Über Wissenschaft, (Pseudo-)Medizin, Aufklärung, Humanismus und den Irrsinn des Alltags

Schlagwort: Impfaufklärung Seite 1 von 3

Welcome Idiocracy!

NY Times, Breaking News 04.02.2024, 17:01 MEZ

Nach zweitägiger Anhörung im vorbereitenden Senatsausschuss hat dieser nun eine Empfehlung zur Bestätigung des Impfgegners und Hirnwurmträgers Robert F. Kennedy Jr. als US-Gesundheitsminister abgegeben. 14 zu 13 Stimmen, wenigstens das. Entlang der Parteigrenzen, wie die NYT schreibt. Kein Zweifel, dass der Senat nun die Nominierung durchwinken wird.

Ich will mich hier gar nicht aufregen (ich versuche es jedenfalls). Aber man wird festhalten müssen, dass wir hier etwas erleben, das in höchstem Grade absurd und irreal ist. Ich gestehe, dass ich mich unter keinen Voraussetzungen irgendwie in die Abgeordneten hineinversetzen kann, die RFK jun. tatsächlich für geeignet halten, als Gesundheitsminister der größten Industrienation der Welt zu fungieren. Ich verfolge RFK’s „Karriere“ schon lange, aber dass es einmal dazu kommen könnte, das kam in meinen schlimmsten Albträumen nicht vor.

Dabei sah es zeitweilig während der Anhörung (die ich zu großen Teilen live verfolgt habe) danach aus, als würde Kennedy in echte Bedrängnis geraten. Immer wenn es um das Impfthema ging, verlor er den Boden unter den Füßen – und ähnlich wie sein Kumpel Andrew Wakefield (genannt Fakefield, der als der größte Medizinbetrüger des 20. Jahrhunderts gilt), gab er zu Protokoll, er sei ja gar kein Impfgegner. Es gelang seinen Sidesteps aber immer wieder, die Anhörung auf sozusagen neutrales Terrain zu verlagern – so nahmen Kennedys Ideen zu Ernährungsfragen breiten Raum ein. Auch hier gab er ziemlichen Unsinn von sich, was aber offenbar zu keiner Beunruhigung im Anhörungsausschuss führte. Der Vorsitzende, Mr. Cassidy, selbst Arzt, setzte ihm auch ordentlich zu. Allein – vergebens.

Nun, seine Eskapaden, die ihn als einen der krassesten Impfgegner des Planeten überführen, würden ein Buch füllen. Deshalb hier nur ein Hinweis auf einen Artikel hier auf diesem Blog – und eine Story, deren genaue Einzelheiten offenbar bis vor kurzem unbekannt waren.

Die wüste Geschichte, dass die WHO mit Impfungen in Afrika beabsichtigt habe, im großen Stil Sterilisierungen von Frauen durchzuführen, habe ich hier ausführlich beschrieben. Bob und Andy haben hier zusammengewirkt – manipulativ, voller Lügen und mit der offensichtlichen Absicht, Impfen generell und die WHO gleich mit zu diskreditieren. Und auf was für eine Art und Weise! Zudem billig. Früher haben sie noch ihre eigenen Lügen verbreitet, bei dieser Geschichte haben sie nur eine uralte urban legend aufgewärmt. Alles beschrieben in meinem Blogpost.

Robert F. Kennedy Jr. und der Masernausbruch in Samoa

Im Jahr 2018 erlebte das kleine Samoa einen schweren Masernausbruch, bei dem zahlreiche Menschen, hauptsächlich Kinder, starben. Die Tragödie wurde durch niedrige Impfraten verschärft, die teilweise auf Impfstoff-Skepsis zurückzuführen waren. Katastrophal war zusätzlich, dass zwei Kleinkinder während der Impfaktion verstarben. Es stellte sich zwar heraus, dass dies durch die Unachtsamkeit von zwei Krankenschwestern veursacht war (beide wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt). Die erste Reaktion war jedoch, dass die Skepsis gegenüber dem Impfstoff weiter zunahm. Die Impfungen wurden zunächst ausgesetzt, eine Weile später zwar wieder aufgenommen, aber so gut wie gar nicht nachgefragt.

Robert F. Kennedy Jr. besuchte im Juni 2019 Samoa und traf sich mit lokalen Impfgegnern, darunter Taylor Winterstein und Edwin Tamasese. Er nutzte die tragischen Todesfälle der beiden Säuglinge im Jahr 2018, um noch mehr Zweifel an der Impfsicherheit zu säen. Diese Desinformationskampagne führte zu einem weiteren drastischen Rückgang der Impfraten und bereitete den Boden für den nächsten Masernausbruch 2019 (erwartbar bei einer Durchimpfungsrate bei Kindern um die 30 Prozent), bei dem 83 Menschen, hauptsächlich Kinder, starben. Kennedys Handeln wurde vielfach als besonders verwerflich kommentiert, da er bewusst falsche Informationen verbreitete und die öffentliche Gesundheit gefährdete, was zu vermeidbaren Todesfällen führte. Er bezeichnete die Situation als eine Gelegenheit, die Auswirkungen von Impfungen und Nicht-Impfungen zu beobachten. Also als einen „Feldversuch“ mit menschlichen Probanden – so ziemlich der unterste Sumpf unverantwortlichen und unethischen Handelns. Er versuchte offenbar, die Verantwortlichen auf Samoa von seiner „Idee“ zu überzeugen, einer Idee, die er auch schon in den USA propagierte. Medizinethische Grundsätze trat er dabei mit Füßen, ohne schamrot zu werden.

Braucht es noch mehr, um zu belegen, dass RFK jun. einer der gefährlichsten Impfgegner auf diesem Planeten ist? Details finden sich hier bei den NBC News vom 24. Januar 2025.

Noch ein bisschen Dystopie

Was genau macht eine Ernennung von RFK jun. zum Gesundheitsminister so brisant?

Sein tiefes Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Institutionen und sein Hang zu Verschwörungstheorien könnten in einer solchen Position immensen Schaden anrichten. Sein Bild von Gesundheitsinstitutionen scheint stark von ideologischen Feindbildern geprägt zu sein, anstatt von realistischen Einschätzungen über deren Funktion und Bedeutung.

Das NIH (National Institutes of Health) beispielsweise ist in erster Linie ein Forschungsinstitut und keine bürokratische Behörde. Es ist eines der weltweit führenden Zentren für biomedizinische Forschung und hat entscheidend zur Entwicklung von Impfstoffen, Krebstherapien und anderen medizinischen Durchbrüchen beigetragen. RFK Jr.s mehrfach geäußerte Vorstellung, dass es sich dabei um eine Art Verwaltungsapparat handelt, den man „aufräumen“ könne, zeigt eine erschreckende Unkenntnis und legt nahe, dass er nicht einmal eine realistische Vorstellung davon hat, welche Arbeit dort geleistet wird.

Seine mögliche Strategie des „Lahmlegens“ der Gesundheitsinstitutionen könnte massive Folgen haben – von einer Verzögerung in der Medikamentenentwicklung bis hin zu einer möglichen Destabilisierung von Impfprogrammen und der Pandemievorsorge. Das erinnert an Trumps ersten Gesundheitsminister Tom Price, der als erklärter Feind von „Big Government“ das Gesundheitsministerium von innen heraus geschwächt hat – aber RFK Jr. geht ideologisch noch deutlich weiter.

Die Ironie dabei ist, dass Trump selbst vor der COVID-19-Pandemie oft für seine Nähe zu Impfgegnern kritisiert wurde, aber dann mit Warp Speed eine beispiellose Impfkampagne gestartet hat. Ein Gesundheitsminister RFK jun. würde das möglicherweise nicht nur wissenschaftliche Institutionen schwächen, sondern auch ein riesiges politisches Eigentor für ihn selbst bedeuten – denn massive Krankheitsausbrüche und eine verschlechterte Gesundheitsversorgung werden auch seine Wähler nicht kaltlassen.

Die Frage ist nur: Wie viele Kollateralschäden wird es bis dahin geben? Versuchen wir einen Ausblick.

Kurzfristig (innerhalb der ersten Monate)

Institutionelles Chaos: Falls RFK Jr. tatsächlich Minister wird, könnte er innerhalb kurzer Zeit wichtige Führungsposten mit Gleichgesinnten besetzen oder Experten entlassen, die er für Teil der „korrupten Elite“ hält. Das könnte das NIH, die CDC oder die FDA lähmen und zu Verzögerungen bei wichtigen Maßnahmen führen.
Symbolische Anti-Establishment-Entscheidungen: Er könnte beispielsweise Forschungsgelder für Impfprogramme oder Pandemievorsorge kürzen, während er gleichzeitig Pseudowissenschaftler fördert.

Mittelfristig (nach 1-2 Jahren)

Einbruch der Impfquoten: Wenn RFK Jr. weiterhin Anti-Impf-Rhetorik betreibt oder Impfprogramme de-priorisiert, könnte das dazu führen, dass weniger Menschen Impfungen in Anspruch nehmen – insbesondere gegen Masern, Grippe oder COVID-19. Erste Krankheitsausbrüche könnten auftreten.
Abwanderung von Experten: Falls Gesundheitsinstitutionen durch politischen Druck geschwächt werden, könnten hochkarätige Wissenschaftler in andere Länder oder in den Privatsektor abwandern, was langfristige Schäden für die US-Gesundheitsforschung hätte.

Langfristig (3-4 Jahre oder mehr)

Wiederaufleben von vermeidbaren Epidemien: Falls Anti-Impf-Narrative weiter gefördert werden, könnten Masern, Keuchhusten und andere vermeidbare Krankheiten wieder auf dem Vormarsch sein – mit Todesopfern, die man hätte verhindern können.
Regress in der Pandemievorsorge: Sollte es eine neue Pandemie oder eine besonders gefährliche Virusvariante geben, könnte ein durch Fehlinformationen gelähmtes Gesundheitssystem schlechter darauf reagieren, was unnötig viele Menschenleben kosten würde.

Die Ironie ist, dass die härtesten Konsequenzen meist erst dann eintreten, wenn es zu spät ist, um den Schaden einfach rückgängig zu machen. Deshalb ist es so gefährlich, wenn jemand mit wissenschaftsfeindlicher Agenda systematisch Institutionen untergräbt. Eine gestrichene Forschungsförderung kann oft wieder aufgenommen werden – aber verlorenes Vertrauen in Wissenschaft und Medizin ist viel schwerer zurückzugewinnen.

Wird es Auswirkungen all dessen auch international geben?

Die USA sind einer der größten Geldgeber für weltweite Impfinitiativen wie Gavi (die Impf-Allianz), die WHO-Impfkampagnen und Programme gegen Polio, Masern und andere Infektionskrankheiten.
Falls RFK Jr. als Gesundheitsminister Mittel für solche Programme streicht oder umleitet, könnte das in Entwicklungsländern direkt dazu führen, dass weniger Kinder geimpft werden. Besonders betroffen wären Afrika und Südasien.
Ein negatives Beispiel ist die Trump-Administration, die 2020 die WHO-Finanzierung gekappt und dies gerade wiederholt hat – schon seinerzeit mit spürbaren Folgen.

Stärkung der Anti-Impf-Bewegung in Europa
RFK Jr. ist bereits eine Ikone für Impfgegner in Europa. Seine Ernennung wäre ein massiver Legitimationsschub für die Szene.
Viele europäische Impfgegner haben die Corona-Pandemie genutzt, um eine allgemeine wissenschaftsfeindliche und staatskritische Haltung zu etablieren. Ein prominenter Impfgegner in einer so hohen Position könnte ihre Radikalisierung weiter fördern. Gerade in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Österreich, wo Impfmüdigkeit ohnehin ein Problem ist, könnten RFK Jr.s Aussagen gegen mRNA-Impfstoffe (und Impfstoffe allgemein) als „amtliche Bestätigung“ missverstanden werden.

Rückhalt für pseudomedizinische Strömungen weltweit
RFK Jr. ist nicht nur gegen Impfungen, sondern auch ein Verfechter anderer pseudomedizinischer Ansätze, die er als „natürliche Heilmethoden“ verkauft. In Ländern mit starken Alternativmedizin-Lobbys (z.B. Deutschland mit der Homöopathie-Industrie oder Indien mit Ayurveda) könnte seine Ernennung als Argument für eine Gleichstellung von Pseudomedizin mit evidenzbasierter Medizin dienen.
Das könnte sich auf politische Entscheidungen auswirken – z.B. dass Homöopathie weiterhin von Krankenkassen erstattet wird oder dass Alternativmedizin verstärkt in medizinische Curricula einfließt.

Wissenschaftsfeindliche Narrative als US-Export
Die USA haben durch Hollywood, Social Media und Nachrichtenmedien eine immense globale Meinungsführerschaft. Ein Gesundheitsminister, der wissenschaftsfeindliche Positionen vertritt, würde diese in den Mainstream heben und ihnen eine staatliche Glaubwürdigkeit verleihen.
In vielen Ländern könnten Medien und Politiker auf den Zug aufspringen, um eigene politische Agenden zu pushen.

Fazit

Die Gefahr ist real und global. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein politisches Ereignis in den USA extremistische oder verschwörungsideologische Bewegungen weltweit verstärkt. Dabei geht es um weit mehr als um schlichten Populismus. RFK Jr. würde konkret die Gesundheitspolitik einer Supermacht beeinflussen, mit direkten Auswirkungen auf Impfprogramme, Wissenschaftspolitik und das globale Vertrauen in evidenzbasierte Medizin.

Das Risiko ist also nicht nur theoretisch, sondern könnte in einigen Jahren ganz praktisch Menschenleben kosten – auch außerhalb der USA.

2017 O-Ton Robert F. Kennedy Jr.

Die Impfaufklärung in Zeiten der Impfpflicht

Das „Informationsnetzwerk Impfen“ hat auf der Seite „eingeimpft.de“ (betrieben von der GWUP und vom Deutschen Konsumentenbund) vor kurzem den INIBlog eingerichtet, der sich gezielt der Aufklärung über Impfmythen widmen will, also der Klarstellung von Fehlinformationen welcher Art und von welcher Seite auch immer. Dem neuen Blog ist Erfolg zu wünschen. Ab sofort ist der Direktlink auf der Blogroll dieser Seite zu finden.

Beinahe zeitgleich dazu fand in Berlin eine Demonstration statt, die – ausgelöst vom politischen Beschluss pro Impfpflicht – als für eine von Zwang freie Impfentscheidung vor allem von Eltern angekündigt war. Es ging durch die Medien, dass diese Veranstaltung letztlich von politischen Aktivisten und Demagogen aus der Verschwörungsszene nahezu gekapert wurde, denen der auch gegen staatliche Autorität (Impfpflicht!) gerichtete Impetus der Impfkritik kompatibel zu ihren politischen und sonstigen Vorstellungen schien. Entgegen den Beteuerungen der Initiatoren blieb die Veranstaltung gerade nicht frei von Vertretern eines Spektrums, dass die legitime Kritik an einer geplanten Impfpflicht nur zum Anlass nimmt, seine gefährlichen Ideologien zu verbreiten. Und das müssen sich die Initiatoren auch zurechnen lassen, so blauäugig kann man gar nicht sein.

Diese beiden Ereignisse haben mich zu einer kleinen Reflexion veranlasst, auch, weil das Impfen von Anfang an ein wichtiges Thema auf diesem Blog war und es auch bleiben wird.

Der Diskurs über das Impfen ist ein wissenschaftlich fundierter Diskurs. Dies bleibt er auch, wenn er mit und von wissenschaftlichen Laien geführt wird. Sicher verlagert sich dabei das Gewicht der Argumentation; die Bringschuld der Vertreter der Wissenschaft, die Fakten auch Nichtwissenschaftlern zugänglich und verstehbar zu machen, wird größer. Das ist zwangsläufig. Aber was nicht zulässig ist: Dass man in diesem Diskurs die Ebenen wechselt. Dass man versucht, so zu tun, als sei die wissenschaftliche Ebene nur eine nachrangige, untergeordnete, womöglich unglaubwürdige und im Zweifel unmaßgebliche und stattdessen einen Diskurs über Freiheit, Autonomie und persönliche Unabhängigkeit ausruft. Und damit an durchaus positiv besetzte Werte appelliert, aber mit dem Ziel, über diese eine fatale Botschaft zu transportieren. Kein Zweifel – diese Werte sind nicht ohne Bedeutung in der Impfdiskussion. Aber wir würden endgültig die „postfaktische Revolution“ ausrufen, würden wir nicht für die Gültigkeit und Verbindlichkeit der wissenschaftlichen Fakten eintreten.

Erinnern wir uns: Wissenschaftliche Erkenntnisse sind belegbare Fakten. Wir können belegbare Fakten nicht durch Meinungen ersetzen, auch dann nicht, wenn diese Meinungen als Werteentscheidungen verstanden werden. Wir können sehr wohl gesellschaftlich relevante Entscheidungen treffen, wie mit den Fakten umzugehen ist. Das ist aber etwas anderes als das Relativieren, Leugnen, Verschweigen oder gar Manipulieren von Fakten durch falsche Information, falschen Kontext und falsche Werturteile. Dass es leichter ist, Zweifel zu säen als Zweifel auszuräumen, ist eine Binsenweisheit. So gerät der offene, faktenbasierte Diskurs ins Hintertreffen bei einem solchen Ebenenwechsel.

Ohne Zweifel hat die politische Entscheidung für eine Impfpflicht den Diskurs genau in die Richtung einer reinen Wertedebatte verschoben. Sie wirkt auf viele Menschen, nicht nur auf Impfskeptiker, wie ein Ersetzen des so lästigen und mühsamen Faktendiskurses durch Autorität, was natürlich auch eine gewisse Entwertung des ersteren bedingt.  Dies wird den Diskurs wohl noch lange intensivieren und auch nicht leichter machen. Unter anderem deshalb gibt es gerade bei entschiedenen Impfbefürworten so manche, die die politische Entscheidung für eine Impfpflicht weder für gut noch für zielführend halten. Das Robert-Koch-Institut gehört dazu, auch viele Vertreter der Gesundheitswissenschaft. Ich verhehle nicht, dass ich – früher ein uneingeschränkter Befürworter der Impfpflicht – auch zu einer solchen kritisch-differenzierten Sicht gefunden habe.  Ein Beleg dafür, wie problematisch der Diskurs geworden ist, zeigt leider auch, dass differenzierte Stimmen entschiedener Impfbefürworter nach der Entscheidung pro Impfpflicht sich kaum artikulieren konnten, ohne – beispielsweise in den sozialen Medien – der Impfgegnerschaft und der ihnen inzwischen verbundenen Ideologien verdächtigt zu werden. Sehr, sehr schade.

Falsche Information (fake news, „alternative Fakten“), falscher Kontext (für durchaus richtige Informationen) und falsche Werturteile (eine irreale Sicht auf Autonomie und Eigenverantwortlichkeit) – das sind die wesentlichen Charakteristiken, mit denen der Diskurs bestritten wird, beginnt er, eine klare Sicht auf die Fakten hinter sich zu lassen. Warum? Ist es nicht gelungen, die Faktenbasis verständlich und glaubhaft zu übermitteln? Sind Angst, Besorgnis, Misstrauen und grundsätzliche Opposition gegen Autoritäten, politisch oder wissenschaftlich, wirklich so groß, dass sie in Teilen der Allgemeinheit die Oberhand gewinnen?

Schwierige Fragen. Sie führen uns zu einer weiteren, letzten in dieser kurzen Betrachtung. Was treibt die Impfskeptiker, die Impfgegner an? Was sind ihre Motive? Sehen sie sich ebenso redlich am Werke wie die Aufklärer pro Impfen, sehen sie sich in der (moralischen) Pflicht, eine Botschaft zu vermitteln? Ist das Impfen überhaupt ihr wirkliches Thema oder nutzen sie es nur als Vehikel für gänzlich andere Botschaften? Wie könnte man dem beikommen? Oder wird die Szene doch beherrscht von einer Koalition der Uneinsichtigen (die zur Einsicht nicht fähig sind) mit Bösgläubigen (die zur Einsicht fähig sind)?

Bitte erwartet hier keine abschließende Antwort auf diese Fragen. Es soll für den Moment genügen, sie zu stellen. Wer trotzdem ein vorläufiges Fazit sucht: Es bleibt, wie so oft, nur die Bemühung um Aufklärung, sei es durch aktive Bereitstellung von Informationen, sei es durch die Entkräftung alternativer Fakten, falscher Kontexte und auch falscher Werturteile. Und wir dürfen dabei nicht vergessen, eine Geschichte zu erzählen: Die Geschichte der erfolgreichsten medizinischen Maßnahme aller Zeiten.


Nachtrag, Herbst 2022

Dieser auf das damals – aus heutiger Sicht beinahe marginale – Thema der Masernimpfpflicht gerichtete Text hat sich während der Pandemie, mit der Diskussion über die Covid-Impfung, in einem beängstigenden Maße beinahe zu einer Dystopie erweitert. Die Aspekte, die ich damals erläutert hatte, sind sozusagen aufgegangen wie eine Saat. Und nein, ich bin gar nicht gern der Prophet aus der Wüste, der dann hinterher Recht behält. Durchaus nicht.


Bildnachweis: Heather Hazzan – SELF Magazine

Alternatives Fakt-Checking

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Die Erde ist keine Scheibe“
und wird hier in leicht überarbeiteter Form wiederveröffentlicht.

Photo by Ron Lach on Pexels.com

Es ist wirklich nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig, als Kritiker von Pseudomedizin und Impfgegnerschaft ständig mit Unterstellungen konfrontiert zu werden, man sei eh nur Knecht der Pharmaindustrie, gekaufte Mietfeder, würde unwissenschaftlich argumentieren und handeln, habe andere sinistre Motive und sei generell ein hinterhältiger, gewaltbereiter und schlechter Mensch, weil …

So etwas kommt nicht etwa nur aus den Schmuddelecken des Internets. So etwas kommt von Leuten aus der pseudomedizinischen Szene, bei denen völlig klar ist, dass sie es besser wissen. Dort wird von Menschen, die zweifellos einen Überblick über die Fakten haben, ungehemmt wider besseres Wissen die Lächerlichkeit von den bezahlten Pharmaknechten verbreitet, was schon mal so weit ging, dass führende Köpfe der wissenschaftlichen Pseudomedizinkritik als „Testimonials“, also bezahlte Werbegesichter, der bösen Pharmaindustrie hingestellt wurden.

Wozu so etwas führen kann, zeigt ein Beispiel aus dem scheinbar weit entfernten Australien. Dort gibt es die Familie Riley, deren wenige Monate alter Sohn vor ein paar Jahren an Keuchhusten verstarb – als er noch nicht geimpft werden konnte. Dies geschah in einer australischen Community mit den geringsten Impfraten landesweit.

Die Familie richtete eine Art Gedenkseite für ihren kleinen Riley ein, auf der sie fürs Impfen und die Aufklärung darüber wirbt. Die Seite wurde vielfach positiv angenommen. Jedoch…

Der Blog „Debunking Denialism“ berichtet:
„Online hat die Familie viel Unterstützung erhalten, aber auch viel Hass. Letzteres ist im Laufe der Zeit immer extremer geworden. Sie wurden sogar beschuldigt, Lockvögel für die Pharmaindustrie zu sein, dass sie nur Krisen herbeireden sollten und sogar, dass sie sogar ihren eigenen Sohn Riley ermordet hätten und dies mit der Impfpropaganda vertuschen wollten.

Uns wurde gesagt, dass unser Kind eine Puppe gewesen sei und dass wir Schauspieler für „Big Pharma“ wären. Uns wurde gesagt, dass unser Sohn nie existiert hat, oder dass Rileys Tod von den Gesundheitsbehörden inszeniert wurde, um die Impfbereitschaft zu fördern. Uns wurde sogar vorgeworfen, unser Kind ermordet und den Keuchhusten nur vorgeschoben zu haben, um damit durchzukommen“, berichtete das Ehepaar.

Das alles nicht punktuell, sondern ganz offenbar als Teil einer in Australien großangelegten zentral orchestrierten Anti-Impf-Kampagne.

Zu dieser Kampagne gehören sogenannte „Fact Checker“, die eine direkt gegen die Familie Riley gerichtete Seite im Netz unterhalten. Diese Seite geriert sich als Wächter der Wahrheit, verbreitet nicht nur die genannten unsäglichen Scheußlichkeiten gegen die Rileys. Sondern stellt die Rileys zudem als Menschen dar, die sich angeblich gegen Kritik immunisieren mit ihrer „Story“ und postuliert, dass dem im Interesse der Wahrheit und Redlichkeit entgegengetreten werden müsse:

Aus irgendeinem Grund sind sie (die Rileys) der Meinung, dass sie gegen Kritik immun sein sollten. Sie denken, dass es in Ordnung ist, öffentlich für die Einschränkung der Rechte von Menschen einzutreten, und sie haben öffentlich eingestanden, dass sie es für akzeptabel halten, andere Kinder deshalb zu bestrafen (to punish), weil sie selbst eine Erfahrung unter völlig anderen Umständen gemacht haben.“

Und was dergleichen Atemberaubendes mehr ist. Wer interessiert ist, findet noch mehr in diesem Beitrag auf Debunking Denialism.

Manchmal will mir scheinen, von dergleichen sind wir nicht weit weg. In Schweden wurde im letzten Jahr so eine Pseudo-Faktencheck-Seite debunked, die sich nicht primär, aber auch auf die Verbreitung pseudomedizinischen Unsinns bezog. Die Seite hatte schnell eine gewisse Reichweite erlangt. Hier ein Screenshot mit einem „Bericht“ über die HPV-Impfung, mit der Schlagzeile „Faktiskt.se deckt auf – Zusammenhang zwischen HPV-Impfung und Zervikalkrebs“ – man glaubt es kaum, hier wird unverfroren das glatte Gegenteil der Tatsachen behauptet und der Artikel ist mehrere zehntausend Mal gelesen worden…

Der Beitrag auf der Pseudofaktencheck-Seite behauptete, die „Wahrheit“ über die HPV-Impfung sei, dass sie Zervikalkrebs auslöse und nicht davor schütze.

Beim Auf-den-Kopf-stellen von Fakten ist die Szene auch bei uns ohnehin schon bemerkenswert rührig, mit zunehmender Tendenz. Auf welche Weise das teilweise geschieht, wird dadurch illustriert, dass die Verteidiger der Pseudomedizin und die Streiter gegen das Impfen mehr und mehr bemüht sind, nicht nur einen Wahrheits-, sondern auch noch einen Moralanspruch für ihre Position zu behaupten. Darin liegt ein gefährliches Potenzial, insofern als dass die beklagenswerte Voreingenommenheit weiter Teile der Öffentlichkeit gegen Wissenschaft, wissenschaftliche Medizin und die damit verbundenen „Feindbilder“ auch noch scheinmoralisch unterfüttert und gefestigt wird. Dass derartige scheinmoralische Positionen nur durch das Negativum der Diskreditierung von Persönlichkeiten der skeptischen Szene erreicht werden können, scheint dabei ein vernachlässigbarer bis begrüßenswerter Nebeneffekt zu sein.

Natürlich kann man das als letzte Verteidigungslinie einer jeder argumentativen Basis verlustig gegangenen Front ansehen. Man darf aber die Wirkung auf das Publikum ebensowenig außer Acht lassen wie den Umstand, dass es sich schlicht um Diffamierung von aus eigenem Antrieb kritisch engagierter Menschen handelt. Ein drastisches Beispiel dafür, wie der Weg von einer irgendwie noch als solche wahrnehmbaren Gegenkritik über bereits nicht mehr akzeptable ad-hominem-Angriffe bis hin zu einem scheinmoralischen Standpunkt, ja einer Selbstüberhöhung, führt, ist in der aktuellen Wochenendausgabe der TAZ in einem – dies sei offen eingestanden, unerwartet – kritischen und sich klar positionierenden Artikel nachzulesen. Der, wie nicht anders zu erwarten, in den sozialen Medien teils haarsträubende Kommentare nach sich zieht.


Man wird also ein Augenmerk auf Versuche der Pseudomedizin richten müssen, ihrerseits mehr als bisher schon in eine scheinbar aufklärerische Rolle mit einer pseudomoralischen Verbrämung zu schlüpfen. Die Blaupause hierfür gibt es längst, wie ich einleitend gezeigt habe.

Und damit sich der Kreis schließt: Eigentlich sind wir schon so weit. Nicht nur in Australien treten Verbreiter pseudowissenschaftlichen Unsinns mit dem wortwörtlichen Anspruch auf, als „Faktenchecker“ die wahren Aufklärer zu sein, siehe z.B. hier.

Aufklärung tut not, mehr denn je. Dabei fühlen sich die kritischen Skeptiker jedenfalls meines Umfeldes einer sachbezogenen, von persönlichen Angriffen und Unterstellungen freien Argumentation verpflichtet, ungeachtet dessen, ob dies umgekehrt auch der Fall ist.


Bildnachweise: Pixabay / Screenshot faktiskt.se via Debunking Denalism

Mehr als traurig.

Die meisten werden es schon erfahren haben: Den ersten Masern-Todesfall in diesem Jahr beklagen wir ausgerechnet in meiner Heimatstadt Essen. Eine Mutter von drei Kindern, 38 Jahre alt, ist an dieser teuflischen Krankheit im Essener Universitätsklinikum verstorben. Sie verfügte offenbar aufgrund nur einer ersten Masernimpfung im Kindesalter nicht über ausreichenden Schutz. In Essen sind inzwischen über 30 Masernfälle gemeldet, eine Verdreifachung in den letzten zwei Wochen. Das Gesundheitsamt geht von einer hohen Dunkelziffer aus.

Das macht mich sehr traurig – und zugleich wütend. Daraus will ich gar keinen Hehl machen. Wenn man aktiv in der Impfaufklärung und im Eintreten für Vernunft unterwegs ist und dann vor der Haustür so ein Ereignis passiert, das lässt einen schon schlucken.

Was für ein Kontrast zu der Auseinandersetzung mit den Essener Filmkunsttheatern zur Aufführung “mit Diskussion” von Wakefields “VAXXED”, zu den vergeblichen Versuchen, die Kinobetreiber zu einer Einsicht zu bewegen! Die Bemühungen endeten letztlich nicht nur vergeblich, sondern auch noch damit, dass die Kinochefin glaubte, den Kritikern eine “Demokratielehrstunde” geben zu müssen und sich Verdienste mit der Aufführung zu erwerben, indem sie gegen das Entstehen “türkischer Verhältnisse” antrete.  Womit zweifellos diese bösartigen Versuche gemeint waren, die Meinungsfreiheit durch den Widerstand gegen VAXXED in übelster Manier auszuhebeln. Und der Hinweis auf die Verursachung von unnötigen, belastenden und womöglich lebensgefährlichen Erkrankungen als Folge der Fehlinformationen des Films wurde als unangemessener “moralischer Druck” zurückgewiesen. Es war nicht leicht, sich das anhören zu müssen.

Tja, Frau Menze. So siehts aus.

Und was auf keinen Fall unerwähnt bleiben sollte: Die örtliche Presse, bei der immerhin die größte Regionalzeitung Deutschlands den Ton angibt, hatte kein kritisches Wort zu VAXXED übrig. Bemerkenswert war für die nur, dass am Abend der Vorführung kein Polizeieinsatz erforderlich wurde, was offenbar aufgrund der grenzenlosen Militanz und antifaschistisch angehauchten Gewaltbereitschaft der antidemokratischen Wakefieldgegner erwartet worden war (frei nach Hans Tolzin).

Jetzt wird der Masern-Todesfall in der Presse und den Medien groß herausgestellt.  Ein wenig Selbstkritik zu der erst Anfang April abgelaufenen VAXXED-Story – dazu wäre doch jetzt eine gute Gelegenheit! Stattdessen: Ein wenig lässig-platte Recherche. “Etwa fünf Prozent der Kinder sind nicht geimpft.” Soso. Das liest sich im letzten Epidemiologischen Bulletin des RKI aber anders. Seis drum.

Selbstkritik? Wenigstens irgendeine Querverbindung zu der unsäglichen Essener VAXXED-Aktion aufgezeigt? Fehlanzeige.

Das musste ich loswerden.  Hoffentlich lernen einige hieraus mal etwas. Ich bin da im Moment tief pessimistisch.

Mein ehrlich empfundenes Mitgefühl an die Familie der Verstorbenen.


Bildnachweis: Eigenes Bild

Übrigens … ein paar Hinweise und Neuigkeiten

The Independent

Der Independent spricht es offen aus: Die derzeitigen Masernausbrüche in Italien und Rumänien – am Rande einer regelrechten Epidemie – sind fraglos zu einem erheblichen Teil den “Aktivitäten” der “Impfskeptiker” zu verdanken. Übrigens: Die Durchimpfungsrate in Deutschland ist nicht ausreichend. 

Aber ja, ich vergaß – Wakefield ist ja gar kein Impfgegner, nein, sein unsäglicher Film ja auch keineswegs gegen Impfungen…

Sorry.

Hier geht es zum Online-Artikel.

Und das verdienstvolle Portal “Refutations to Anti-Vaccine Memes” (zum Folgen auf Facebook sehr empfohlen) setzt noch einen drauf zum Independent-Artikel:

“Sick and dead children are your legacy Andrew Wakefield.”

So ist es.

Und in unserem schönen Land hier?

Öffentliche Meinung und Presse schlafen. Tief und fest. In Großbritannien erledigt allein der common sense im Verein mit der Presse die ganze Wakefield-Geschichte! Und hier müssen sich die Einzelnen, die gegen Wakefields miese Tour (haha, Wortspiel) angehen, als gewaltbereite Faschisten und Antidemokraten beschimpfen lassen.

Vielen Dank auch. Wir wissen es zu schätzen. Denn wir wissen, von wem es kommt.


Aus den Kommentaren:

H.K. (Facharzt Allgemeinmedizin) sagt:
@S.Thormann:
Da verbreitet mal wieder jemand alternative Fakten! Und zwar “zweifellos”!
Und was soll denn bitteschön eine “wahre Herdenimmunität” sein?
Selbstverständlich erreicht man eine ausreichende Herdenimmunität auch durch Impfungen. Wie erklärt sich denn sonst der rasche und komplette Rückgang der Maserninzidenz in Ländern mit flächendeckenden Masernimpfprogrammen in den letzten zwei Jahrzehnten (z.B. Südamerika/Lateinamerika)? Nachdenken hilft dabei.
Bemerkung: Wahrscheinlich ist der Langzeitschutz nach einer Masernimpfung etwas(!) weniger langanhaltend. Es ist jedoch nicht klar, ob dies an einer fehlenden Boosterung durch im Umlauf befindliche Masernviren liegt. (Die fehlende Boosterung durch Masernviren ist jedoch kein Gegenargument, sondern ein zu erwartender Effekt bei einer beabsichtigten Ausrottung).
Es ist aber irrelevant, ob ich nach einer Maserninfektion vielleicht lebenslang immun bleibe oder nach einer zweimaligen Impfung “nur” geschätzte 30+ Jahre immun bleibe, wenn es gelingen kann, in weniger als 10 Jahren den Masernvirus weltweit auszurotten.
“Es macht daher gar keinen Sinn, sich dermassen auf die Masernimpfung zu versteifen, weil die Menschen so oder so krank werden.”
Da bleibt mir die Spucke weg. Dieser Kommentar ist an Zynismus angesichts Hunderttausender Maserntoten nicht zu überbieten. Ich würde mich schämen, so etwas nur zu denken.


Stefanie Thormann sagt:

Sehr geehrter Herr Endruscheit, Es ist zweifellos wissenschaftlich und empirisch belegt, dass wahre Herdenimmunität im Fall von Masern nur von natürlicher “Durchseuchung” kommt und niemals durch Impfung erreicht werden kann aufgrund mangelhafter und nachlassender Impfimmunität. Dies wird zwangläufig zu einer weiteren, versteckten Anfälligkeit der Menschheit für Masernepidemien führen, wobei bei Säuglingen und Erwachsenen mit den grössten Komplikationen zu rechnen ist. The Re-Emergence of Measles in Developed Countries: Time to Develop the Next-Generation Measles Vaccines?
 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3905323/

Dann hier noch eine schöne Studie, die aufzeigt, dass die Masernimpfung zwar die Masern-induzierte Encephalitis bei Kindern gesenkt hat, jedoch dafür andere Pathogene bei Enzephaliden identifiziert wurden und dass die absolute Anzahl der aufgetretenen Fälle von Enzephalitis bei Kindern leider nicht gesenkt werden konnte. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=9243237

Es macht daher gar keinen Sinn, sich dermassen auf die Masernimpfung zu versteifen, weil die Menschen so oder so krank werden. Wir sind nunmal keine Roboter, und das ist auch gut so!

Freundliche Grüsse
Stefanie Thormann

Udo Endruscheit sagt:

Danke für den Kommentar, der aus meiner Sicht eine etwas ausführlichere Antwort verdient.
Zunächst einmal fokussiere ich meine Kritik an den Impfgegnern vielleicht vordergründig auf die Masern – wegen des Bezugs zu Wakefields MMR-Geschichte und den aktuellen Hype um seinen Film. Aber die Kritik ist grundsätzlicher.
Auch deshalb kann ich mich weder mit der in Ihrem Beitrag zum Ausdruck kommenden Relativierung des Problems noch mit der durchscheinenden Geringschätzung des Gesamtproblems “Impfen” zufriedengeben.
Zuallererst einmal sehe ich die Impfungen gegen ansteckende Infektionskrankheiten als “soziale Veranstaltung”, als im Grunde eine Pflicht eines sich als Solidargemeinschaft verstehenden Gemeinwesens, seine schwächeren Mitglieder mit allen zumutbaren und vernünftigen Mitteln zu schützen. Herdenschutz – das ist so leicht hingesagt.
In erster Linie nützt der Herdenschutz aber denjenigen, die wegen ihrer individuellen Disposition -Krankheit, Alter, Immunschwäche wodurch auch immer- einer ganz unmittelbaren, direkten Bedrohung ausgesetzt sind, wenn sie nicht vom “Herdenschutz” umgeben sind. Für diese Personengruppen geht es auch beileibe nicht um ein statistisches Risiko von Komplikationen oder Spätfolgen, sondern möglicherweise sehr unmittelbar um Leben und Tod.
Der aktuelle Masern-Todesfall in der Schweiz ist ein himmelschreiend trauriger Beleg genau dafür. Es handelte sich hier nämlich um einen geimpften (!) Leukämie-Patienten, dem die Impfung aber wegen seiner Haupterkrankung nichts nützte und der von einem Ungeimpften angesteckt worden war.
Zudem kann ich die Betrachtung der möglicherweise in der Gesamtzahl gleich gebliebenen Enzephalitiserkrankungen doch nicht als relativierendes Argument nehmen, um die Impfung als mehr oder weniger irrelevant hinzustellen! Zumal dieser winzige Ausschnitt aus dem Gesamtfeld noch von vielen anderen Dingen überlagert wird. Beispielsweise von der Schwächung der Immunabwehr durch eine Masernerkrankung, die möglicherweise eine Folgeinfektion massiv überschießen lässt. Letztlich auch von der Vermeidung unnötigen Krankheitsleids im Kindesalter. Ich habe selbst noch eine sehr heftige Masernerkrankung kurz vor meiner Einschulung mitgemacht, ich erinnere mich sehr gut daran, dass das alles andere als ein Spaß war. Ich lag nach meinem Empfinden unendlich lange in einem abgedunkelten Zimmer, außerstande, mir auch nur ein Bilderbuch anzuschauen. Ich wünsche das niemandem.
Außerhalb der Masern beliebig fortführbar. Beispielsweise durch das Langzeitrisiko einer hohen Prävalenz für Gürtelrose (Herpes zoster) im Alter bei Windpockeninfektionen in der Kindheit. Beispielsweise durch die vermeidbaren Qualen, die ein Kind ohne jeden Zweifel bei einer massiven Keuchhusteninfektion durchmachen muss.
Ja, und wenn es neue Enzephaliden gibt? Und dadurch die Masernimpfungen nicht zu einem absoluten Rückgang der Infektionen geführt haben? Dann wären doch logischerweise die Gesamtzahlen OHNE die Masernimmunisierungen noch weitaus höher! Was soll das denn für ein Argument sein?
Was Ihre Anmerkung betrifft, eine Herdenimmunität bei den Masern sei nur durch “natürliche Durchseuchung” zu erreichen – das ist nun aber eine sehr exzessive Auslegung der angeführten Studie. Das ergibt sich schon aus deren Titel: “The Re-Emergence of Measles in Developed Countries: Time to Develop the Next-Generation Measles Vaccines?” Thema ist dort doch die oft unzureichende Immunantwort auf die klassische zweistufige Impfung, was kein unbekanntes Phänomen ist. Die gibt es immer. Aber auch und gerade diese Studie weist darauf hin, dass eine Durchimpfung von 95 Prozent der Bevölkerung bei Masern Voraussetzung für eine Eliminierung dieses Erregers ist. Dass dazu möglicherweise auch noch Varianten des Impfstoffes entwickelt werden müssen, ist Anliegen der Studie. Anliegen der Studie ist sicherlich nicht, eine laissez-faire-Haltung zur Masernimpfung zu propagieren. Ich bin sicher, dass die Autoren entsetzt über eine solche Ausdeutung wären.
Ehrlich gesagt, ich bin es auch.

Interessant dazu: – in den Sozialen Medien fand sich diese Anmerkung zu meinem offenbar hasserfüllten Dialog mit Frau Thormann, jeder mag sich das Seine dazu denken:


Name (notwendig)sagt:
Die Autoren benennen ja auch sehr klar, wer Schuld ist: “Socio-cultural limitations are also extremely important, and often either overlooked by the architects of elimination and eradication efforts, or unexpectedly arise due to temporal trends. Primary among these are that surprising numbers of otherwise well-educated people reject the vaccine due to safety fears—effectively diminishing its worth as a public health tool.” Wobei das “well-educated” mit Vorsicht zu genießen ist. 😉

Ich weiß es doch auch nicht …

… wie man mit der VAXXED-Geschichte noch umgehen soll.

Der Verleih, Buschmedia, ist voll in der Offensive, was die Verbreitung von Wakefields Machwerk angeht. Das Ganze wird massiv orchestriert von Jammern und Klagen der unschuldig verfolgten Impfgegner. Garniert zunehmend mit dem Vorwurf, die bösen Impfbefürworter würden zu nackter Gewalt greifen, um die Wahrheit und die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.

Man stelle sich das bitte vor: In den angelsächsischen Ländern und einigen mehr ist Wakefields Film weitgehend als das entlarvt, als was er ist: Ein manipulatives Machwerk der allerschlimmsten Sorte, der die Schuld, die Wakefield schon lange wegen der Verunsicherung von Eltern auf sich geladen hat, noch einmal vervielfacht. Eine öffentliche Debatte unter Beteiligung der Presse hat zu dieser öffentlichen Wahrnehmung geführt. Vor kurzem ist es gelungen, diesen Schmutz aus dem Europaparlament herauszuhalten. Und hier, bei uns in Deutschland?

Könnte es kaum besser laufen für Wakefield. Der Verleih zieht die Sache durch. Die “Unterstützung” der “Presse” besteht bislang vor allem darin, dass über die angebliche Gewaltbereitschaft und Militanz der Gegner des Films berichtet wurde – unter anderem von einer so seriösen Publikation wie Epochtimes, auf die sich der Facebook-Auftritt von VAXXED ausdrücklich bezieht. Wer solche Verbündeten hat… naja. Selbst auf dem offiziellen Hauptstadt-Portal Berlin.de (Link erloschen) wird die übliche Propaganda weiterverbreitet. Es scheint sich auch niemand daran zu stören, dass semiprofessionelle Impfgegner wie Hans Tolzin sich für den Film stark machen.

Wo ist die kritische Presse? Ach, ich vergaß: Oberste journalistische Tugend ist ja bei uns bekanntlich die Ausgewogenheit. Eine Parteinahme kann man ja wohl nicht mehr erwarten.

Herrscht Unwissenheit? Völlige Gleichgültigkeit? Falsches Verständnis von Toleranz und Meinungsfreiheit? Muss es ein paar Leuten aus der Zivilgesellschaft überlassen bleiben, gegen diesen Wahnsinn zu protestieren? Ich weiß es auch nicht. Wirklich nicht.


Im Netz findet man dann Texte wie diesen:

Bedrohung von Kinos, die impfkritischen Film VAXXED ausstrahlen wollen

Die geplante Deutschland-Tournee des impfkritischen US-Filmes “VAXXED” über den Zusammenhang von Impfungen und Autismus wird gerade von teilweise gewaltbereiten, fanatischen Impfbefürwortern (Antifa?!) sabotiert und angegriffen. Kinobetreiber werden aggressiv unter Druck gesetzt und quasi mit öffentlichem und (a)sozialem Druck gezwungen, die Ausstrahlung des Filmes abzusetzen. Leider mit beträchtlichem Erfolg. Mit Hatespeech, Hetze und sogar Gewaltandrohung (!) wird die Verbreitung von Informationen, die gegen die vorherrschende Impf-Meinung sprechen unterbunden. WARUM? Wovor haben die eigentlich Angst? Und woran erinnert mich das bloß? Sind das die Vorboten eines Impfzwanges in Deutschland? []

Man kann beobachten, dass die Gegner der Filmausstrahlung sich nicht mit den Fakten auseinander setzen, sondern eine emotionale (pogromartige) Stimmung erzeugen, die es Impfskeptikern unmöglich machen, sachlich ihre Stimme zu erheben und ihre Interessen zu vertreten. Neben den Forschungen von Dr. Wakefield gibt es sage und schreibe 130 Publikationen (Liste), die die These über den Zusammenhang der MMR-Impfung und Autismus ebenso unterstützen. Das wird geflissentlich ignoriert. Man muss sich mittlerweile ja schon fast fürchten, sich für ‘Impffreiheit’ einzusetzen. Wo wird das enden? […]

Nicht nur Hans Tolzin und andere Impfkritiker, jeder anständige Bürger, sollte sich gegen diese Einschüchterungen wehren. Lasst uns Solidarität und Unterstützung zeigen. Komme wer kann zur Ausstrahlung des Filmes nach Essen und demonstriere Geschlossenheit gegen diesen subtilen, sozialen Druck. Ich werde auch dort sein. Leider bestätigen sich die schlimmen Befürchtungen, dass der Druck auf nicht impfen wollende Menschen steigt. Doch dass es so schnell so krass wird, hätte selbst ich nicht geglaubt. […]

Meines Erachtens zeigt es diese Entwicklung immer deutlicher: Schützt Euch und Eure Kinder zumindest mit einer persönlichen Strategie gegen zukünftiges Mobbing und Ausgrenzung.


Die Verschiebung der Wahrnehmung macht beinahe fassungslos. Dem habe ich nur noch eines hinzuzufügen: In meinem Briefkasten (im physischen) fanden sich in den letzten Tagen zwei sehr unangenehme “Botschaften”, die die Toleranz und Gesprächsbereitschaft der Wakefield-Fraktion sehr eindeutig unter Beweis stellten. Noch heute habe ich einen Telefonanruf erhalten, der nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließ.

All das lesen und erleben wir, während überall in der Welt – zuletzt in Rumänien – immer größer werdende Herde an Masernerkrankungen auftreten. Es ist eine Frage der Zeit, bis wir eine ordentliche epidemische Ausbreitung haben. Zudem wird über Todesfälle durch Keuchhusten und durch Tetanie berichtet. Und der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission weist darauf hin, dass Deutschland inzwischen das europäische Schlusslicht bei der Maserndurchimpfung ist.

Angesichts dessen ist nicht nur die Verbreitung des Films, sondern auch die Aktivität der Propagandisten geradezu pervers.

Ach ja, bevor ich es vergesse: VAXXED macht geltend, es sei überhaupt kein Impfgegnerfilm. Im Gegenteil, Wakefield propagiere ja die Impfung, eben nur nicht den Mehrfachimpfstoff. Ein “Argument”, das auch in den USA schon in der Luft zerrissen worden ist. Gut, dann ist er eben kein “Impfgegnerfilm” – an der Verbreitung nachweislicher Unwahrheiten mit dem subtilen Ziel, Eltern – vor allem Eltern autistischer Kinder, die schon verunsichert genug sind – endgültig zu verunsichern. Und nebenbei die Frage: Wenn Wakefield kein Impfgegner ist, weshalb tritt er dann auf Tolzins Impfgegnersymposion als Ehrengast auf?

Leute, wo sind wir nur hingekommen. Mir ist schon klar, dass viele Menschen inzwischen ernsthaft den “Argumenten” von Wakefield und Co. “glauben”, warum auch immer, ungeachtet der Informationsmöglichkeiten, die jedermann offenstehen. Sei es drum – oder auch nicht. Aber hier noch eine kommerzielle Veranstaltung aus dieser Unsäglichkeit zu machen, keinerlei kritische Reflexion zu zeigen und dann auch noch militant und verleumderisch auf diejenigen zu reagieren, die sich dem grassierenden Wahnsinn entgegenstellen – das lässt mich schon einigermaßen verzweifeln. Ich nehme für mich selbst zudem in Anspruch, hart in der Sache zu sein, aber weder jemand persönlich anzugreifen noch zu diffamieren oder gar zu bedrohen. Niemals!


Ich erlaube mir einmal abschließend ein Zitat des hellsichtigen Heinrich Heine:

Das ist schön bei den Deutschen: Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren fände, der ihn versteht.


Bildnachweis: @sixxtopia / Frantz Fanon


Aus den Kommentaren

sternenmond75 sagt:

Lieber Udo,

ich war privat ein wenig versackt (die liebe Familie…) und bin geschockt, dass Du offenbar jetzt schon telefonisch von Wakefield-Befürworter belästigt (bedroht?) wirst. Das verbuchen solche Leute wohl auch unter Meinungsfreiheit….

However: das Bild ist perfekt gewählt, inhaltlich kann man nur immer wieder gebetsmühlenartig alle Fakten, die ja eindeutig auf UNSERER Seite sind, wiederholen.

Allerdings fuchst mich das ganze mittlerweile dermaßen, dass ich mich versucht habe, in die Untiefen zu stürzen. In der Hoffnung, alles richtig zusammenzubekommen (ansonsten gerne eingreifen), gehe ich zurück zur Wurzel allen Übels, also zu den Anfängen von Mr. Wakefield, der ja offenbar völlig uneigennützig agiert:

Wie hat der Ausschuss GMC (General Medical Council) nach dem Lancet-Skandal an Tag 197 so schön im Protokoll festgehalten (alles verlinkt/zu finden unter http://www.casewatch.org/foreign/wakefield/sanction.shtml):

„He admitted that around June 1997 Dr Wakefield filed for a patent with the Patent Office. He was one of the inventors for a vaccine for the elimination of measles virus and for the treatment of IBD. His involvement in the MMR litigation, receipt of funding for part of the Project 172-96 and involvement in the patent constituted a disclosable interest which could have given rise to a legitimate perception of a conflict of interest which he did not disclose to the editor of the Lancet.“ SOSO!

By the way: Das GMC hat unter anderem die Funktion „Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass ein Arzt die Sicherheit der Patienten oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in Ärzte gefährdet.“ Hat es, in dem Wakefield die Approbation entzogen wurde. Applaus! Über 2 elende Jahre hatte das Anhörungsverfahren mit über 200 Anhörungstagen gedauert. Soll sich einer beschweren, man hätte hier leichtfertig und zu schnell entschieden, Wakefield Berufsverbot zu erteilen. Alleine die Berichte, wie oft die Kinder mit unnötigen Lumbalpunktionen gequält wurden sollten eifrige Anti-Vaxxer sich einmal einverleiben.

Und was in diesem Zusammenhang immer wieder GERN vergessen wird. Wakefield ist, naja WAR Arzt der Gastroentrologie. Die verzweifelten Versuche MMR mit Autismus zu verknüpfen sind doch schon seit Jahrzehnten der vorgeschobene Grund. Er kommt ja bei seinen biomedizinischen Ansätzen zur Autismustherapie auch immer auf irgendwelche Darmerkrankungen. Das WAR ja auch der Titel der Studie „Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children”. Siehe The Lancet:

http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(97)11096-0/abstract

Hat sich irgendein eifriger Anti-Vaxxer das ganze Mal angeschaut? Der fast schon nebensächlich anmutende Bezug auf Autismus wird so formuliert, dass er KEINESFALLS als „gesichert“ gilt. Der Fokus lag eindeutig auf den Darmerkrankungen, aber noch so ausreichend, dass die Sponsoren-Anwälte ihr vermeintliches Futter für die herbeigesehnte Klage gehabt hätten.

Wie man das so derartig drehen kann, dass Autismus ist interessant und vermutlich auch durch die damaligen klagewilligen Eltern zu begründen, die einen Schuldigen für die Autismusdiagnose ihrer Kinder finden wollten. Aber ganz so uneigennützig ist Wakefield nicht gewesen, denn im Prinzip läuft es also darauf hinaus, dass die MMR-Impfung in seinen Augen zu Darmproblemen führt. Klingt nicht so „schick“, daher die Finanzspritzen-Autismus-Krücke (wahlweise noch in Kombination mit ADHS/ADS- um es noch reißerischer zu gestalten).

Herrgott, fällt DAS denn KEINEM auf? Wakefield ist KEIN Neurologe, KEIN Psychologe, KEIN Psychiater, KEIN Neurochirurg, KEIN Kinderarzt, sondern vom Background her Gastroenterologe.

Und zwar einer, der unterm Strich tatsächlich kein Impfgegner zu sein schein – Obacht, jetzt kommt’s – sondern nur ein vermeintlicher Gegner der 3-fach MMR-Impfung. Sein Impfstoff ist aber nur ein Einzelimpfstoff gegen Masern. Wo alle Welt aber einen dreifachen Impfstoff gegen Mumps, Masern und Röteln (MMR) benutzt, hätte er seinen einfachen Impfstoff nie in den Markt bringen können. Deswegen hat Wakefield mutmaßlich den Dreifachimpfstoff verteufelt und alles darangesetzt, ihn durch angebliche wissenschaftliche Beweise zu diskreditieren. Das sollte man mal sacken lassen, was? Vermutlich ist aber die Umsatzquelle durch Impfgegner mittlerweile viel lukrativer als irgendwann darauf zu hoffen, dass sich ein Einzelimpfstoff gegenüber einem kombinierten Impfstoff etabliert.

Würde jemand mit Hirn und Verstand einen Zahnarzt glauben, der eine neue Studie herausbringt, die angeblich zufällig „nebenbei“ beweisen würde, dass der Genuss von Babyfencheltee der sichere Weg zur Dialyse (Nierenschaden) wäre? Vielleicht hätte er einen Grund, an Kinderfencheltee etwas auszusetzen, z.B. dass einige Hersteller die Produkte süßen und somit die Wahrscheinlichkeit von späteren Zahnschäden steigt. Aber das lockt keinen hinter dem Ofen hervor, also wird die nächste Stufe des Merchandisings betrieben -> siehe Wakefield. Und der Vertrieb des vom Zahnarzt selbstkreierten Fencheltee nimmt seinen Lauf….

Uff, ich muss aufhören. Das Gedankenspiel bereitet mir Übelkeit unendlichen Ausmaßes. Euch auch?

Udo Endruscheit sagt:

Vielen Dank für diesen ausführlichen und fundierten Kommentar! Ja, ich kenne die Details gut, habe mich damit ausführlich beschäftigt. Auf der anderen Seite muss man sich Kommentare auf FB und woanders anhören, wo man gefragt wird, ob man die Wakefield-Studie überhaupt gelesen hätte… Wenn man dann mit Ja antwortet und mit der Gegenfrage, ob der Frager sie denn auch gelesen hätte, dazu die Untersuchungsberichte, die Statements von Lancet undsoweiter, dann wird man beschimpft…Auch die Befassung mit dem wirklichen Inhalt des Films lohnt, denn dann wird deutlich, dass es nicht um irgendeine wissenschaftliche Kontroverse geht, sondern nur darum, dass eine Verschwörungsgeschichte rund um Wakefield aufgebaut wird. Wobei die Rolle der vorgeschobenen Protagonisten völlig dunkel bleibt und im ganzen Film nicht ein einziger ausgewiesener Autismus-Experte zu Wort kommt.

Mit welcher Militanz die Proteste gegen den Film beantwortet werden, ist wirklich erschreckend und auch deprimierend. Der Gipfel des Ganzen ist ja dann noch die Verunglimpfung der Protestierenden als Faschisten, Antidemokraten, Zerstörer der Meinungsfreiheit und semikrimineller Bedroher. Man muss sich das mal vorstellen. Ich komme da einfach nicht mehr mit, welche mentale Verfassung da vorherrscht. Ich kann ja noch nachvollziehen, wenn sich jemand in eine absurde Auffassung verbeißt, aber so weit zu gehen in der Gegnerschaft wie geschehen, da endet es bei mir. Es deckt sich inzwischen 1:1 mit der Virenleugner-Fraktion um Lanka, die es so weit gebracht hat, dass Dr. David Bardens öffentlich nur noch mit Personenschutz auftritt.Zu Wakefield selbst – er hält seine Lebenslüge aufrecht. Aus seiner Sicht höchst effektiv. Natürlich hat er ideell wie materiell von der Impfgegnerszene in den USA Rückenwind bekommen, da liegt die Ursache für seinen derzeitigen Feldzug. Und darin, dass er darauf setzt, Trump, Kennedy jr. und Leute wie de Niro auf seiner Seite zu haben. Ich bin über den Begriff des Postfaktischen längst hinaus – wir sind längst beim Kontrafaktischen angekommen.

Derzeit möchte ich meinen Artikel mit dem Titel “Ich weiß es doch auch nicht…” als vorläufiges Fazit verstanden wissen. Wir werden sehen. Vielleicht geschieht ein Wunder und es kommen noch kritische Pressestimmen auf wie in England und den USA.

Das haben wir jetzt davon!

Liebe Leser und auch oft Mitstreiter, das haben wir jetzt davon.

Und damit nicht genug:

Da mich gar nichts mehr wundert, sei hierzu nur so viel gesagt:

Leute, die Demokratie und Meinungsfreiheit für sich selbst bis zum Anschlag in Anspruch nehmen, beklagen den Untergang der Demokratie, wenn jemand anderer Ansicht (nicht Meinung!) ist als sie und dies öffentlich bekundet. Und unterstellen diesen anderen ohne jeden erkennbaren Anhalt, dass sie etwa Angehörige der “Antifa” seien (was für ein hochgradiger Blödsinn, das ist nicht mal mehr lächerlich) oder zu „von der Pharmaindustrie gesponserten Autismusgruppen” gehören würden. Grotesk.

Tolzin führt in seinem „Impfkritik-Pressespiegel“ aus:

“Angebliche Antifa-Mitglieder und Autismus-Gruppen machen mobil und bedrohen offen jedes Kino, das VAXXED auf sein Programm setzt. Ihr Hauptwerkzeug sind die sozialen Medien und deren Anonymität. Da wird z. B. ein Kinobetreiber wenig subtil gefragt, ob er wirklich einen Polizeieinsatz riskieren wolle, wenn er es wagt, VAXXED zu zeigen. Oder ein angeblicher Autist, der es für Diskriminierung hält, Autismus als Krankheit zu bezeichnen, droht damit, die Bewertung des Kinos herunterzustufen und auch alle seine Kumpels zu mobilisieren.

Dass Kinos es mit der Angst zu tun bekommen, wenn sie Negativ-Werbung oder gar Randale befürchten müssen ist natürlich verständlich. […]

Für Buschmedia, einer mutigen kleinen Produktionsfirma, die VAXXED in Deutschland vermarkten will, droht das Projekt durch den Ausfall der Kinovermarktung nun zu einem Verlustgeschäft zu werden. Ob die Deutschland-Tour von Andrew Wakefield wirklich stattfinden kann, ist offen. Der Aufwand für die Kino-Akquise hat sich für vervielfacht, Geschäftspartner haben sich zurückgezogen.”

http://www.impfkritik.de/pressespiegel/2017031701.html

Aha. Das also ist Zensur und Bedrohung. In der Tat, nicht jeder Wakefield-Gegner schlägt gegenüber den in aller Regel doch sehr naiven und uninformierten Kinos immer den angemessensten Ton an. Ich vermeide dies, wie ihr wisst, und ich bin sicher, ihr auch. Wenn aber ein Kino trotz Information darüber, was es zu tun im Begriff ist, an der Vorführung festhält, dann braucht es sich auch nicht zu wundern. dass es Leute gibt, die es dann nicht mehr hoch bewerten und es womöglich auch nicht mehr besuchen – inklusive Information von Freunden und Bekannten. Ursprünglich schlechte Bewertungen des Hannoverschen Kinos wurden übrigens nach oben korrigiert, als der Film abgesetzt wurde.

Ich habe bisher keinen einzigen Beleg dafür gesehen, dass es wirklich angedrohte Gewalt gegen Sachen oder Personen bei den Kinos gegeben hat. Die Hannoversche Allgemeine hatte über “Drohungen gegen das Personal” berichtet, ist aber jede Konkretisierung schuldig geblieben. Anfragen wurden nicht beantwortet.

Ich fände es auch völlig daneben, wenn so etwas geschähe. Ich verkneife mir andererseits aber auch, mal aus einigen mir zugegangenen freundlichen Mitteilungen zu zitieren, die teilweise deutlich über das hinausgehen, was Herr Tolzin als Drohungen zu qualifizieren beliebt.

Ob ich wohl damit durchdringen kann, wenn ich die empörte Fraktion der Faktenbefreiten darauf hinweise, dass Demokratie genau aus dem öffentlichen Diskurs freier Bürger besteht?  Und dass es deshalb höchst legitim ist, ja, dringend erforderlich, einem gemeingefährlichen Mist wie Propaganda à la Wakefield / VAXXED entgegenzutreten – wenn es offizielle Stellen ebenso wenig tun wie die Presse? Die letztere versagt offenbar auf breiter Front, obwohl ein Blick über den Ärmelkanal genügen würde, um zu erkennen, was eine angemessene Rolle der Presse wäre!

Impfung ist zur Glaubenssache geworden! In der Tat, leider viel zu sehr! Aber wodurch? Durch Proteste von Skeptikern gegen “impfkritische” Desinformation? Nein!  Durch die Umtriebe der sogenannten Impfkritiker jeglicher Couleur, Wakefield und Tolzin eingeschlossen!

Meinungsfreiheit bedroht? Dazu reicht als Kommentar dieses Bildzitat des großartigen XKCD völlig aus:

Dass Kinos mit einem Griff ins Klo auch die Zuschauergunst riskieren, ist Unternehmerrisiko. Lässt sich üblicherweise durch Risikomanagement, d.h. in diesem Fall durch schlichte Vorabinformation (beispielsweise mittels der leider wenig bekannten Internet-Suchmaschine Google), vermeiden. Auch mein Mitleid mit dem Verleih (nicht Produktionsfirma) Buschmedia hält sich aus gleichen Gründen in Grenzen. Zumal auf deren Facebookseite auch noch Rechtfertigungsarien gepostet werden…

Leute, bei funktionierenden Unternehmen gibt es ein Controlling. Das bedeutet, läuft eine Investition aus dem Ruder, zieht man die Reißleine, um den Schaden zu minimieren und geht nicht mit dem Kopf durch die Wand. Schon mal davon gehört?

So, das musste schon noch sein am heutigen Abend. Trotz allem wünsche ich ein schönes Wochenende!


PS   Mein absolutes Lieblingskino in meiner Stadt, ein wirkliches Filmkunsttheater mit sagenhaftem Programm, das einzige, das ich überhaupt ab und zu noch mal besuche, hat VAXXED mit der üblichen Propaganda für den 5. April angekündigt. Das hat mich echt mitgenommen. Auch dort habe ich mit den bekannten Informationen freundlich, aber bestimmt interveniert. Käme es nicht zu einer Absetzung – ich überlege ernsthaft, ob ich in diesem Fall auf weitere Besuche dort verzichten würde.

Ich undemokratischer Antifa-Zensor, ich.


Bildnachweise: 1,2:  Screenshots / 3: Bilder und Originaltext: © 2014 by Randall Munroe; übersetzter Text © 2014 Anatol Stefanowitsch.  (http://www.sprachlog.de/2014/04/19/xkcd-meinungsfreiheit/)


Wakefield mit VAXXED schon wieder …

Liebe Blogleser,

Auch noch Werbung mit angeblicher Zensur – Gipfel der Widerwärtigkeit

einige werden es vielleicht mitbekommen haben, aber es ist noch nicht vorbei mit VAXXED in deutschen Kinos. Gestern hat ein Kino in Hannover, bei deren FB-Seite ich auch eine Nachricht hinterlassen hatte, den Film abgesetzt – wie die Ortspresse dort berichtet, wegen “Drohungen und Hasskommentaren”. Nicht aus Einsicht? Das würde ich doch sehr bedauern. Ich habe auf der FB-Seite eher viele ätzende Kommentare von Wakefield-Fans gesehen.

Das Citydome-Kino in Rosenheim erweist sich als recht hartleibig. Dort hat sich der Verein Autismus Rosenheim e.V. protestierend eingeschaltet. Bislang erfolglos.

UPDATE 10:38 Uhr: Rosenheim hat den Film abgesetzt, wie ich aus zuverlässiger Quelle höre.

Bleibt der Verleih:

Facebook-Post von BuschMedia

Des Pudels Kern ist offenbar der Verleih. Der Screenshot oben, versehen mit allerlei alternativen Fakten (zumindest relativierenden), sagt ja wohl alles. Obwohl – man hofft wohl wirklich, eine “kritische Diskussion”, gar mit Vertretern der Ständigen Impfkommission, zustande zu bringen. Echt? Ein Rest von Irrtum, der sich vielleicht bereinigen ließe?

Wer mag, möge sich dort melden! Hier nochmal ein Text, eine leichte Abwandlung und Erweiterung unseres früheren Textes:


Sehr geehrte Damen und Herren,

sind Sie sich wirklich klar darüber, was Sie tun, indem sie Mr Wakefield und seinen Film VAXXED promoten? Die Wakefield-Kamarilla, die kürzlich aus dem EU-Parlament flog, wo sie sich einen Abglanz politischer “Anerkennung” erhoffte? Die in ganz Großbritannien kein Kino fand, sich auf dem Umweg über einen Rahmenmietvertrag einer Hömoopathie-Schule sich Einlass in Räume einer Privatuni erschlich, was den Homöopathen dort eine fristlose Kündigung einbrachte?

Mr. Wakefield hat 1998 in Großbritannien eine angebliche Studie veröffentlicht, mit der -bis heute unausrottbar- ein Zusammenhang von Impfungen (insbesondere der MMR-Mehrfachimpfung) mit dem Entstehen von Autismus postuliert wurde. Es ist jedoch aufgedeckt worden, dass diese „Studie“ auf gefälschten Daten beruhte, die Krankheitsgeschichten der betroffenen Kinder falsch bzw. nicht vollständig reportierte und dass Mr. Wakefield von interessierter Seite einen Judaslohn von 55.000 britischen Pfund für seine manipulative Veröffentlichung erhalten hat – von Anwälten, denen seine Untersuchungen bei geplanten Prozessen gegen Impfmittelhersteller gerade so in den Kram passten. Das Fachblatt „Lancet“ zog die Veröffentlichung zurück – ein bis dahin nie dagewesener Vorgang. Die britische Gesundheitsbehörde führte eine Untersuchung durch, in deren Folge sie ein Strafverfahren gegen Mr. Wakefield wegen Betruges initiierte. Wakefield kam einer öffentlichen Verhandlung mit der Anerkennung des Klagevorwurfs zuvor.

In Großbritannien erhielt Wakefield daraufhin Berufsverbot. Er siedelte mit seiner Familie in die USA über und fand dort schnell Verankerung in der dortigen, zum Teil finanziell bestens ausgestatteten Impfgegnerszene. Dort hat er auch den jetzigen Präsidenten Trump kennengelernt, auf dessen Inaugurationsfeier er gesichtet worden ist. Was einen Sturm der Entrüstung in der Medizinergemeinschaft der USA auslöste.

Mit seinem VAXXED-Film betreibt Mr. Wakefield nach wie vor Propaganda in der Sache, die seine wissenschaftliche Karriere abrupt beendet hatte. Es handelt sich hier um ein Machwerk, von dem Prof. Gorski von der Wayne State University School of Medicine, Michigan, sagte: „Die Propaganda dieses Films ist so krass, dass Leni Riefenstahl erröten würde“.

Wakefield hat im vorigen Jahr versucht, seinen Film bei dem von Robert de Niro mitveranstalteten renommierten Tribeca-Festival in den USA aufführen zu lassen. Auch hier haben massive Proteste aus der medizinischen Szene dies verhindert. Aus gutem Grund. Es geht nämlich nicht um einen wissenschaftlichen Diskurs, um Meinungsfreiheit erst recht nicht.

Wakefields Propaganda ist gemeingefährlich. Die Impfgegnerschaft ist eine leider zunehmende irrationale Bewegung, die die eindeutigen medizinischen Fakten über diese wohl erfolgreichste medizinische Methode aller Zeiten leugnet, verdreht und mit Lügenmärchen versieht. Die Propaganda Wakefields dürfte ganz konkret eine Menge Fälle von impfpräventablen Krankheiten auf dem Gewissen haben. Vor allem ist es aber eine Schande und völlig unverzeihlich, die Eltern von autistischen Kindern zu allen Belastungen, die sie ohnehin schon haben, nachhaltig zum Thema Impfungen auch noch verunsichert zu haben. Auf dieser Welle reitet weiterhin der VAXXED-Film. Besonders perfide ist ja, dass nicht die Betroffenen selbst -die Kinder- Ziel der Propaganda sind, sondern die sich sorgenden Eltern, die ohne Zweifel sich den Kopf darüber zerbrechen, was das Beste für ihr Kind ist.

Was die wissenschaftliche Aufarbeitung der Impfen-Autismus-Legende angeht: Es wurde längst intensiv geforscht. Es gibt hierzu auch keine „öffentliche Debatte“, wie Ihr Ankündigungstext zum Film suggeriert. Die hätte Wakefield wohl gern, damit ist er aber längst gescheitert. Die Cochrane Collaboration, eine international tätige, nun wirklich unabhängige Institution zur Bewertung medizinisch-wissenschaftlicher Ergebnisse, hat sich mit immerhin 31 Forschungsarbeiten befasst, die sich mit einem möglichen Zusammenhang zwischen Autismus und Impfungen befassten. Ergebnis eindeutig: Diesen Zusammenhang gibt es nicht. Überzeugen Sie sich selbst:

Cochrane schreibt:
„Results from two very large case series studies involving about 1,500,000 children who were given the MMR vaccine … […] We could assess no significant association between MMR immunisation and the following conditions: autism, asthma, leukaemia, hay fever, type 1 diabetes, gait disturbance, Crohn’s disease, demyelinating diseases, or bacterial or viral infections.“
((http://www.cochrane.org/CD004407/ARI_using-combined-vaccine-protection-children-against-measles-mumps-and-rubella)

Der Film VAXXED gehört zum Unethischsten und Gefährlichsten, was in einem Kino überhaupt gezeigt werden kann. Ich bitte Sie ebenso herzlich wie dringend, aufgrund der vorstehenden Informationen noch einmal sehr gründlich zu überdenken, ob Sie dem Film und seinem „Regisseur“ (so nennt er sich, seitdem er die ärztliche Berufsbezeichnung nicht mehr führen darf) wirklich ein Forum geben wollen. Es ist völlig verfehlt, Wakefield auch noch als verfolgte Unschuld darzustellen. – zu leugnen, er sei ein Impfgegner, ist lächerlich.

Zu dem Film und zu Wakefield möchte ich noch auf die folgenden Links -u.a. bei der London Times und der NY Times- hinweisen:

https://en.wikipedia.org/wiki/Vaxxed

http://www.thetimes.co.uk/…/vaxxed-the-ultimate-vaccine-con…

https://www.nytimes.com/topic/person/andrew-wakefield


Geht’s noch? Mal wieder Katastrophen der Woche

Bildnachweis: Fotolia_100202090_XS

Ehrlich gesagt, ich weiß kaum, wo ich anfangen soll bei all dem irrealen Zeug, das derzeit so auf einen einprasselt. Deshalb heute mal wieder ein Überblick mit den Linkhits des Tages – zum Lesen und Staunen.

Krankenkassen zur Homöopathie

Man könnte glauben, die Krankenkassen würden anfangen, sich bezüglich ungehemmter Werbung für und Falschinformationen zur Homöopathie absprechen. Um nicht gleich wieder eine ganze Handvoll von Links anzubieten, hier ein Beitrag des geschätzten Joseph Kuhn bei den scienceblogs, der sich mit den aktuellen Unfassbarkeiten bei der DAK beschäftigt. Weiter unten dort mein Kommentar, der das Thema noch ein wenig weiter ausdehnt.


Homöopathie im Kuhstall

Der BR leistet sich mal wieder einen redaktionellen Beitrag, der sich ausgerechnet des unsäglichen Themas der Tierhomöopathie im Nutztierbereich annimmt. Dazu habe ich mich ja früher schon klar positioniert. Bitte festhalten beim Lesen, die Kommentare darunter machen allerdings auch wieder ein wenig Mut.


Impfen ist pöhse und gefehrlich

Wer den Knaller hier (Link erloschen, kann ich verstehen, aber der nachstehende Link zum Interview mit Prof. Stadler sagt alles) noch nicht kennt, der kann mal zur Kenntnis nehmen, dass es die Toggenburger Zeitung gibt. Perlen des Lokaljournalismus.

Alles, was dazu zu sagen ist, hat der immer wieder beliebte Prof. Beda Stadler in diesem Interview kurz und knapp zusammengefasst.


Alternative Notfallmedizin: Wie man einen Herzinfarktpatienten noch vor Eintreffen des Rettungsdienstes umbringt

Ja. Vielleicht der Knaller des Tages überhaupt. Ich stieß auf diesen wahnwitzigen Beitrag auf der bekannt schrägen Seite “Bewusst vegan froh” und kommentierte bei FB dazu:

Warum, ratet mal, habe ich wohl hier statt eines Links ein Bild gepostet? Richtig. Weil sowohl mein Kommentar (nicht nur meiner) gelöscht ist als auch ich auf der Seite gesperrt wurde. Nicht nur ich. Alle anderen kritischen Kommentare sind auch verschwunden.

Wenn jemand Lust hat… Bei FB einfach nach “Bewusst vegan froh” suchen. Übrigens bin ich gespannt, die Seite wurde wegen Verbreitens von (gemeingefährlichen) Falschaussagen gemeldet.

Noch einer?


Heilpraktiker in Brüggen-Bracht (wir erinnern uns – Todesfälle)

Die Staatsanwaltschaft und die Polizei stehen auf dem Schlauch bei den Ermittlungen. Und warum? Ganz einfach. Weil sie merken, dass sie einer Situation gegenüber stehen, die nach dem Motto “erlaubt ist, was nicht verboten ist” beurteilt werden muss.
Jeder approbierte Mediziner wäre längst aus dem Verkehr gezogen und stünde vermutlich vor Gericht, wenn er -wie der HP hier- eigenmächtig ein Mittel verwendet hätte, das nicht nur nicht zugelassen ist, sondern noch nicht einmal die B-Phase der Testung durchlaufen hat. Die Kausalität zum Tod der PatientInnen wäre da erstmal nachrangig.

Und die Politik kapiert es einfach nicht. Es geht nicht in die Köpfe. Man kann es immer wieder erklären, man kann im Einzelfall mal aufgerissene Augen und ungläubiges Staunen über die Fakten zum Heilpraktikerwesen sehen – aber politisch bewegt sich gar nichts.


Und aktuell:

Kennedys und de Niros 100.000-Dollar-Schwachsinn

Das Forbes-Magazin benennt Kennedy schon Anwärter für die Auslobung. Mit den Erfahrungen von Dr. David Bardens im Lanka-Fall bin ich persönlich eher der Meinung, mal sollte ihnen erklären, warum ihre Auslobung bescheuert ist und es dabei belassen. Die warten doch -genau wie Lanka- nur auf die Möglichkeit, ein Feuerwerk zu entfachen, sofern jemand auf sie ernsthaft eingeht. Deshalb habe ich dort kommentiert:

“Kennedy and de Niro will have their own definition of “safe”. I guess, they would not accept medical statistics.

Otherwise, a look at Cochrane reviews would suffice, for example:
Cochrane (http://www.cochrane.org/…/ARI_using-combined-vaccine…) writes:
„Results from two very large case series studies involving about 1,500,000 children who were given the MMR vaccine containing Urabe or Leningrad-Zagreb strains show this vaccine to be associated with aseptic meningitis; whereas administration of the vaccine containing Moraten, Jeryl Lynn, Wistar RA, RIT 4385 strains is associated with febrile convulsion in children aged below five years (one person-time cohort study, 537,171 participants; two self controlled case series studies, 1001 participants). The MMR vaccine could also be associated with idiopathic thrombocytopaenic purpura (two case-controls, 2450 participants, one self controlled case series, 63 participants).We could assess no significant association between MMR immunisation and the following conditions: autism, asthma, leukaemia, hay fever, type 1 diabetes, gait disturbance, Crohn’s disease, demyelinating diseases, or bacterial or viral infections.“ …

Best to handle Kennedys and de Niros offer: Don’t feed the troll.”


Kennedy und die evidenzbasierte Forschung

Für Kennedy zählt nicht zur Wissenschaft, was das CDC (Center for Disease Control and Prevention) und das NIH (National Institutes of Health) sagen, sondern nur, was auf PubMed steht. Auch nicht, was der Doktor sagt. Aha.

Nun, erstens steht auf PubMed nicht alles, was es so gibt, denn PubMed ist schlicht nicht die einzige Forschungsdatenbank. Zweitens dient PubMed der Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse, die dann zur Falsifizierung und ggf. für Metastudien oder zusammenfassende Reviews zur Verfügung stehen und ihre Evidenz erst einmal genau dadurch beweisen müssen. Da gerät auch Zweifelhaftes dazwischen. Es gibt so einige Schrottstudien auf PubMed, die mit Verachtung gestraft werden (mir fällt da gerade so eine Homöopathen-Studie über Nanopartikel in Hochpotenzen ein, die deshalb drin sind, weil sie sich bei den Potenzierungen alle an der Oberfläche sammeln und sich aneinander festhalten).

Merke: PubMed ist nicht das gesammelte und gesicherte medizinische Wissen der Welt, was Mr Kennedy fest zu glauben scheint.

Und was Mr Kennedy völlig übersieht: Bei PubMed erscheinen die CDC 55.000 mal und das NIH 115.000 mal. Wie sollte es auch anders sein. Beide Institutionen veröffentlichen jede Menge ihrer Studien und Reviews auf PubMed.

Tja, Mr Kennedy. Von einem amerikanischen Staranwalt hätte ich nun doch nicht erwartet, dass er sich eine derartige Blöße gibt. Und von der Cochrane Collaboration hat er noch nie was gehört, nehme ich an.

Kein weiterer Kommentar.

Für Impfgegner

Link dazu

Auch an anderen Stellen veröffentlicht:
Robert Kennedy jr. und Robert de Niro loben 100.000 Dollar für den aus, der die Unschädlichkeit von thiomersalhaltigen Impfstoffen bei Kindern und Schwangeren nachweist.

Dumm, perfide oder beides? Hier kommt die klassische dumm-hinterlistige Forderung um die Ecke, etwas Nichtvorhandenes beweisen zu sollen. Wieder mal wird eine Schleimspur gelegt, die zu einer Win-Win-Situation für die Impfgegner führen soll. Wie soll man die Nichtschädlichkeit beweisen, wenn eh klar ist, dass medizinstatistische Daten diese Herrschaften nicht beeindrucken werden? Und dann auch noch der Spezialfall von thiomersalhaltigen Impfungen (gibt es fast nicht mehr) bei Schwangeren und Kindern? Wie soll das denn gehen?

Was die Herrschaften oder vielleicht auch nur ihre Hintermänner wissen: Gar nicht. Sie werden, wenn jemand so verrückt ist, hierauf einzugehen, sich der Methode Lanka bedienen: Mit nichts zufrieden sein. Was ja aufgrund der Fragestellung, die nach dem Beweis von etwas Nichtvorhandenem fragt, auch naheliegt. Denn das ist keine epistemologische Kategorie, die Nichtbeweisung ist a priori ein praktisch unlösbares Problem, weshalb man es auch gar nicht erst aufwirft. Unter Leuten, die das verstanden haben. Oder es legt überhaupt niemand etwas vor, weil man sich nicht auch noch intellektuell selbst beleidigen will.

Folge in beiden Fällen: Es wird messerscharf gefolgert, dass niemand die Unschädlichkeit von thiomersalhaltigen Impfungen bei Schwangeren und Kindern belegen kann. Und daraus wird triumphal abgeleitet, dass thiomersalhaltige Impfungen bei Schwangeren und Kleinkindern schädlich sind.


Um nun doch noch etwas zur Sache „Thomersal“ beizutragen:

Thiomersal wurde als Konservierungsstoff in Impfungen schon seit Ende der 1930er Jahre verwendet, damals auch -technisch bedingt- in weitaus höheren Dosen als zur letzten Zeit der Anwendung. Niemals sind deshalb Nebenwirkungen spezifisch berichtet worden. Vorher waren in den Impfdosen übrigens Petroleumverbindungen (!) drin. 

Bis ca 1990 waren Röteln-Immunglobuline in Verkehr, um Rötelnembryopathien nach Kontakt bei Schwangeren ohne Rötelnimmunität zu vermeiden. Da wurden lt Fachinfo bis 40 ml in den M glutaeus injiziert, evtl sogar mehrmals. Nur waren die meisten dieser Immunglobuline mit Thiomersal 0,01% konserviert.

Schäden beim Fötus: keine bekannt.

Keine Frage, die Zerfallsprodukte Ethylquecksilberchlorid und Thiosalicylsäure haben ein hohes Sensibilisierungspotenzial. Da in jeder Fachinfo steht: Kontraindiziert bei Sensibilisierung gegen einen Inhaltsstoff.
Thiomersal war in vielen Infundibilia mit > 20 ml (zB Immunglobuline) enthalten, obwohl damals bereits lt Europäischem Arzneibuch untersagt. In einem Anti-thymozytenglobulin eines internationalen Konzerns war es sogar undeklariert enthalten (1988) und man ist damit bis an die akute (irreversible) Toxizitätsgrenze gegangen. Dieses Produkt wurde dann vom Markt genommen.
Quecksilberorganische Verbindungen waren bis in die 90er Jahre z.B: in Flächendesinfektionsmitteln enthalten. Nicht zu vergessen die Saatgutbeizmittel,da gabs Massenvergiftungen mit vielen Toten im Irak in den 70ern.

Thiomersal ist leider in Kontaktlinsenwaschflüssigkeiten und auch in Kosmetika heute noch enthalten. Sensibilisierung sieht man dann an den roten Augen und an „diese Kosmetika sind nicht für meinen Typ geeignet“.

Nur: die geringen, schon sehr lange nicht mehr aktuellen Mengen von Theomersal in Impfstoffen werden lautstark thematisiert. Der Rest – allenfalls in Fachkreisen …

(Danke für Hinweise an Kommentator WolfgangM)


Hiermit lobe ich demjenigen, der mir den wissenschaftlichen Beweis dafür erbringt, dass Robert Kennedy jr. und Robert de Niro keine Idioten sind, 100 Euro und einen Bund Bio-Knoblauch aus. Und wehe, keiner gewinnt die Auslobung hier! Dann steht nämlich klar fest, dass Robert Kennedy jr. und Robert de Niro ….

Genau.


Bildnachweis: Screenshot Buzzfeed

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