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Kategorie: Apotheken

Apothekenpflicht für Homöopathika – ein kleiner Debattenbeitrag

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Die Erde ist keine Scheibe“
und wird hier in leicht überarbeiteter Form wiederveröffentlicht.

Die Diskussion schlägt hohe Wellen, die Gemüter entzünden sich an der Initiative der Verbraucherschutzpolitikerin Mechthild Heil (CDU), Homöopathika aus der Apothekenpflicht herauszunehmen. An Frau Heil erst einmal einen großen Dank für den Mut, endlich einmal an einem Zacken der Krone der Pseudomedizin zu rütteln! Auf Twitter hat das Echo der kritischen Gemeinde dazu gar den Hashtag #Globokalypse hervorgebracht.

Wen wundert es, wenn Apothekenlobbyisten und Pharmaindustrie zusammen mit den Pharmaverbänden unisono dagegen tönen (mit gelegentlichen Backgroundsounds aus der Politik)? Ich brauche sicher nicht besonders zu erwähnen, was der Hintergrund dessen ist. Es sei nur beiläufig und ganz ohne Zusammenhang erwähnt, dass mit homöopathischen Mitteln der Apothekensektor im Jahr 2016 über 600 Mio. Euro umgesetzt wurden, davon auf der Grundlage von Verordnungen nur wenig mehr als 100 Mio. Euro.  Immerhin wird schlaglichtartig deutlich, wie lächerlich, ja grotesk es ist, den Kritikern der Homöopathie zu unterstellen, sie würden von der Pharmaindustrie bezahlt

Wo bleibt übrigens die Stimme der klassischen Homöopathen und ihres Verbandes, die an der reinen Hahnemannschen Lehre immerhin festhalten und von daher strikt gegen jede Selbstbehandlung mit Homöopathika und damit auch gegen den 500-Millionen-Euro-Umsatz „over the counter“ sein müssten? Aber das nur nebenbei.

Für den Autor dieser Zeilen ist natürlich völlig klar, dass Zucker nichts im Apothekenregal zu suchen hat. Wenn auf irgendwas das Bonmot von den „Apothekenpreisen“ zutrifft, dann auf den Verkauf von Homöopathika in den Offizin. Auf jeden Fall wäre eine Auszeichnungspflicht in deutscher Sprache und die Aufhebung des Apothekenvorbehaltes es ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich dahin, der Homöopathie ihre gesetzlichen Privilegien zu nehmen, zu denen neben der Einstufung als besondere Therapierichtung, der Befreiung vom Wirksamkeitsnachweis und der Möglichkeit der Kassenerstattung auch die Apothekenpflicht gehört.


Versuchen wir, ein wenig Ordnung in die etwas konfus gewordene Debatte zu bringen.

Gute, sehr gute Gründe sprechen dafür, die homöopathischen Mittel nicht mehr der Apothekenpflicht zu unterwerfen. Zu allererst der, dass der Homöopathie damit ein staatlicherseits völlig unverdient gewährter Vertrauensbonus gewährt wird. Was ist denn die erste Reaktion des Verbrauchers, wenn er Homöopathika in Betracht zieht? Dafür muss ich in die Apotheke – also muss das doch in Ordnung sein. Komme mir keiner mit dem mündigen Patienten. Denn der mündige Patient hätte schon längst die Homöopathie als spezifisch komplett unwirksame und unsinnige Scheintherapie ad acta gelegt.

Ein formaler Grund für die Apothekenpflicht liegt in den lateinischen Bezeichnungen der Mittel. Letztlich leitet man daraus ab, dass nur der Apotheker hierzu kompetent „beraten“ kann. Aber auch die hochtrabenden lateinischen Bezeichnungen für die Mittel (ich erspare uns hier Beispiele der grotesken Art) sind nichts anderes als eine Tarnkappe, eine respektheischende Mimikry, die den Konsumenten beeindrucken soll. Im Grunde achtzehntes Jahrhundert (passt ja).

Womit wir zwanglos schon bei den Argumenten der Befürworter einer weiteren Apothekenpflicht angekommen sind. Die sind -Entschuldigung- im Grunde so dünn wie eine C 200-Potenz.


Am lautesten erschallt der Ruf nach der unumgänglichen, unbedingt erforderlichen Beratung in der Apotheke. Nun weiß ich da nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Genauso könnte die Apotheke über heiße Luft beraten. Aber: Es ist hinreichend bekannt, und der Autor dieser Zeilen hat reichlich entsprechende Erfahrungen gemacht, dass die Apotheke nicht nur zu Homöopathika berät, sondern rät. Oft genug wird dem Kunden statt eines ordentlichen Arzneimittels „over the counter“ ungefragt ein Homöopathikum auf die Theke gestellt. Es soll sogar Fälle gegeben haben (die ein Skandal ersten Ranges wären, aber mir wurde so etwas auch schon berichtet), dass beim Vorweisen eines Rezeptes in der Apotheke versucht wurde, dem Kunden stattdessen ein homöopathisches Mittel aufzuschwatzen.

Nun muss man einen Unterschied machen zwischen Apotheken mit derartigen Fehlleistungen und denen, die sich zur Homöopathie zurückhalten und kein offensives OTC-Marketing betreiben. In Anbetracht der Auswirkungen auf den Umsatz ist eine solche Zurückhaltung allerdings ein Konkurrenzproblem, das ist ganz klar. Auch das bedarf im Grunde einer Lösung.

Geradezu erheiternd finde ich den Einwand, für manche Ursubstanzen gebe es aber gar keine deutschen Bezeichnungen. Bei bestimmten Pflanzen beispielsweise, aber auch bei Bakterien (!). Was für ein durchschlagendes Argument! Dann schreibt man eben „Pflanzenauszug C200 aus xx, Wirkung unbekannt“ oder „Bakterium yy C200, löst Krankheit zz im unverdünnten Zustand aus“. Finde ich gut.

Diesen Abschnitt können wir schon mal mit der Zwischenfrage schließen, wozu eine Apotheke bei unwirksamen Arzneimitteln denn wohl beraten soll?


Fragen wir uns umgekehrt einmal, was denn die Verbannung der Mittel aus den Apotheken in der Praxis bedeuten würde. Vermutlich würde diese nicht ernsthaft den Süßigkeitenabteilungen der Supermärkte, sondern den Drogerien und Drogerieketten einen ordentlichen Umsatzzuwachs bescheren. Die würden sich ohne Zweifel sofort als seriöse und fachlich aufgestellte Anbieter etablieren und alle Möglichkeiten der Werbung nutzen, die den Apotheken verwehrt waren. Wenn mich jemand fragt – auch nicht gerade eine besonders erquickliche Vorstellung. Aber zweifellos würde die Debatte doch nennenswert viele Menschen dazu bringen, ihre bisherige Einstellung zur Homöopathie zu hinterfragen, sicher ein großer Wert an sich, der die Inkaufnahme der einen oder anderen Unzulänglichkeit auf jeden Fall rechtfertigen würde. Aber vielleicht geht es noch besser…

Vorlaut, wie der Autor nun einmal so ist, hat er einen -völlig ernst gemeinten- alternativen Vorschlag parat. Der würde alle beabsichtigten Effekte ebenfalls erfüllen, sogar darüber hinaus gehen, und den einen oder anderen Nachteil vermeiden. Vor allem der Verbraucherschutzeffekt, um den es hier ja geht (der Verkauf unwirksamer Mittel ist mindestens genauso ein Verbraucherschutzproblem wie ein medizinisches) würde noch viel gravierender greifen.

Warum folgt man nicht der konsequenten Richtung, die die Russische Akademie der Wissenschaften in ihrem Memorandum „Homöopathie ist Pseudowissenschaft“ für den Umgang der Apotheken mit den Homöopathika vorgeschlagen hat (und die vom Gesundheitsministerium dort wohl auch umgesetzt werden wird)? Dabei handelt es sich um einige schlichte Punkte:

  • Geprüfte pharmazeutische Arzneimittel und Homöopathika dürfen nicht als gleichberechtigt dargestellt, beworben und vertrieben werden (das bedingt eine klare Auszeichnungspflicht im Sinne der amerikanischen Verbraucherschutzbehörde FTC).
  • Homöopathika dürfen nur in separaten Schränken / Behältnissen in der Apotheke aufbewahrt werden und nicht vom Kundenbereich aus frei sichtbar ausgestellt werden.
  • Eine aktive Beratung zu Homöopathika ist den Apotheken untersagt.
  • Verlangt der Kunde nach Homöopathika, dürfen sie nur unter dem ausdrücklichen Hinweis darauf abgegeben werden, dass es keinen wissenschaftlichen Wirkungsnachweis für das Mittel gibt.

Ihren Verbraucherschutzauftrag der Beratung in gesundheitlichen Fragen könnten Apotheken auf diese Art und Weise effektiv wahrnehmen, die Verbraucherinformation wäre besser und nachhaltiger als bei einem Verkauf von Homöopathika durch Drogerieketten (und Süßwarengeschäfte) und die gegenseitige Konkurrenzsituation der Apotheken würde bliebe unbeeinflusst – ein Marketing pro Homöopathie wäre dann niemand mehr möglich.

Nur so als Idee. Ganz nebenbei müsste das doch den gerade so aktiven Befürwortern der Apothekenpflicht stark entgegenkommen, da sollte dann doch breiter Konsens zu erzielen sein…

Und wäre das nicht sogar eine Chance, die -etwas unausgegorenen- Gedanken der gesundheitspolitischen Sprecherin der LINKEN aufzunehmen, die eine „Esoterikblase außerhalb der Apotheken“ durch eine Beibehaltung der Apothekenpflicht „verhindern“ will? Denn mit diesem Vorschlag würde sogar die Esoterikblase innerhalb der Apotheken verhindert…

Ceterum censeo: Homöopathie als spezifische Arzneimitteltherapie hat keinerlei Wirksamkeit.


Bildnachweis: gemeinfrei


Aus den Kommentaren

23. Mai 2019

  1. S. SAMIERDE 5. August 2017 10:07AntwortenEndlich dreht sich der Wind.
    Sie können sich sicher nicht vorstellen, wie froh ich als Apothekerin bin, wenn dieser Pseudowissenschaft nun endlich die Maske heruntergerissen wird.
    Es ist für mich unerträglich, diesen Dreck zu verkaufen. Bei uns lagert eine kleine Auswahl versteckt in einer Schublade und keiner empfiehlt aktiv. Wer mich nach meiner Meinung fragt, dem rate ich ab.
    Leider haben wir sowohl eine Ärztin, als auch eine Heilpraktikerin im Hause, die häufig diesen Mist verordnen. Da heißt es dann, gute Miene zu bösem Spiel machen. Denn wir dürfen nicht in die Therapiehoheit eingreifen.
    Als besonders intensive Anhänger der Kügelchen habe ich übrigens die Hebammen ausgemacht. Alle jungen Eltern kaufen Globuli schon während der Schwangerschaft und auch später fürs Kind. Da sollte man auch mal ansetzen und schon in der Ausbildung aufklären. Klar schadet bisschen Hokuspokus (und Wirkung über die Zuwendung) nicht.
    Aber mein Erleben ist, dass gerade die jungen, intelligenten, gut ausgebildeten Eltern sich dann mit Verve in die Homöopathie stürzen, so dass die Sache dann besiegelt ist.
    Meine Erfahrung!
  2. RGL 5. August 2017 11:04
    Die Federal Trade Commission der USA (nicht die FDA!) schreibt vor:„“There is no scientific evidence that the product works.”
    “The product’s claims are based only on theories of homeopathy from the 1700s that are not accepted by most modern medical experts.”“
    • UDO ENDRUSCHEIT 5. August 2017 11:09 
      Dazu darf ich noch ergänzen, dass die ursprünglichen Vorstellungen noch weiter gingen. Der Vorschlag der FDA (Food and Drug Administration) an die FDC war, dass als „Inhalt“ Milchzucker (oder was auch immer als Globulimasse verwendet wird) deklariert werden sollte, die homöopathischen „Substanzen“ sollten nur unter der Überschrift „Bei der Herstellung verwendet:“ erscheinen. So weit ist die FDC dann nicht gegangen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
  3. ECHITNA 5. August 2017 12:34
    Lustig finde ich ja die Sache mit den deutschen Bezeichnungen. Wenn man mal die „Zutaten Liste“ von ganz normalen Shampoos z.B. an guckt. „Aqua“ kenn ich ja noch aber den Rest? Warum geht das bei shampoo und co. Aber nicht bei Homöopathika?
    • UDO ENDRUSCHEIT 5. August 2017 13:55 
      Das ist relativ einfach zu beantworten: Shampoos werden nicht als Heilmittel verkauft und beinhalten wohl kaum das Gefahrenpotenzial, dass ihretwegen z.B. eine Lungenentzündung nicht oder zu spät behandelt wird. Des weiteren können sie sich mit Shampoos durchaus die Haare waschen, sie erfüllen also in aller Regel das, wofür sie angepriesen und verkauft werden. Das ist bei Homöopathika nicht so. Sie sind als Arzneimittel unwirksam. Ich denke, das macht schon einen erheblichen Unterschied… Außerdem sollten Sie auch in Rechnung stellen, dass Produkte wie die von Ihnen genannten Shampoos auch einiges an vorgeschriebenen Verträglichkeitstests über sich ergehen lassen müssen, bevor sie auf den Markt kommen. Da sorgt schon der EU-Verordnungsgeber für. Die Homöopathika brauchen keinerlei Wirkungsnachweis zu erbringen, eine Qualitätskontrolle durchlaufen sie insofern, als dass bei ihnen qualitativ gesichert wird, dass es sich um ordentlichen Zucker ohne giftige Zusätze (resp. zu viel „Wirkstoff“) handelt und die Globuli auch schön gleichmäßig rund sind.
      Ein wenig bissig, aber Sie werden es mir verzeihen: Wenn in einem Shampoo nur Aqua drin und es damit fürs Haarewaschen einigermaßen ungeeignet wäre, würde ich mir auch Aufklärung in der Drogerie darüber wünschen.
      Danke für Ihren Kommentar!
  4. LISA 5. August 2017 13:16
    Ihr seit noch nicht reif für die Homöopathie. Die erfordert nämlich bewusstheit und Eigeninitiative. Man ist nicht nur kranker Tablettenschluckender Mensch sondern setzt sich mit entsprechenden Problemen die zu dieser Erkrankung geführt haben auseinander. Ich habe in 20 Jahren Selbstverständnis die Krankenkasse verschont weil ich mir selbst zu helfen wusste. Das lasse ich mir auch nicht nehmen.
    Ich bin es leid dass immer irgendwelche klugdaherredenden Leute mir vorschreiben wollen welchen Heilungsprozess ich gehen soll. Daß entscheide immer noch Ich selbst.
    • UDO ENDRUSCHEIT 5. August 2017 13:46 
      Danke auch für diese kritische Zuschrift. Mir ist aber wichtig, Sie auf einen ganz grundlegenden Irrtum hinzuweisen, dem Sie erliegen: Niemand, absolut niemand will ihnen vorschreiben, Homöopathie zu nutzen oder nicht. An keiner Stelle haben die Kritiker der Methode jemals ein „Verbot“ gefordert. Das Anliegen der Kritiker ist Aufklärung, denn sie wissen sehr gut, welche Verwüstungen 200 Jahre Homöopathiepropaganda auf dem Feld des klaren und kritischen Denkens hinterlassen haben. Nur vor diesem Hintergrund ist auch der obenstehende Artikel zu verstehen.

      Es wäre vielleicht schon sehr viel für die Versachlichung der Debatte gewonnen, wenn die Befürworter der Homöopathie nicht immer fälschlich davon ausgehen würden, die kritische Fraktion wolle etwas „vorschreiben“ oder „verbieten“. Es geht einfach darum, dass unwirksame Methoden keinen Platz im öffentlichen Gesundheitswesen haben dürfen – oder eben in dem von mir beschriebenen Sinne. Die Homöopathie-Hersteller und die homöopathischen Therapeuten sind es, die Ihnen etwas „vorschreiben“ – und sei es durch ihre Werbung.

      Und noch ein immer wiederkehrendes Fehlurteil, das mir in Ihrem Kommentar auffällt: Wieso kommen Sie darauf, dass die Alternative zur Homöopathie ein „Mehr an Tabletten“ sein soll/muss? Das ist völliger Unsinn. Allein schon deshalb, weil alles, was mit Homöopathie „geheilt“ wird, auch von alleine wieder verschwunden wäre. Aber um auf den Kern der Sache zurückzukommen: Niemand aus der kritischen Szene will Homöopathika durch pharmazeutische Mittel „ersetzen“. Die Kritik an der Homöopathie ist ein Teil dessen, dass sich die Skeptiker für eine insgesamt „bessere Medizin“ einsetzen, die keineswegs ein Mehr an Medikation beinhalten soll – im Gegenteil.

      Trotzdem -oder deshalb- möchte ich bei Ihnen dafür werben, sich einmal näher mit den Kritikpunkten an der Homöopathie auseinanderzusetzen. Da sie ja dieses Blog lesen, gehe ich davon aus, dass sie dafür durchaus offen sind. Wenn Sie sich einen fundierten Überblick über die wichtigsten Kritikpunkte verschaffen wollen, ohne allzuviel Lesezeit aufwenden zu müssen empfehle ich Ihnen: https://www.netzwerk-homoeopathie.eu/faq


Die Selbstentlarvungen des Monats! Heute: Homöopathie

Gute Besserung – ohne Pseudomedizin!
Bild von Myriams-Fotos auf Pixabay

Liebe Leser, fast jeder kennt Meditonsin. Das am meisten verbreitete Scheinmedikament gegen Erkältung. Sogar für Säuglinge empfohlen, da eh ohne Wirkung und ohne Nebenwirkung. Zur Beruhigung quengelnder Erkältungskinder durchaus geeignet, da eine häufig wiederholte Gabe völlig problemlos möglich ist, sieht man einmal von der Wirkung der 6 % Volumenalkohol ab. Nur nebenher – die Ursubstanzen von Meditonsin sind Quecksilbercyanat, blauer Eisenhut und Tollkirsche. Unverdünnt genommen, bräuchte sich niemand mehr Sorgen um seine Erkältung zu machen.


Wohl im Zusammenhang mit der Markteinführung der Meditonsin-Globuli (bisher gab es nur Tropflösung) läuft eine Marketing-Offensive des Herstellers. Da kann man dann in regionalen Qualitätsblättern beispielsweise folgendes lesen (als redaktionellen Beitrag, nicht als Anzeige):

” … Um die Wirksamkeit eines der bekanntesten Homöopathika gegen Erkältungskrankheiten (Meditonsin, rezeptfrei in Apotheken) zu bestätigen, untersuchten Mediziner des Forschungsinstituts HOT Screen aus Reutlingen unter Einsatz modernster Zellkultur-Technik dessen Wirkung auf das menschliche Immunsystem. Die Ergebnisse waren eindeutig. Schon geringste Konzentrationen des enthaltenen homöopathischen Trikomplexes (darunter verstehen Experten drei sich ergänzende… homöopathisch aufbereitete Naturstoffe) reichten aus, um eine ausgeprägte Aktivierung bestimmter für die Immunabwehr wichtiger Botenstoffe zu bewirken. Der Körper hilft sich auf diese Weise selbst, eingedrungene Erkältungsviren schneller und effektiver anzugreifen und auszuschalten. Der untersuchte Trikomplex ist das bei weitem am häufigsten verwendete homöopathische Erkältungsmittel in Deutschland und steht seit Kurzem auch in Form homöopathischer Erkältungs-Globuli (Streukügelchen) zur Verfügung …”.

Hä? Komplexmittel? Viren ausschalten? Wirkung auf das Immunsystem? Sollten wir den Durchbruch der Homöopathie zur hochwirksamen Medizin erleben dürfen?

Gemach.


Auf die Bitte an das genannte Forschungsinstitut, eine Kopie der Studie zur Verfügung zu stellen bzw. eine Fundstelle dafür anzugeben, teilt die Firma -ein durchaus seriöses Haus, das sei ausdrücklich angemerkt- mit, es habe sich um eine Auftragsstudie gehandelt, die wegen der Rechte des Auftraggebers daran nicht an Dritte weitergegeben werden könne. Man habe weder Einfluss auf noch Kenntnis darüber, ob und in welcher Form der Auftraggeber die Studie für seine Zwecke nutze. Nun gut, da kann man nichts machen. Außer Zweifel hegen, natürlich. Die keineswegs geringer werden durch diese Auskunft.

Nun findet sich allerdings in der Pharmazeutischen Zeitung online, immerhin einem Fachblatt, ein “Originalbeitrag” unter dem Titel ” Anwendungsbeobachtung: Meditonsin bei Erkältung und grippalem Infekt”.

Auch dieser Artikel preist das Remedium mit Superlativen, die den Eindruck erwecken, über dieses Erkältungsmittel sei nun endlich, endlich der wissenschaftliche Durchbruch für die Homöopathie erreicht… So taucht auch hier wieder die Aussage auf, dass …

“ … aktuelle Daten dafür sprechen, dass dieser homöopathische Tri-Komplex gegen die typischen Erkältungssymptome wirkt und durch das ganzheitliche homöopathische Wirkprinzip die körpereigenen Abwehr- und Selbstheilungskräfte unterstützt.”

Aber damit gibt sich die Arbeit hier nicht zufrieden. Sie will mit den Ergebnissen einer “Anwendungsbeobachtung” diese bemerkenswerten, aber leider nicht nachvollziehbaren Angaben stützen.

Und genau dabei gerät sie aufs Glatteis, der Jahreszeit angemessen.

Was hat man sich nun hier unter einer Anwendungsstudie vorzustellen? Lassen wir sie selbst sprechen:

“Bundesweit wurden insgesamt 1173 Patienten in 188 Apotheken rekrutiert. Davon konnten die Fragebögen von 1115 Patienten ausgewertet werden. Knapp 70 Prozent dieser Patienten waren Frauen, circa 30 Prozent Männer. Das durchschnittliche Alter ± Standardabweichung (SD) betrug 40,2 ± 16,6 Jahre. Der jüngste Studienteilnehmer war ein Jahr alt, der älteste 88 Jahre. Für die meisten Patienten waren die »gute Wirkung« (81,3 Prozent) und die »gute Verträglichkeit« (74,4 Prozent) wichtige Gründe, warum sie sich für die Anwendung des Komplexhomöopathikums entschieden hatten. Insgesamt 723 der 1115 Patienten (64,8 Prozent) gaben an, Meditonsin bereits in der Vergangenheit eingenommen zu haben.”

Aha. Die “Studie” bestand also darin, in Apotheken Fragebögen an Schnupfenpatienten zu verteilen und wieder einzusammeln. Und zwar solche, die ganz offensichtlich bereits zugunsten des Mittels Meditonsin prädisponiert waren (immerhin hatten sie sich aus “wichtigen Gründen” selbst für Meditonsin “entschieden”). Zudem unstrukturiert, weder nach Alter, Geschlecht und insbesondere nicht nach (diagnostiziertem) Krankheitszustand vergleichbar. Zudem auf der Basis einer Selbsteinschätzung, also ohne jeden objektivierenden Aspekt. Und wo sind die Leute von der Vergleichsgruppe, die bei gleicher Symptomatik kein Meditonsin nahmen, mit ihren Fragebögen? …

Was da wohl herauskommen mag, fragt man sich. Aber eigentlich liegt es auf der Hand:

“Die apothekenbasierte Beobachtungsstudie bestätigt die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Meditonsin im Alltag, was sich in einer hohen Patientenzufriedenheit widerspiegelt. Alle Erkältungsbeschwerden zeigten eine deutliche Besserung im Verlauf der Erkrankung. Dabei verbesserten sich die Leitsymptome im Schnitt bereits ab dem zweiten Tag nach Beginn der Behandlung. Das Prüfpräparat wurde durchschnittlich über einen Zeitraum von 6,4 Tagen eingenommen. Die Einnahme wurde meist deshalb beendet, weil die Symptome »ausreichend gebessert« waren oder weil sich die Patienten wieder »gesund« fühlten. Die Studienmedikation war sehr gut verträglich. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.”

Lässt man mal den ganzen Detailkram drumherum weg und berücksichtigt man, dass der Einnahmebeginn nach Angaben der “Studie” zwischen einem und drei Tagen nach Symptombeginn lag, ist das Ergebnis so was von eindeutig. Aber so was von:

Ohne Behandlung dauert die Erkältung eine Woche. Mit Behandlung etwa sieben Tage.

Unglaublich, echt. Da soll mal einer was gegen die Wissenschaft sagen… Die “Original-Veröffentlichung” in der Pharmazeutischen Zeitung stammt übrigens vom Hersteller selbst.

Nun mal ganz ernsthaft: Ein eigentlich unglaubliches Beispiel, wie dem Publikum heiße Luft als Werbung für heiße Luft um die Ohren geblasen wird.


Nachtrag:

Nach entsprechender Kommentierung im eingangs erwähnten Regionalblatt führte der Versuch, den Artikel und die (erfreulicherweise ganz überwiegend kritischen) Kommentare erneut aufzurufen, zu folgendem Ergebnis:


Und wer gern noch erfahren möchte, welche Kreise dieser kleine Beitrag letztlich noch gezogen hat, der findet die ganze Geschichte bei „Susannchen braucht keine Globuli„, der Familienseite des Informationsnetzwerks Homöopathie!


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