
Nach zweitägiger Anhörung im vorbereitenden Senatsausschuss hat dieser nun eine Empfehlung zur Bestätigung des Impfgegners und Hirnwurmträgers Robert F. Kennedy Jr. als US-Gesundheitsminister abgegeben. 14 zu 13 Stimmen, wenigstens das. Entlang der Parteigrenzen, wie die NYT schreibt. Kein Zweifel, dass der Senat nun die Nominierung durchwinken wird.
Ich will mich hier gar nicht aufregen (ich versuche es jedenfalls). Aber man wird festhalten müssen, dass wir hier etwas erleben, das in höchstem Grade absurd und irreal ist. Ich gestehe, dass ich mich unter keinen Voraussetzungen irgendwie in die Abgeordneten hineinversetzen kann, die RFK jun. tatsächlich für geeignet halten, als Gesundheitsminister der größten Industrienation der Welt zu fungieren. Ich verfolge RFK’s „Karriere“ schon lange, aber dass es einmal dazu kommen könnte, das kam in meinen schlimmsten Albträumen nicht vor.
Dabei sah es zeitweilig während der Anhörung (die ich zu großen Teilen live verfolgt habe) danach aus, als würde Kennedy in echte Bedrängnis geraten. Immer wenn es um das Impfthema ging, verlor er den Boden unter den Füßen – und ähnlich wie sein Kumpel Andrew Wakefield (genannt Fakefield, der als der größte Medizinbetrüger des 20. Jahrhunderts gilt), gab er zu Protokoll, er sei ja gar kein Impfgegner. Es gelang seinen Sidesteps aber immer wieder, die Anhörung auf sozusagen neutrales Terrain zu verlagern – so nahmen Kennedys Ideen zu Ernährungsfragen breiten Raum ein. Auch hier gab er ziemlichen Unsinn von sich, was aber offenbar zu keiner Beunruhigung im Anhörungsausschuss führte. Der Vorsitzende, Mr. Cassidy, selbst Arzt, setzte ihm auch ordentlich zu. Allein – vergebens.
Nun, seine Eskapaden, die ihn als einen der krassesten Impfgegner des Planeten überführen, würden ein Buch füllen. Deshalb hier nur ein Hinweis auf einen Artikel hier auf diesem Blog – und eine Story, deren genaue Einzelheiten offenbar bis vor kurzem unbekannt waren.
Die wüste Geschichte, dass die WHO mit Impfungen in Afrika beabsichtigt habe, im großen Stil Sterilisierungen von Frauen durchzuführen, habe ich hier ausführlich beschrieben. Bob und Andy haben hier zusammengewirkt – manipulativ, voller Lügen und mit der offensichtlichen Absicht, Impfen generell und die WHO gleich mit zu diskreditieren. Und auf was für eine Art und Weise! Zudem billig. Früher haben sie noch ihre eigenen Lügen verbreitet, bei dieser Geschichte haben sie nur eine uralte urban legend aufgewärmt. Alles beschrieben in meinem Blogpost.
Robert F. Kennedy Jr. und der Masernausbruch in Samoa
Im Jahr 2018 erlebte das kleine Samoa einen schweren Masernausbruch, bei dem zahlreiche Menschen, hauptsächlich Kinder, starben. Die Tragödie wurde durch niedrige Impfraten verschärft, die teilweise auf Impfstoff-Skepsis zurückzuführen waren. Katastrophal war zusätzlich, dass zwei Kleinkinder während der Impfaktion verstarben. Es stellte sich zwar heraus, dass dies durch die Unachtsamkeit von zwei Krankenschwestern veursacht war (beide wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt). Die erste Reaktion war jedoch, dass die Skepsis gegenüber dem Impfstoff weiter zunahm. Die Impfungen wurden zunächst ausgesetzt, eine Weile später zwar wieder aufgenommen, aber so gut wie gar nicht nachgefragt.
Robert F. Kennedy Jr. besuchte im Juni 2019 Samoa und traf sich mit lokalen Impfgegnern, darunter Taylor Winterstein und Edwin Tamasese. Er nutzte die tragischen Todesfälle der beiden Säuglinge im Jahr 2018, um noch mehr Zweifel an der Impfsicherheit zu säen. Diese Desinformationskampagne führte zu einem weiteren drastischen Rückgang der Impfraten und bereitete den Boden für den nächsten Masernausbruch 2019 (erwartbar bei einer Durchimpfungsrate bei Kindern um die 30 Prozent), bei dem 83 Menschen, hauptsächlich Kinder, starben. Kennedys Handeln wurde vielfach als besonders verwerflich kommentiert, da er bewusst falsche Informationen verbreitete und die öffentliche Gesundheit gefährdete, was zu vermeidbaren Todesfällen führte. Er bezeichnete die Situation als eine Gelegenheit, die Auswirkungen von Impfungen und Nicht-Impfungen zu beobachten. Also als einen „Feldversuch“ mit menschlichen Probanden – so ziemlich der unterste Sumpf unverantwortlichen und unethischen Handelns. Er versuchte offenbar, die Verantwortlichen auf Samoa von seiner „Idee“ zu überzeugen, einer Idee, die er auch schon in den USA propagierte. Medizinethische Grundsätze trat er dabei mit Füßen, ohne schamrot zu werden.
Braucht es noch mehr, um zu belegen, dass RFK jun. einer der gefährlichsten Impfgegner auf diesem Planeten ist? Details finden sich hier bei den NBC News vom 24. Januar 2025.
Noch ein bisschen Dystopie
Was genau macht eine Ernennung von RFK jun. zum Gesundheitsminister so brisant?
Sein tiefes Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Institutionen und sein Hang zu Verschwörungstheorien könnten in einer solchen Position immensen Schaden anrichten. Sein Bild von Gesundheitsinstitutionen scheint stark von ideologischen Feindbildern geprägt zu sein, anstatt von realistischen Einschätzungen über deren Funktion und Bedeutung.
Das NIH (National Institutes of Health) beispielsweise ist in erster Linie ein Forschungsinstitut und keine bürokratische Behörde. Es ist eines der weltweit führenden Zentren für biomedizinische Forschung und hat entscheidend zur Entwicklung von Impfstoffen, Krebstherapien und anderen medizinischen Durchbrüchen beigetragen. RFK Jr.s mehrfach geäußerte Vorstellung, dass es sich dabei um eine Art Verwaltungsapparat handelt, den man „aufräumen“ könne, zeigt eine erschreckende Unkenntnis und legt nahe, dass er nicht einmal eine realistische Vorstellung davon hat, welche Arbeit dort geleistet wird.
Seine mögliche Strategie des „Lahmlegens“ der Gesundheitsinstitutionen könnte massive Folgen haben – von einer Verzögerung in der Medikamentenentwicklung bis hin zu einer möglichen Destabilisierung von Impfprogrammen und der Pandemievorsorge. Das erinnert an Trumps ersten Gesundheitsminister Tom Price, der als erklärter Feind von „Big Government“ das Gesundheitsministerium von innen heraus geschwächt hat – aber RFK Jr. geht ideologisch noch deutlich weiter.
Die Ironie dabei ist, dass Trump selbst vor der COVID-19-Pandemie oft für seine Nähe zu Impfgegnern kritisiert wurde, aber dann mit Warp Speed eine beispiellose Impfkampagne gestartet hat. Ein Gesundheitsminister RFK jun. würde das möglicherweise nicht nur wissenschaftliche Institutionen schwächen, sondern auch ein riesiges politisches Eigentor für ihn selbst bedeuten – denn massive Krankheitsausbrüche und eine verschlechterte Gesundheitsversorgung werden auch seine Wähler nicht kaltlassen.
Die Frage ist nur: Wie viele Kollateralschäden wird es bis dahin geben? Versuchen wir einen Ausblick.
Kurzfristig (innerhalb der ersten Monate)
Institutionelles Chaos: Falls RFK Jr. tatsächlich Minister wird, könnte er innerhalb kurzer Zeit wichtige Führungsposten mit Gleichgesinnten besetzen oder Experten entlassen, die er für Teil der „korrupten Elite“ hält. Das könnte das NIH, die CDC oder die FDA lähmen und zu Verzögerungen bei wichtigen Maßnahmen führen.
Symbolische Anti-Establishment-Entscheidungen: Er könnte beispielsweise Forschungsgelder für Impfprogramme oder Pandemievorsorge kürzen, während er gleichzeitig Pseudowissenschaftler fördert.
Mittelfristig (nach 1-2 Jahren)
Einbruch der Impfquoten: Wenn RFK Jr. weiterhin Anti-Impf-Rhetorik betreibt oder Impfprogramme de-priorisiert, könnte das dazu führen, dass weniger Menschen Impfungen in Anspruch nehmen – insbesondere gegen Masern, Grippe oder COVID-19. Erste Krankheitsausbrüche könnten auftreten.
Abwanderung von Experten: Falls Gesundheitsinstitutionen durch politischen Druck geschwächt werden, könnten hochkarätige Wissenschaftler in andere Länder oder in den Privatsektor abwandern, was langfristige Schäden für die US-Gesundheitsforschung hätte.
Langfristig (3-4 Jahre oder mehr)
Wiederaufleben von vermeidbaren Epidemien: Falls Anti-Impf-Narrative weiter gefördert werden, könnten Masern, Keuchhusten und andere vermeidbare Krankheiten wieder auf dem Vormarsch sein – mit Todesopfern, die man hätte verhindern können.
Regress in der Pandemievorsorge: Sollte es eine neue Pandemie oder eine besonders gefährliche Virusvariante geben, könnte ein durch Fehlinformationen gelähmtes Gesundheitssystem schlechter darauf reagieren, was unnötig viele Menschenleben kosten würde.
Die Ironie ist, dass die härtesten Konsequenzen meist erst dann eintreten, wenn es zu spät ist, um den Schaden einfach rückgängig zu machen. Deshalb ist es so gefährlich, wenn jemand mit wissenschaftsfeindlicher Agenda systematisch Institutionen untergräbt. Eine gestrichene Forschungsförderung kann oft wieder aufgenommen werden – aber verlorenes Vertrauen in Wissenschaft und Medizin ist viel schwerer zurückzugewinnen.
Wird es Auswirkungen all dessen auch international geben?
Die USA sind einer der größten Geldgeber für weltweite Impfinitiativen wie Gavi (die Impf-Allianz), die WHO-Impfkampagnen und Programme gegen Polio, Masern und andere Infektionskrankheiten.
Falls RFK Jr. als Gesundheitsminister Mittel für solche Programme streicht oder umleitet, könnte das in Entwicklungsländern direkt dazu führen, dass weniger Kinder geimpft werden. Besonders betroffen wären Afrika und Südasien.
Ein negatives Beispiel ist die Trump-Administration, die 2020 die WHO-Finanzierung gekappt und dies gerade wiederholt hat – schon seinerzeit mit spürbaren Folgen.
Stärkung der Anti-Impf-Bewegung in Europa
RFK Jr. ist bereits eine Ikone für Impfgegner in Europa. Seine Ernennung wäre ein massiver Legitimationsschub für die Szene.
Viele europäische Impfgegner haben die Corona-Pandemie genutzt, um eine allgemeine wissenschaftsfeindliche und staatskritische Haltung zu etablieren. Ein prominenter Impfgegner in einer so hohen Position könnte ihre Radikalisierung weiter fördern. Gerade in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Österreich, wo Impfmüdigkeit ohnehin ein Problem ist, könnten RFK Jr.s Aussagen gegen mRNA-Impfstoffe (und Impfstoffe allgemein) als „amtliche Bestätigung“ missverstanden werden.
Rückhalt für pseudomedizinische Strömungen weltweit
RFK Jr. ist nicht nur gegen Impfungen, sondern auch ein Verfechter anderer pseudomedizinischer Ansätze, die er als „natürliche Heilmethoden“ verkauft. In Ländern mit starken Alternativmedizin-Lobbys (z.B. Deutschland mit der Homöopathie-Industrie oder Indien mit Ayurveda) könnte seine Ernennung als Argument für eine Gleichstellung von Pseudomedizin mit evidenzbasierter Medizin dienen.
Das könnte sich auf politische Entscheidungen auswirken – z.B. dass Homöopathie weiterhin von Krankenkassen erstattet wird oder dass Alternativmedizin verstärkt in medizinische Curricula einfließt.
Wissenschaftsfeindliche Narrative als US-Export
Die USA haben durch Hollywood, Social Media und Nachrichtenmedien eine immense globale Meinungsführerschaft. Ein Gesundheitsminister, der wissenschaftsfeindliche Positionen vertritt, würde diese in den Mainstream heben und ihnen eine staatliche Glaubwürdigkeit verleihen.
In vielen Ländern könnten Medien und Politiker auf den Zug aufspringen, um eigene politische Agenden zu pushen.
Fazit
Die Gefahr ist real und global. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein politisches Ereignis in den USA extremistische oder verschwörungsideologische Bewegungen weltweit verstärkt. Dabei geht es um weit mehr als um schlichten Populismus. RFK Jr. würde konkret die Gesundheitspolitik einer Supermacht beeinflussen, mit direkten Auswirkungen auf Impfprogramme, Wissenschaftspolitik und das globale Vertrauen in evidenzbasierte Medizin.
Das Risiko ist also nicht nur theoretisch, sondern könnte in einigen Jahren ganz praktisch Menschenleben kosten – auch außerhalb der USA.
