Eine publizistische Grenzverletzung
Ein FAZ-Teaser zur AfD und Union suggeriert Distanz – und baut zugleich rhetorische Brücken. Warum die Rede von „gemeinsamen Themen“ im Kontext einer verfassungsfeindlichen Partei nicht harmlos, sondern gefährlich ist.
I. Der Teaser, der das Gegenteil sagt
„Wie groß ist die Kluft zwischen Union und AfD wirklich?“ fragt die FAZ in einem aktuellen Beitrag (FAZnet am 01.11.2025). Der Teaser beginnt mit einer scheinbaren Klarstellung: „Geht es um die großen Linien, scheinen die Positionen der beiden Parteien unvereinbar. Eine Koalition schließt die Union aus.“ Doch schon im nächsten Satz folgt die semantische Relativierung: „Doch bei gewissen Themen gibt es Gemeinsamkeiten mit der AfD.“
Was hier als nüchterne Beobachtung daherkommt, ist in Wahrheit eine publizistische Grenzverletzung. Denn sobald eine Partei – wie die AfD – vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist, verliert die Logik der „Themenüberschneidung“ ihre demokratische Unschuld. Es geht dann nicht mehr um politische Inhalte, sondern um die Integrität der Ordnung, innerhalb derer diese Inhalte verhandelt werden.
II. Die rhetorische Normalisierung
Die Formulierung „gemeinsame Themen“ suggeriert Anschlussfähigkeit. Sie stellt eine semantische Brücke her zwischen einer demokratischen Partei und einer Organisation, die systematisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiert. Das ist keine bloße journalistische Unachtsamkeit, sondern ein rhetorischer Akt mit Wirkung: Er verschiebt die Wahrnehmung dessen, was als legitim gilt.
Diese Art der Normalisierung ist gefährlich, weil sie die normative Trennlinie verwischt. Sie behandelt die AfD wie eine gewöhnliche politische Kraft – und ignoriert dabei die verfassungsrechtliche Dimension ihrer Einstufung. Wer in diesem Kontext von „gemeinsamen Themen“ spricht, relativiert den Schutzmechanismus des Grundgesetzes.
III. Die publizistische Verantwortung
Gerade Leitmedien wie die FAZ tragen Verantwortung für die semantische Klarheit im politischen Diskurs. Sie sind nicht nur Beobachter, sondern auch Verstärker öffentlicher Wahrnehmung. Wenn sie die AfD in einem Atemzug mit der Union nennen und dabei von „Gemeinsamkeiten“ sprechen, ohne die verfassungsrechtliche Brisanz zu benennen, leisten sie einer diskursiven Entgrenzung Vorschub.
Es geht nicht darum, bestimmte Themen zu tabuisieren – sondern darum, die Kontexte zu klären, in denen sie verhandelt werden. Eine verfassungsfeindliche Partei ist kein legitimer Gesprächspartner für „gemeinsame Themen“. Wer das anders darstellt, betreibt nicht Aufklärung, sondern Verharmlosung.
IV. Fazit: Klare Linien statt rhetorischer Nebel
Die Demokratie lebt vom Streit – aber sie braucht klare Linien. Die Unterscheidung zwischen legitimer politischer Vielfalt und verfassungswidriger Agitation ist keine Geschmacksfrage, sondern ein Schutzprinzip. Wer diese Linie rhetorisch verwischt, gefährdet die Urteilskraft der Öffentlichkeit.
Der FAZ-Teaser mag harmlos erscheinen. Doch in seiner Wirkung ist er ein Beispiel für jene diskursive Erosion, die ich in „Framing statt Fakten“ analysiert habe. Es ist Zeit, dem publizistische Haltung und semantische Präzision entgegenzusetzen.
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