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Über die hohen Kosten für den Sozialstaat wird geklagt, doch statt harter Sparmaßnahmen werden weitere Wohltaten wie die Ausdehnung der Mütterrente beschlossen oder neue Etiketten verteilt, wie im Fall des Bürgergeldes, das nun Grundsicherung genannt wird, aber seine verführerische Süße nicht verliert. Raider heißt jetzt Twix.

Im jüngsten FAZ-Meinungsnewsletter (08.11.2025) vergleicht Eckart Lohse die Umbenennung des Bürgergeldes in „Grundsicherung“ mit dem Marketingwechsel eines Schokoriegels: „Raider heißt jetzt Twix“. Das klingt pointiert, ist aber in Wahrheit eine rhetorische Entwertung politischer Verantwortung. Denn Lohse suggeriert, das neue Etikett sei bloß kosmetisch – und die Leistung dahinter eine „verführerische Süße“, die den Sozialstaat überfordert.

Was dabei ausgeblendet wird: Die Umbenennung ist mehr als ein Etikettenwechsel. Sie ist ein Versuch, die Funktion der Leistung präziser zu benennen – nämlich die Sicherung des Existenzminimums. Und die „Süße“, von der Lohse spricht, besteht in der Realität aus neuen Zumutungen: etwa der Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs, der dazu führen kann, dass begonnene Ausbildungen abgebrochen werden, weil die Agentur auf sofortige Vermittlung in nicht nachhaltige Jobs drängt. Oder aus den verfassungsrechtlich fragwürdigen Verschärfungen im Sanktionsbereich, die das Existenzminimum erneut zur Disposition stellen.

Die Metapher vom Schokoriegel ist nicht nur zynisch, sie ist demokratietheoretisch bedenklich. Sie verwandelt Bedürftigkeit in Konsumismus, Sozialpolitik in Lockmittel, und die öffentliche Debatte in ein semantisches Schattenboxen. Wer so spricht, betreibt keine Analyse, sondern betreibt Entwertung durch Ironie – und trägt dazu bei, dass die Legitimität sozialstaatlicher Maßnahmen untergraben wird.

Sozialpolitik ist kein Süßwarenregal. Und Grundsicherung ist kein Werbegag. Wer das nicht erkennt, verkennt nicht nur die Realität der Bedürftigen, sondern auch die Verantwortung des Gesetzgebers – und der Leitmedien. Denn wer mit süffisanten Metaphern und konsumistischen Bildern operiert, trägt zur Entkernung politischer Begriffe bei. Er ersetzt Analyse durch Attitüde, Urteilskraft durch Ironie. Gerade in Zeiten wachsender sozialer Spannungen braucht es publizistische Haltung – nicht semantische Herablassung.


Der Kontext, in dem Kommentator Lohse diese Erkenntnisse ausbreitet, verdient einen Nachsatz., Es geht ihm nämlich darum, dass Kanzler Merz passabel in Sachen Außenpolitik rüberkommt, aber ansonsten sich nichts „auf den Alltag der Wähler auswirkt“, was so an Politik stattfindet. Da findet er es zur Abhilfe und zum Alltag des Wählers positiv beitragend, die Sozialpolitik als Süßwarenangebot zu verhöhnen und implizit auch da mal zum richtigen Durchgreifen aufzurufen.

Nicht mein Kanzler, nicht mein Kommentator.