Um der Gerechtigkeit Raum zu geben: Es gibt durchaus Initiativen, die sich parlamentarisch bemühen, eine „Reform“ der sozialen Sicherungssysteme aufzusetzen. Ein aktuelles Beispiel ist die Bundestagsdrucksache 21/344, allerdings aus den Reihen der Opposition. Am 28.09.2924 beginnt die erste Anhörung. Der Antrag zeigt guten Willen, aber auch strukturelle Schwächen. Ich habe mir den Text angesehen – und kommentiere kurz, was fehlt, was nicht geht und was endlich kommen müsste.

Warum die GKV-Drucksache 21/344 nicht reicht
Die Bundestagsdrucksache 21/344 zeigt: Die Antragsteller haben zumindest eine Ahnung davon, was geschehen müsste. Und sie erkennen, dass der mal wieder angekurbelte Arbeitskreisbetrieb à la Frau Warken nicht zur Lösung führt. Das ist zu begrüßen. Aber leider reicht das nicht aus. Die vorgeschlagenen Maßnahmen bleiben fragmentarisch, teils illusorisch, teils sogar kontraproduktiv.
Beitragsbemessungsgrenze – faktische Entwertung
Das deutlich erklärte Ziel, die Beitragsbemessungsgrenze nicht nur auszuweiten, sondern sie de facto wirkungslos zu machen, ist eine Abschaffung der PKV durch die Hintertür. Das ist juristisch nicht tragfähig und faktisch kaum umsetzbar. Der verfassungsrechtlich geschützte Bestandsschutz für privat Versicherte und die duale Systemlogik stehen dem entgegen. Wer das ignoriert, betreibt Symbolpolitik.
Bundesbeitrag für Bürgergeldbeziehende – keine Reform, hier muss nur gehandelt werden
Die Formulierung, die Beitragszahlung des Bundes an die GKV für Bürgergeldbezieher „wird reformiert“ verschleiert den eigentlichen Missstand: Der Bund weigert sich bislang, überhaupt Beitragsleistungen an die GKV zu zahlen. Er vergisst dabei – oder will es vergessen – dass der Staat nicht mit den sozialen Sicherungssystemen identisch ist – vielmehr ist er bei der Versicherung der Bürgergeldempfänger in der GKV genauso ein „Veranlasser“ wie ein Arbeitgeber, der seine Angestellten zur Sozialversicherung anmeldet. Oder – besserer Vergleich – wie die Kommune, die ihre Grundsicherungsempfänger bei der GKV versichert und dafür selstverständlich Beiträge zahlt. Der Bund handelt sich deswegen gerade eine Menge Ärger mit dem GKV-Spitzenverband ein. Zu „reformieren“ gibts hier gar nichts. Dass sich diese Beiträge an der Mindestbemessungsgrenze orientieren müssten, ist systemlogisch klar – und wird dennoch nicht umgesetzt. Keine Reform-, sondern eine Tatsachenfrage.
Mehrwertsteuer auf Arzneimittel – Begrifflich unsauber
Der Begriff „apothekenpflichtige Arzneimittel“ zeugt von solider Unschärfe. Die Fachterminologie unterscheidet zwischen verordnungspflichtigen und nicht verordnungspflichtigen, aber apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Letztlich bleibt unklar, was genau gemeint ist. Alle Arzneimittel oder nur die, die verordnungsfrei sind und üblicherweise als „apothekenpflichtig“ bezeichnet werden? Nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) wäre „Arzneimittel“ als Rechtsbegriff korrekt und hinreichend präzise.
Dynamisierung des Bundeszuschusses – strukturell verfehlt
Die Idee einer „regelgebundenen Dynamisierung“ klingt nach Fortschritt, ist aber in Wahrheit eine Festschreibung des Problems. Ohne vorherigen Kassensturz – also die saubere Trennung beitragsäquivalenter und steuerfinanzierter Leistungen – wird die Dynamisierung zur perpetuierten Unterfinanzierung. Der Zuschuss wird zum Feigenblatt statt zur Lösung. und kann – wie so viele Automatismen – leicht kostentreibend und damit höchst kontraproduktiv wirken.
Fazit
Die Drucksache 21/344 ist ein Versuch, das Richtige zu wollen – aber sie bleibt strukturell unzureichend. Es fehlt als Grundvoraussetzung für jegliche Reformüberlegung der Kassensturz, also die klare Trennung beitragsäquivalenter und nicht beitragsäquivalenter Leistungen der GKV (nicht nur dieser …) die juristische Präzision, die Systemlogik. Und es fehlt der Mut, die GKV nicht nur rhetorisch zu reformieren, sondern wirklich neu zu denken.
Schreibe einen Kommentar