
Es gibt Politiker, die man nüchtern betrachtet, ohne sich von medialer Inszenierung oder regionaler Folklore beeindrucken zu lassen. Markus Söder gehört für mich zu dieser Kategorie – und zwar nicht, weil ich ihn unterschätze, sondern weil ich ihn nicht als seriösen politischen Fixpunkt wahrnehme.
Seine Bratwurstexzesse, seine Lederhosenauftritte, das „mia san mia“-Pathos – all das ist mir herzlich egal. Mit Franz-.Josef Strauß selig, an den ich mich gut erinnere, kann er ohnehin weder von der Intensität noch von der Glaubwürdigkeit des Krachledernen her mithalten. Ich kann darüber schmunzeln, ohne mich provozieren zu lassen. Was mich interessiert, ist: Wo macht dieser Mann eigentlich Politik?
Denn wenn man genau hinschaut, bleibt wenig Substanz übrig:
- Positionswechsel im Wochentakt
- Symbolische Akte statt strategischer Führung
- Dauerinszenierung von Bodenständigkeit, die zur politischen Schutzblase wird
Söder zielt darauf ab, sich in Bayern eine heimische Echokammer zu schaffen, in der er schwer angreifbar ist – auch aus den eigenen politischen Reihen. Und das gelingt ihm erstaunlich gut – nicht zuletzt, weil viele seiner Kritiker sich von der Inszenierung ablenken lassen.
Denn selbst in der CSU gibt es Stimmen, die den Kopf schütteln. Denn Politik braucht mehr als Schlagzeilen. Sie braucht Haltung, Richtung, und den Mut, auch mal gegen den Wind zu stehen. Söder hingegen scheint den Wind zu studieren, um das Fähnchen rechtzeitig zu drehen. Im Netz finden sich inzwischen ganze Listen, die seine extreme politische Wendefähigkeit in zentralen Fragen dokumentieren, z.B. beim Atomausstieg oder bei der e-Auto-Förderung.
Söders Rolle in der Union: Symbolisch stark, strategisch begrenzt
Markus Söder ist zweifellos eine medial dominante Figur, vor allem in Bayern. Seine Popularität dort (aktuell rund 42 % laut BayernTrend) verleiht ihm Gewicht in der Bundesunion — aber nicht unbedingt strategische Tiefe. In der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU ist Söder nicht der Taktgeber, sondern überlässt die operative Führung weitgehend anderen, etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann.
Die CSU hat zwar Sonderrechte in der Fraktion:
- Eigene Pressestelle und Mitarbeiterstab
- Anspruch auf den ersten stellvertretenden Fraktionsvorsitz
- Fixe Repräsentanz in Gremien
Aber: Diese Privilegien werden zunehmend hinterfragt — besonders von CDU-Abgeordneten aus NRW und Schleswig-Holstein
Söder und Merz: Zweckgemeinschaft mit Spannungen
Die Beziehung zwischen Friedrich Merz und Markus Söder ist eine strategische Allianz, keine Herzensangelegenheit. Zwar hat Söder Merz offiziell als Kanzlerkandidaten unterstützt („nicht zähneknirschend, sondern mit voller Rückendeckung“), doch die Vorgeschichte ist geprägt von Misstrauen und Konkurrenz:
- Söder hatte 2021 gegen Laschet gestichelt und damit den Wahlkampf der Union beschädigt
- Er ließ lange offen, ob er selbst Kanzlerkandidat werden will — und brachte sich mehrfach subtil ins Spiel
- Merz wiederum hat Söders Vorschläge (z. B. zur E-Auto-Prämie) öffentlich abgewatscht: „Keine gute Lösung“
Hinter den Kulissen scheint es eine Mischung aus gegenseitiger Skepsis und pragmatischer Kooperation zu geben. Merz braucht Söders CSU-Stimmen, Söder braucht die bundespolitische Bühne — aber Vertrauen sieht anders aus.
Söders jüngstes Interview in der FAZ, in dem er den Grünen pauschal „Aggressivität“ unterstellt, ist ein weiteres Beispiel für diese Rhetorik: Ablenkung durch Abwertung. Keine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern Stimmungsmache.
Ich bin nicht empört. Ich bin ernüchtert. Und ich frage mich:
Wie lange kann man mit Stilfragen Politik simulieren, bevor die Substanz endgültig verloren geht?
Schreibe einen Kommentar