
Wieder einmal meldet die Deutsche Bahn einen großen Einschnitt im Topmanagement. Wieder einmal wird ein „Neuanfang“ angekündigt.
Und wieder einmal wirkt das alles erstaunlich vertraut.
Seit dem Abgang von Richard Lutz hat die Bahn eine Phase der permanenten Selbstreform durchlaufen, die vor allem eines zeigt: Es fehlt nicht an Veränderungsbereitschaft der Führung – sondern an einer strukturellen Idee, was die Bahn eigentlich sein soll.
Dass Evelyn Palla nun Dutzende Spitzenposten streicht, mag öffentlich den Eindruck entschlossener Modernisierung vermitteln. Es mag für sich genommen auch durchaus nicht falsch sein. Intern erzeugt es vor allem Verunsicherung und den gefährlichen Verlust von Wissensträgern. Und vor allem: Es trifft nicht die Ursachen der Probleme.
Denn die entscheidenden Fragen bleiben ungestellt:
- Warum muss ein Netzbetreiber Gewinne erwirtschaften?
- Warum existieren zwischen DB Netz, DB Station&Service, Fernverkehr und Regio widersprüchliche Anreizsysteme?
- Warum wird das Unternehmen wie ein politischer Spielball behandelt, während gleichzeitig unternehmerisches Handeln eingefordert wird?
- Warum wird Infrastructure Governance im Jahrestakt umgestaltet, statt strategisch neu gedacht?
Solange diese Widersprüche fortbestehen, bleibt jeder Personalumbau kosmetisch.
Die Bahn ist ein Hybridwesen, das weder ein klassisches Unternehmen noch eine reine staatliche Infrastruktur ist – und sich zuweilen fühlt wie beides gleichzeitig und keins davon richtig.
Genau darin liegt das Problem: Nicht falsche Personen, sondern falsche Strukturen.
Dass auch jetzt wieder alles auf Managementebene gelöst werden soll, zeigt ein wiederkehrendes Muster deutscher Verkehrspolitik:
Wenn man ein System nicht reformieren kann oder will, reformiert man die Personen.
Diese Form der Symbolpolitik ist nicht neu. Sie hat die Bahn in den vergangenen 20 Jahren eher geschwächt als gestärkt. Und sie schafft jedes Mal die Illusion, es habe eine tiefgehende Reform gegeben — obwohl sich am Kern des Systems nichts geändert hat.
Dabei wäre die Lösung so klar wie anspruchsvoll:
- Die Trennung von Infrastruktur und Betrieb muss endlich konsistent durchdacht werden.
- Der Netzbetreiber gehört aus der Logik betriebswirtschaftlicher Gewinnziele herausgelöst.
- Die Governance-Strukturen müssen entpolitisiert werden – nicht im Sinne mangelnder Kontrolle, sondern im Sinne langfristiger Stabilität.
- Planungsprozesse brauchen eine Modernisierung, die über kosmetische Maßnahmen hinausgeht.
- Und: Die Verkehrswende verlangt eine Verlässlichkeit, die nur durch Systementscheidungen entsteht, nicht durch Führungswechsel.
Solange diese Schritte ausbleiben, wird auch der Kahlschlag im Topmanagement von Evelyn Palla das immer Gleiche bewirken:
Bewegung ohne Richtung. Veränderung ohne Konsequenz.
Und eine Bahn, die sich selbst reformiert, ohne wirklich reformiert zu werden.
Schreibe einen Kommentar