennedy jr. und Robert de Niro keine Idioten sind, 100 Euro und einen Bund Bio-Knoblauch aus. Und wehe, keiner gewinnt die Auslobung hier! Dann steht nämlich klar fest, dass Robert Kennedy jr. und Robert de Niro ….

Genau.


Bildnachweis: Screenshot Buzzfeed

Nachtrag zu”Homöopathie wirkt nicht? Die Wikipedia ist schuld!

Hieronymus Bosch: Die Verschwörung der materialistischen Skeptiker gegen die Homöopathen

Die Sache mit der Behauptung, die Wikipedia habe vor lauter Bösartigkeit und im Kniefall vor den Skeptikern und ihrer materialistischen Weltanschauung den Homöopathie-Artikel zeitweilig zur Bearbeitung gesperrt, hat mich nun doch nicht ruhen lassen. In Ergänzung zu meinem Beitrag vom 04.11.2016 hier also für den geneigten Leser noch ein paar interessante Rechercheergebnisse.

Nur eine Blaupause… 

Zunächst einmal hat sich ergeben, dass es eine -wenn auch weit ausführlichere- direkte Vorlage für den Artikel des DZVhÄ  gibt. Dabei handelt es sich um einen Beitrag bei der amerikanischen Huffington Post des homöopathischen Arztes Dana Ullman, der – sagen wir mal so – für seine leidenschaftlichen Interventionen zugunsten der Homöopathie auf vielen Plattformen und in so manchen Foren durchaus einen gewissen Ruf genießt. Ullman verfolgt exakt den gleichen Grundtenor wie Jens Behnke beim DZVhÄ, ist aber weitaus ausführlicher, was seine “Belege” und weitaus deutlicher, was die Wikipedia angeht. Wie immer bei Ullman, wird man von der Unzahl an vorgeblichen Beweismitteln geradezu erschlagen, auch der Artikel bei der HuffPost strotzt nur so vor Quellenangaben. Beim näheren Hinsehen allerdings zeigt sich auch hier wieder die Gültigkeit der Weisheit aus dem biblischen Buch Kohelet, auch Prediger Salomo genannt: Es gibt nichts Neues unter der Sonne, alles ist schon einmal dagewesen. Aber diese Inhalte sollen hier nicht Gegenstand der Debatte sein.

Sperre? Artikel? Oder wer?

Vielmehr ist interessant, dass Ullman diesen Artikel offensichtlich im Furor über seine eigene Sperrung als Editor bei Wikipedia verfasst hat, er beklagt sich bitterlich darüber, dass er wegen seiner Eigenschaft als ausübender Homöopath gesperrt worden sei. Schließlich würden ja Ärzte auch nicht bei Medizinthemen gesperrt. Wo er recht hat, hat er recht. Und genau deshalb war ich auch wenig geneigt, seiner Behauptung zu den Gründen seiner Sperre Glauben zu schenken.

Mal sehen, was hierzu in Erfahrung gebracht werden kann.

Es ist nicht allzu schwer, in Wikipedias Referenzseiten den Bericht des Schiedsgerichts zu finden, der 2008 zu einer einjährigen Sperre von Ullman. geführt hat – nicht etwa, wie der Behnke-Artikel suggeriert, zu einer kompletten Editionssperre des gesamten Artikels – in Deutschland ohnehin nicht, in Amerika ebensowenig, wie ein Blick in die Versionsgeschichte zeigt.

Konflikte mit Ullman waren vorher schon in einem niederschwelligeren Verfahren bei Wikipedia behandelt worden, ohne dass dies von Erfolg gekrönt war. Letztendlich gelangte sein gesamtes Verhalten vor das fünfköpfige Wikipedia-Schiedsgericht, das über die von verschiedenen Seiten gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu befinden hatte. Sich dorthin zu bringen, das muss man erstmal schaffen!

Das Schiedsgericht führt hier die Wikipedia-Regeln an, deren Nichteinhaltung Ullman vorgehalten wurde (Auszüge):

1) Der Zweck von Wikipedia ist es, eine qualitativ hochwertige, frei zugängliche Enzyklopädie in einer Atmosphäre von Kameradschaft und gegenseitigem Respekt unter den Mitwirkenden zu schaffen. Die Nutzung der Website für andere Zwecke, wie zum Beispiel Befürwortung oder Propaganda, Förderung von äußeren Konflikten, Veröffentlichung oder Förderung originärer Forschungsergebnisse sowie politischer oder ideologischer Kampf, ist verboten.

2) Von Wikipedia-Nutzern wird erwartet, sich angemessen, ruhig und höflich bei ihren Interaktionen mit anderen Nutzern zu verhalten und auch schwierige Situationen angemessen und mit konstruktiver und auf Zusammenarbeit gerichteter Perspektive zu behandeln. Jedes Handeln ist zu vermeiden, das das Projekt in Verruf bringt. Unangemessenes Verhalten, wie persönliche Angriffe, bösgläubige Annahmen (Unterstellungen), Trolling, Belästigung, destruktive Argumentationen und das nicht ernsthafte Benutzen des Systems sind verboten.

3) Wikipedia-Artikel sollten sich auf zuverlässige, von Drittanbietern veröffentlichte Quellen mit solider Reputation hinsichtlich Tatsachenprüfung und Genauigkeit verlassen. Quellen sollten direkt die Informationen stützen, wie sie in einem Artikel dargestellt werden und sollten den Ansprüchen des Themas angemessen sein: Außergewöhnliche Ansprüche erfordern außergewöhnliche Quellen.

Die Vorwürfe gegen Ullman, der offensichtlich auch eine wenig kollegiale Einstellung gegenüber der Wikipedia-Gemeinde in den USA gezeigt hat, bezogen sich vor allem auf seine ständige direkte Promotion der Homöopathie durch seine eigenen Beiträge und die Versuche, Beiträge anderer zu verhindern, ohne ausreichende Faktenbasis zu verändern oder zu diskreditieren. So hat er zum Beispiel Quellenangaben “hochgeschrieben”, indem er Zeitschriften eine Reputation zusprach, die sie nachweislich nicht im Entferntesten hatten. Anderes Beispiel: Er legte Studien, z.B. der berühmten Studie von Shang et.al., in seinen Beiträgen Bedeutungen bei, die die Verfasser selbst niemals behauptet hatten. Und so weiter… Zudem stand er unter dem Vorwurf, ständig versucht zu haben, andere Wikipedia-Redakteure “wohlwollend” in seiner Richtung zu stimmen – was im Schiedsgerichtsverfahren so interpretiert wurde, dass er unter “Wohlwollen” das vollständige Einschwenken auf seine Linie verstehe.

Nun gut, in die Einzelheiten brauchen wir nicht weiter zu gehen, wen es interessiert, die Quellen sind im Text oben verlinkt. Fest steht, dass aufgrund all dessen Ullman für ein Jahr von jeder Funktion bei Wikipedia gesperrt worden ist, was ein ziemlich deutliches Signal war. Mit fünf zu null Schiedsrichterstimmen. Ullman, nicht die Wikipedia-Seite. Nun, erstmal hatte sich ihm ja die HuffPost als virtuelle Klagemauer zur Verfügung gestellt…

Ach ja, der Artikel auf homoepathie-online…

Und aus alldem macht nun der Deutsche Zentralverband homöopathischer Ärzte ein die Grenzen der Verschwörungstheorie überschreitendes, faktenbefreites und aus dem Einzelfallkontext “Ullman” gerissenes Rührstück über die armen, der reinen Wissenschaft verpflichteten Homöopathen, die unter der Knute der gnadenlos materialistisch ausgerichteten Skeptiker verzweifelt die letzten sicheren Zufluchtsorte aufsuchen müssen…

Keine Worte.


Nachtrag zum Nachtrag:

Eine weitere Vorlage für den Artikel auf homoeopathie.online ist eine Petition auf change.org, die schon 2014 “selbsternannte Skeptiker” aus Wikipedia verbannen wollte – zugunsten der Freiheit, ungehemmt Unsinn zu verbreiten und endlich “richtige” Informationen über die wahre wahrste Wahrheit auf allen Wikipedias dieser Welt unter die Menschheit zu bringen:

This is exactly the case with the Wikipedia pages for Energy Psychology, Energy Medicine, acupuncture, and other forms of complementary/alternative medicine (CAM), which are currently skewed to a negative, unscientific view of these approaches despite numerous rigorous studies in recent years demonstrating their effectiveness. These pages are controlled by a few self-appointed “skeptics” who serve as de facto censors for Wikipedia. …

(Dies (Unterdrückung und Zensur) ist genau der Fall bei den Wikipedia-Seiten für Energiepsychologie, Energiemedizin, Akupunktur und andere Formen der Komplementär- / Alternativmedizin (CAM), die gegenwärtig trotz zahlreicher rigoroser Studien in den letzten Jahren, die die Wirksamkeit dieser Methoden zeigen, bei einer negativen, unwissenschaftlichen Betrachtung dieser Ansätze beharren. Diese Seiten werden von einigen selbst ernannten “Skeptikern” kontrolliert, die als de facto-Zensoren für Wikipedia dienen. …)

Na, kommt uns das bis in die Formulierung hinein bekannt vor?

Für Wikipedia antworte Gründer Jimmy Wales höchstselbst auf diese Petition, und zwar direkt auf der Petitionsseite bei change.org:

No, you have to be kidding me. Every single person who signed this petition needs to go back to check their premises and think harder about what it means to be honest, factual, truthful. … What we won’t do is pretend that the work of lunatic charlatans is the equivalent of „true scientific discourse“. It isn’t. 

(Nein, ihr wollt mich wohl auf den Arm nehmen. Jede einzelne Person, die diese Petition unterzeichnet hat, muss zurückblicken und sich besinnen, um ihre Standpunkte und deren Prämissen zu prüfen und intensiver darüber nachzudenken, was es bedeutet, ehrlich, sachlich und wahrhaftig zu sein. … Was wir nicht tun werden, ist so zu tun, als sei das Werk verrückter Scharlatane ein Äquivalent des wirklichen wissenschaftlichen Diskurses. Ist es nicht.)

Danke, Jimmy.


Homöopathie wirkt nicht? Die Wikipedia ist schuld!

Eigenes Bild

Auf der Webseite homoeopathie-online.info des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte wird derzeit ein Artikel aus dem Jahre 2015 promoted, der den ganzen Jammer der Homöopathie-Fraktion über die hinterhältigen Vernichtungsstrategien der Rationalisten auf den Punkt bringt. Jens Behnke beklagt darin ebenso wort- wie tränenreich, welch schlechte, falsche und auch ungerechte Behandlung die Homöopathie im Online-Lexikon Wikipedia erfährt. Und zwar aufgrund hinterhältiger Verschwörungen der Skeptiker-Szene.

Da mich Ungerechtigkeiten stets auf den Plan rufen, habe ich aktuell noch einmal den Wikipedia-Artikel zur Homöopathie eingehend studiert. Wobei ich allerdings keine Anzeichen für irgendwelche Parteilichkeit feststellen konnte. Zweifellos haben im Zeitraum von Februar 2015 – Datum von Herrn Behnkes Artikel – bis zuletzt am 30.10.2016 etliche Änderungen stattgefunden, aber laut Versionsvergleich kein “Umschreiben” des Artikels, ich darf deshalb mit Recht davon ausgehen, dass ich in etwa den gleichen Beitrag gelesen habe, der so harsch vom DZVhÄ kritisiert wird.

Der Homöopathieartikel hat bei Wikipedia im Übrigen seit 2010 das Prädikat “lesenswert”, aber das nur am Rande. Für mich jedenfalls ist er ein Musterbeispiel eines sachlich-neutralen Beitrags. Er stellt über rund zwei Drittel seines Umfangs in mustergültiger Neutralität das Gedankengebäude der Homöopathie, basierend auf Hahnemanns Verlautbarungen und unter Einbeziehung wesentlicher “Lehrmeinungen”, dar. Aber dann… dann kommt es, woran sich der Eifer des DZVhÄ entzündet: Die Ziffern 7 (Kritik an der Homöopathie) und 8 (Risiken der Homöopathie). Na, die hätte man doch wohl weglassen können!

Eigentlich könnte ich hier Schluss machen, denn damit ist im Grunde das Verschwörungsgezeter der Homöopathiefraktion für jeden, der sich ganz einfach selbst überzeugt (siehe Link oben), bereits als Propaganda deutlich geworden. Um die Denkweise des Zentralvereins aber einmal näher kennenzulernen, gehen wir auf einige Aussagen im Artikel von homoeopathie-online doch noch ein.


Gleich oben im Teaser steht der Satz

Was geschieht, wenn wissenschaftliche Fakten auf Weltanschauungen treffen?

Ganz einfach: Dann kommen solche Artikel wie der von Herrn Behnke heraus. Oder sollte womöglich Herr Behnke etwa der Meinung sein, die Homöopathie stehe auf der Seite der wissenschaftlichen Fakten und die Kritik auf der Seite der Weltanschauungen!?  Das mag einen wahren Kern haben, da umgekehrt auch die Kritik das Verhaftetsein in der Homöopathie als eher weltanschaulich-ideologisch begründet ansieht, da sie sich dem kritisch-rationalen Wissenschaftsbegriff verweigert. So, wie Herr Behnke es hier meint, im Sinne einer „falschen“ Weltanschauung der Kritiker, ist das aber nun doch sehr, sehr hoch gegriffen und überfordert deutlich mein allgemeines Vertrauen in die Tatsachen des Lebens. Da muss schon mehr kommen (kommt aber nicht). Um mit Bertrand Russell zu sprechen: Sir, why did you not give me better evidence?

Der Beitrag beginnt mit einer höchst selektiven Zitatwahl.

Kein Wunder, soll doch der nachfolgenden Verschwörungstheorie der Boden bereitet werden. Einige einleitende Sätze zur den Kapiteln 7 und 8 aus der Wikipedia – zu Kritik und Risiken – werden demonstrativ angeführt und damit die Kapitel 1 bis 6, die sich ausführlich mit dem homöopathischen Lehrgebäude -in gebotener Neutralität und großer Ausführlichkeit- befassen, einfach unterschlagen. Das bezeichne ich mal als unredlich und manipulativ – genau das, was dem Wikipedia-Artikel -zu Unrecht, wie ich meine- vorgeworfen wird.

Das Hohelied der Konsensbildung

… folgt anschließend. Mal eben im Vorbeigehen wird erläutert, dass außerhalb “unstrittiger Themen” die Wikipedia letztendlich ausgewogene Informationen bereitstellen soll; die Urteilsbildung werde dem Leser überlassen. Es wird beklagt, dass eben dies nicht geschehe. Breit wird entfaltet, wie die Homöopathie-Gegner genau diesen Artikel bei der Wikipedia unterlaufen haben und sogar die Administratoren ganz offensichtlich zu den Mitverschwören gegen die Zuckerkugelindustrie gehören. Unterfüttert mit der Behauptung, dass sogar der Artikel “eingefroren” worden sei, d.h. für weitere Bearbeitung gesperrt. Was allerdings an der Versionsgeschichte auf der Wikipedia nicht erkennbar ist – wie dem auch sei, bleibt offen, wer und warum eine solche Sperrung ausgelöst haben mag.

Was nun die Forderung nach Konsens bei umstrittenen Themen angeht – ist Wikipedia wirklich eine Plattform zur Aushandlung von Kompromissen? Widerspricht doch schon der zitierten Aussage, dass “die Urteilsbildung dem Leser überlassen bleibe” (was selbstverständlich ebenfalls Unsinn ist). Und “ausgewogene ” Darstellung ist zweifellos eher eine Untugend, die im Journalismus weit verbreitet ist und mit der die Propaganda für Unsinn gern verbrämt wird. Ein wissenschaftlicher Anspruch, wie er von den Homöopathen so gern -auch hier- reklamiert wird, fordert die Darstellung der Lehrmeinung bzw. der Ausgangshypothese unter Anführung von abweichenden Standpunkten. Genau dem folgt der Wikipedia-Artikel – geradezu formvollendet.

Es folgt das große Mimimi:

“Wikipedia ist in Bezug auf die Homöopathie eine Plattform, auf der eine Gruppe von Menschen ihre persönliche Überzeugung unter dem Deckmantel der Wissenschaft vorträgt. Mutmaßlich handelt es sich hierbei um Mitglieder der sog. „Skeptikerbewegung“, einer Organisation, die in dogmatischer Art und Weise eine materialistische Weltanschauung verficht und sämtliche Phänomene zu leugnen versucht, die sie mit ihr im Konflikt sieht. Für die aus den USA stammende Ursprungsbewegung sind zudem Verbindungen zur Pharmaindustrie aufgezeigt worden.”

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Kein weiterer Kommentar. Höchstens, dass alle Plattformen, auf denen die Homöopathie gepriesen wird, Musterbeispiele für das Vortragen persönlicher Überzeugungen unter dem Deckmantel der Wissenschaft sind. Siehe auf diesem Blog -auch zur Vermeidung von Wiederholungen- beispielsweise hier. Und immerhin ist bemerkenswert, dass die Homöopathiehersteller -in den USA wie auch hier – Bestandteil der Pharmaindustrie sind, allen ihren Vereinigungen und Verbänden angehören und -wie kürzlich zu vernehmen war- diese Verbände und Vereinigungen sich deutlich GEGEN eine Einschränkung der Homöopathie als Kassenleistung aussprechen… Honi soit qui mal y pense. Hier wird nun wahrlich einiges von den Füßen auf den Kopf gestellt von Herrn Behnke. Er scheint das – wie auch andere Ereignisse zeigen – wirklich zu glauben.

Danach wird es richtig langweilig.

Das Studienthema wird wieder aufgewärmt, selbst der “homöopathische Arzt Dana Ullman” beklage deren miese Beachtung in der Wikipedia. War das nicht derjenige, der vor kurzem ernsthaft versuchte, eine “Studie” zu promoten, die in Höchstpotenzen “Nanopartikel” nachgewiesen haben wollte…? All diese Studien sind -wie auf diesem Blog schon mehrfach erläutert wurde- wertlos für einen evidenten Wirkungsnachweis der Homöopathie. Und wenn sie, wie Herr Behnke erwähnt, in “Fachkreisen” hoch gehandelt werden, so handelt es sich bei diesen “Fachkreisen” um weniger als ein Prozent der weltweiten Wissenschaftsgemeinde.

Ganz sachlich: Die geäußerte Ansicht, auch der darstellende Teil des Wikipedia-Artikels sei manipulativ, falsch dargestellt und weitgehend belegfrei, teile ich nicht. Der Artikel verweist auf sage und schreibe 265 Einzelnachweise, dazu auf Literatur und Quellen erheblichen Umfanges, darin die homöopathischen Lobbyverbände. Man könnte es auch viel kürzer machen, was vielleicht bei unerfahrenen Lesern viel eher zu einer kritischen Haltung gegenüber der Homöopathie führen würde als die vorliegende umfangreiche Darstellung. Aber nein, man ist einfach mit nichts wirklich zufrieden…

Kurz gesagt, halte ich den Artikel auf homoeopathie-online geradezu für eine Verleumdung der Wikipedia, bei der natürlich nicht alles Gold ist, was glänzt. Aber das hier…

Versöhnlicher Ausklang?!?

Nun, zum Schluss kann man lesen:

“Glücklicherweise scheint die Meinungsmache im Internet keinen bedeutenden Einfluss auf die Patienten zu haben: Die Homöopathie steigt nach wie vor in der Beliebtheit der Bevölkerung. [15] Kein Wunder, denn ihre Heilerfolge lassen sich nicht wegdiskutieren!”

Ja, wie schön! Und was soll das Ganze dann? Es ist der Ruf nach wissenschaftlicher Reputation, danach, den hier schon oft zitierten “scheinwissenschaftlichen Anstrich” doch noch in eine anständig haftende Deckschicht zu verwandeln. Der menschliche, durchaus allzu menschliche Ruf nicht nur nach Erfolg, sondern auch nach Anerkennung. Wird aber nichts draus.

Wenn wir schon bei versöhnlichen Schlussworten sind, auch eines von mir, das Motto dieses Blogs:

„Es ist immer dasselbe: Wenn Paramediziner von ‚Wissenschaft‘ reden, meinen sie in Wahrheit ihren eigenen Aberglauben.“
Prof. Dr. med.  Dr. med.h.c.mult. Otto Prokop

Ach ja, einen Änderungsvorschlag hätte ich auch noch für die Wikipedia: Bitte ersetzt doch durchgängig den Begriff “Alternativmedizin” durch “Pseudomedizin”.


Nicht den Nachtrag übersehen!


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