Von der Lohnfixierung zur Teilhabe an Produktivitätsgewinnen

Die von Ministerin Bas gerade angestoßene aktuelle Debatte über Beitragsjahre statt Altersgrenzen als Grundlage des Rentenbezugs greift zu kurz. Sie mag auf den ersten Blick gerecht erscheinen – Frühstarter könnten früher in Rente gehen, Spätstarter müssten länger arbeiten –, doch sie blendet die eigentlichen Sollbruchstellen des Systems aus. Und vielleicht sollten wir uns sehr davor hüten, junge Menschen, die ein Studium beginnen wollen, mit so etwas zu demotivieren. Wer die Rente zukunftsfähig machen will, muss tiefer ansetzen.
Produktivitätsgewinne statt Lohnfixierung
Die Rente darf nicht länger allein am Arbeitseinkommen hängen. Sie muss an den Produktivitätsgewinnen der Gesellschaft beteiligt werden – dort, wo Kapital und Vermögende von Effizienzsteigerungen profitieren, während die Finanzierung der Rente auf stagnierenden Löhnen lastet. Nur so lässt sich die Schieflage zwischen Arbeit und Kapital überwinden.
Flankierende Reformen sind unverzichtbar
- Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze: Wer hohe Einkommen erzielt, muss auch oberhalb der bisherigen Grenze einzahlen. Gleichzeitig braucht es eine Abflachung des Beitragssatzes, um Belastungen fair zu verteilen.
- Abflachung sehr hoher Renten: Damit das System nicht zur Privilegienmaschine wird, müssen überproportionale Ansprüche gedeckelt werden.
- Einbeziehung von Selbständigen, Beamten und Abgeordneten: Sinnvoll, aber nur marginal stabilisierend und langfristig problematisch – kein Ersatz für strukturelle Reformen.
- Garantierte Mindestrente: Altersarmut lässt sich nicht durch kosmetische Korrekturen beseitigen. Nur eine auskömmliche Mindestrente oberhalb des sozialrechtlichen Existenzminimums kann die im jetzigen System angelegte systemische Armut im Alter wirksam verhindern.
Bilanz und Kassensturz
Immer wieder wird über den Anteil gesprochen, der aus Steuermitteln in die Rente fließt. Doch hier ist Transparenz nötig: Die über die Jahre beschlossenen „Geschenke“ zu Lasten der Rentenkassen – wie zuletzt die Mütterrente – müssen außerhalb des Beitragspools bilanziert werden. Nur so lässt sich klar erkennen, welche Leistungen beitragsadäquat sind und welche politisch gewollte Zusatzlasten darstellen. Derzeit wird die Subventionierung der beitragsgerechten Rentenleistungen systemisch zu hoch ausgewiesen – und verzerrt damit die Debatte.
Die eigentliche Aufgabe
Konjunkturelle Schwankungen haben die Rentenkassen immer beeinflusst – positiv wie negativ. Doch die eigentliche Krise liegt in der strukturellen Entkopplung: Gewinne steigen, Löhne stagnieren, Produktivitätsgewinne gehen jedes Jahr zu einem immer höheren Anteil auf die Kapitalseite und die Rente bleibt an die Löhne gebunden. Seit Schröders Agenda‑Politik mit dem größten Niedriglohnsektor Europas ist die Rentenkasse systemisch geschwächt. Millionen Menschen arbeiten, ohne jemals eine auskömmliche Rente erwarten zu können.Ein Umbau, der Produktivität, Kapital und Arbeit gleichermaßen einbezieht, ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit.
Fazit
Die Debatte über Beitragsjahre ist letztlich ein Nebenschauplatz. Wer die Rente wirklich stabilisieren will, muss sie von der Lohnfixierung lösen, die Beitragsbemessungsgrenze aufheben, überproportionale Renten abflachen und eine Mindestrente garantieren. Nur flankiert von solchen systemischen Reformen kann die Rente wieder das leisten, was sie verspricht: Sicherheit im Alter für alle.
Ich befasse mich seit vielen Jahren mit den Strukturen der Sozialsysteme, auch im beruflichen Umfeld und in dem meiner Lehrtätigkeit. Dies ist nur eine rudimentäre Skizze eines Reformansatzes – aber eine, die notwendige Aspekte sichtbar macht. Länder wie Österreich und die Schweiz haben Teile davon längst verwirklicht. Es zeigt sich: Wer die Rente zukunftsfähig machen will, muss über Nebenschauplätze hinausgehen und das System grundlegend neu ausrichten.
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