… wie man mit der VAXXED-Geschichte noch umgehen soll.

Der Verleih, Buschmedia, ist voll in der Offensive, was die Verbreitung von Wakefields Machwerk angeht. Das Ganze wird massiv orchestriert von Jammern und Klagen der unschuldig verfolgten Impfgegner. Garniert zunehmend mit dem Vorwurf, die bösen Impfbefürworter würden zu nackter Gewalt greifen, um die Wahrheit und die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.
Man stelle sich das bitte vor: In den angelsächsischen Ländern und einigen mehr ist Wakefields Film weitgehend als das entlarvt, als was er ist: Ein manipulatives Machwerk der allerschlimmsten Sorte, der die Schuld, die Wakefield schon lange wegen der Verunsicherung von Eltern auf sich geladen hat, noch einmal vervielfacht. Eine öffentliche Debatte unter Beteiligung der Presse hat zu dieser öffentlichen Wahrnehmung geführt. Vor kurzem ist es gelungen, diesen Schmutz aus dem Europaparlament herauszuhalten. Und hier, bei uns in Deutschland?
Könnte es kaum besser laufen für Wakefield. Der Verleih zieht die Sache durch. Die “Unterstützung” der “Presse” besteht bislang vor allem darin, dass über die angebliche Gewaltbereitschaft und Militanz der Gegner des Films berichtet wurde – unter anderem von einer so seriösen Publikation wie Epochtimes, auf die sich der Facebook-Auftritt von VAXXED ausdrücklich bezieht. Wer solche Verbündeten hat… naja. Selbst auf dem offiziellen Hauptstadt-Portal Berlin.de (Link erloschen) wird die übliche Propaganda weiterverbreitet. Es scheint sich auch niemand daran zu stören, dass semiprofessionelle Impfgegner wie Hans Tolzin sich für den Film stark machen.
Wo ist die kritische Presse? Ach, ich vergaß: Oberste journalistische Tugend ist ja bei uns bekanntlich die Ausgewogenheit. Eine Parteinahme kann man ja wohl nicht mehr erwarten.
Herrscht Unwissenheit? Völlige Gleichgültigkeit? Falsches Verständnis von Toleranz und Meinungsfreiheit? Muss es ein paar Leuten aus der Zivilgesellschaft überlassen bleiben, gegen diesen Wahnsinn zu protestieren? Ich weiß es auch nicht. Wirklich nicht.
Im Netz findet man dann Texte wie diesen:
Bedrohung von Kinos, die impfkritischen Film VAXXED ausstrahlen wollen
Die geplante Deutschland-Tournee des impfkritischen US-Filmes “VAXXED” über den Zusammenhang von Impfungen und Autismus wird gerade von teilweise gewaltbereiten, fanatischen Impfbefürwortern (Antifa?!) sabotiert und angegriffen. Kinobetreiber werden aggressiv unter Druck gesetzt und quasi mit öffentlichem und (a)sozialem Druck gezwungen, die Ausstrahlung des Filmes abzusetzen. Leider mit beträchtlichem Erfolg. Mit Hatespeech, Hetze und sogar Gewaltandrohung (!) wird die Verbreitung von Informationen, die gegen die vorherrschende Impf-Meinung sprechen unterbunden. WARUM? Wovor haben die eigentlich Angst? Und woran erinnert mich das bloß? Sind das die Vorboten eines Impfzwanges in Deutschland? […]
Man kann beobachten, dass die Gegner der Filmausstrahlung sich nicht mit den Fakten auseinander setzen, sondern eine emotionale (pogromartige) Stimmung erzeugen, die es Impfskeptikern unmöglich machen, sachlich ihre Stimme zu erheben und ihre Interessen zu vertreten. Neben den Forschungen von Dr. Wakefield gibt es sage und schreibe 130 Publikationen (Liste), die die These über den Zusammenhang der MMR-Impfung und Autismus ebenso unterstützen. Das wird geflissentlich ignoriert. Man muss sich mittlerweile ja schon fast fürchten, sich für ‘Impffreiheit’ einzusetzen. Wo wird das enden? […]
Nicht nur Hans Tolzin und andere Impfkritiker, jeder anständige Bürger, sollte sich gegen diese Einschüchterungen wehren. Lasst uns Solidarität und Unterstützung zeigen. Komme wer kann zur Ausstrahlung des Filmes nach Essen und demonstriere Geschlossenheit gegen diesen subtilen, sozialen Druck. Ich werde auch dort sein. Leider bestätigen sich die schlimmen Befürchtungen, dass der Druck auf nicht impfen wollende Menschen steigt. Doch dass es so schnell so krass wird, hätte selbst ich nicht geglaubt. […]
Meines Erachtens zeigt es diese Entwicklung immer deutlicher: Schützt Euch und Eure Kinder zumindest mit einer persönlichen Strategie gegen zukünftiges Mobbing und Ausgrenzung.
Die Verschiebung der Wahrnehmung macht beinahe fassungslos. Dem habe ich nur noch eines hinzuzufügen: In meinem Briefkasten (im physischen) fanden sich in den letzten Tagen zwei sehr unangenehme “Botschaften”, die die Toleranz und Gesprächsbereitschaft der Wakefield-Fraktion sehr eindeutig unter Beweis stellten. Noch heute habe ich einen Telefonanruf erhalten, der nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließ.
All das lesen und erleben wir, während überall in der Welt – zuletzt in Rumänien – immer größer werdende Herde an Masernerkrankungen auftreten. Es ist eine Frage der Zeit, bis wir eine ordentliche epidemische Ausbreitung haben. Zudem wird über Todesfälle durch Keuchhusten und durch Tetanie berichtet. Und der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission weist darauf hin, dass Deutschland inzwischen das europäische Schlusslicht bei der Maserndurchimpfung ist.
Angesichts dessen ist nicht nur die Verbreitung des Films, sondern auch die Aktivität der Propagandisten geradezu pervers.
Ach ja, bevor ich es vergesse: VAXXED macht geltend, es sei überhaupt kein Impfgegnerfilm. Im Gegenteil, Wakefield propagiere ja die Impfung, eben nur nicht den Mehrfachimpfstoff. Ein “Argument”, das auch in den USA schon in der Luft zerrissen worden ist. Gut, dann ist er eben kein “Impfgegnerfilm” – an der Verbreitung nachweislicher Unwahrheiten mit dem subtilen Ziel, Eltern – vor allem Eltern autistischer Kinder, die schon verunsichert genug sind – endgültig zu verunsichern. Und nebenbei die Frage: Wenn Wakefield kein Impfgegner ist, weshalb tritt er dann auf Tolzins Impfgegnersymposion als Ehrengast auf?
Leute, wo sind wir nur hingekommen. Mir ist schon klar, dass viele Menschen inzwischen ernsthaft den “Argumenten” von Wakefield und Co. “glauben”, warum auch immer, ungeachtet der Informationsmöglichkeiten, die jedermann offenstehen. Sei es drum – oder auch nicht. Aber hier noch eine kommerzielle Veranstaltung aus dieser Unsäglichkeit zu machen, keinerlei kritische Reflexion zu zeigen und dann auch noch militant und verleumderisch auf diejenigen zu reagieren, die sich dem grassierenden Wahnsinn entgegenstellen – das lässt mich schon einigermaßen verzweifeln. Ich nehme für mich selbst zudem in Anspruch, hart in der Sache zu sein, aber weder jemand persönlich anzugreifen noch zu diffamieren oder gar zu bedrohen. Niemals!
Ich erlaube mir einmal abschließend ein Zitat des hellsichtigen Heinrich Heine:
Das ist schön bei den Deutschen: Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren fände, der ihn versteht.
Bildnachweis: @sixxtopia / Frantz Fanon
Aus den Kommentaren
sternenmond75 sagt:
Lieber Udo,
ich war privat ein wenig versackt (die liebe Familie…) und bin geschockt, dass Du offenbar jetzt schon telefonisch von Wakefield-Befürworter belästigt (bedroht?) wirst. Das verbuchen solche Leute wohl auch unter Meinungsfreiheit….
However: das Bild ist perfekt gewählt, inhaltlich kann man nur immer wieder gebetsmühlenartig alle Fakten, die ja eindeutig auf UNSERER Seite sind, wiederholen.
Allerdings fuchst mich das ganze mittlerweile dermaßen, dass ich mich versucht habe, in die Untiefen zu stürzen. In der Hoffnung, alles richtig zusammenzubekommen (ansonsten gerne eingreifen), gehe ich zurück zur Wurzel allen Übels, also zu den Anfängen von Mr. Wakefield, der ja offenbar völlig uneigennützig agiert:
Wie hat der Ausschuss GMC (General Medical Council) nach dem Lancet-Skandal an Tag 197 so schön im Protokoll festgehalten (alles verlinkt/zu finden unter http://www.casewatch.org/foreign/wakefield/sanction.shtml):
„He admitted that around June 1997 Dr Wakefield filed for a patent with the Patent Office. He was one of the inventors for a vaccine for the elimination of measles virus and for the treatment of IBD. His involvement in the MMR litigation, receipt of funding for part of the Project 172-96 and involvement in the patent constituted a disclosable interest which could have given rise to a legitimate perception of a conflict of interest which he did not disclose to the editor of the Lancet.“ SOSO!
By the way: Das GMC hat unter anderem die Funktion „Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass ein Arzt die Sicherheit der Patienten oder das Vertrauen der Öffentlichkeit in Ärzte gefährdet.“ Hat es, in dem Wakefield die Approbation entzogen wurde. Applaus! Über 2 elende Jahre hatte das Anhörungsverfahren mit über 200 Anhörungstagen gedauert. Soll sich einer beschweren, man hätte hier leichtfertig und zu schnell entschieden, Wakefield Berufsverbot zu erteilen. Alleine die Berichte, wie oft die Kinder mit unnötigen Lumbalpunktionen gequält wurden sollten eifrige Anti-Vaxxer sich einmal einverleiben.
Und was in diesem Zusammenhang immer wieder GERN vergessen wird. Wakefield ist, naja WAR Arzt der Gastroentrologie. Die verzweifelten Versuche MMR mit Autismus zu verknüpfen sind doch schon seit Jahrzehnten der vorgeschobene Grund. Er kommt ja bei seinen biomedizinischen Ansätzen zur Autismustherapie auch immer auf irgendwelche Darmerkrankungen. Das WAR ja auch der Titel der Studie „Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children”. Siehe The Lancet:
http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(97)11096-0/abstract
Hat sich irgendein eifriger Anti-Vaxxer das ganze Mal angeschaut? Der fast schon nebensächlich anmutende Bezug auf Autismus wird so formuliert, dass er KEINESFALLS als „gesichert“ gilt. Der Fokus lag eindeutig auf den Darmerkrankungen, aber noch so ausreichend, dass die Sponsoren-Anwälte ihr vermeintliches Futter für die herbeigesehnte Klage gehabt hätten.
Wie man das so derartig drehen kann, dass Autismus ist interessant und vermutlich auch durch die damaligen klagewilligen Eltern zu begründen, die einen Schuldigen für die Autismusdiagnose ihrer Kinder finden wollten. Aber ganz so uneigennützig ist Wakefield nicht gewesen, denn im Prinzip läuft es also darauf hinaus, dass die MMR-Impfung in seinen Augen zu Darmproblemen führt. Klingt nicht so „schick“, daher die Finanzspritzen-Autismus-Krücke (wahlweise noch in Kombination mit ADHS/ADS- um es noch reißerischer zu gestalten).
Herrgott, fällt DAS denn KEINEM auf? Wakefield ist KEIN Neurologe, KEIN Psychologe, KEIN Psychiater, KEIN Neurochirurg, KEIN Kinderarzt, sondern vom Background her Gastroenterologe.
Und zwar einer, der unterm Strich tatsächlich kein Impfgegner zu sein schein – Obacht, jetzt kommt’s – sondern nur ein vermeintlicher Gegner der 3-fach MMR-Impfung. Sein Impfstoff ist aber nur ein Einzelimpfstoff gegen Masern. Wo alle Welt aber einen dreifachen Impfstoff gegen Mumps, Masern und Röteln (MMR) benutzt, hätte er seinen einfachen Impfstoff nie in den Markt bringen können. Deswegen hat Wakefield mutmaßlich den Dreifachimpfstoff verteufelt und alles darangesetzt, ihn durch angebliche wissenschaftliche Beweise zu diskreditieren. Das sollte man mal sacken lassen, was? Vermutlich ist aber die Umsatzquelle durch Impfgegner mittlerweile viel lukrativer als irgendwann darauf zu hoffen, dass sich ein Einzelimpfstoff gegenüber einem kombinierten Impfstoff etabliert.
Würde jemand mit Hirn und Verstand einen Zahnarzt glauben, der eine neue Studie herausbringt, die angeblich zufällig „nebenbei“ beweisen würde, dass der Genuss von Babyfencheltee der sichere Weg zur Dialyse (Nierenschaden) wäre? Vielleicht hätte er einen Grund, an Kinderfencheltee etwas auszusetzen, z.B. dass einige Hersteller die Produkte süßen und somit die Wahrscheinlichkeit von späteren Zahnschäden steigt. Aber das lockt keinen hinter dem Ofen hervor, also wird die nächste Stufe des Merchandisings betrieben -> siehe Wakefield. Und der Vertrieb des vom Zahnarzt selbstkreierten Fencheltee nimmt seinen Lauf….
Uff, ich muss aufhören. Das Gedankenspiel bereitet mir Übelkeit unendlichen Ausmaßes. Euch auch?
Udo Endruscheit sagt:
Vielen Dank für diesen ausführlichen und fundierten Kommentar! Ja, ich kenne die Details gut, habe mich damit ausführlich beschäftigt. Auf der anderen Seite muss man sich Kommentare auf FB und woanders anhören, wo man gefragt wird, ob man die Wakefield-Studie überhaupt gelesen hätte… Wenn man dann mit Ja antwortet und mit der Gegenfrage, ob der Frager sie denn auch gelesen hätte, dazu die Untersuchungsberichte, die Statements von Lancet undsoweiter, dann wird man beschimpft…Auch die Befassung mit dem wirklichen Inhalt des Films lohnt, denn dann wird deutlich, dass es nicht um irgendeine wissenschaftliche Kontroverse geht, sondern nur darum, dass eine Verschwörungsgeschichte rund um Wakefield aufgebaut wird. Wobei die Rolle der vorgeschobenen Protagonisten völlig dunkel bleibt und im ganzen Film nicht ein einziger ausgewiesener Autismus-Experte zu Wort kommt.
Mit welcher Militanz die Proteste gegen den Film beantwortet werden, ist wirklich erschreckend und auch deprimierend. Der Gipfel des Ganzen ist ja dann noch die Verunglimpfung der Protestierenden als Faschisten, Antidemokraten, Zerstörer der Meinungsfreiheit und semikrimineller Bedroher. Man muss sich das mal vorstellen. Ich komme da einfach nicht mehr mit, welche mentale Verfassung da vorherrscht. Ich kann ja noch nachvollziehen, wenn sich jemand in eine absurde Auffassung verbeißt, aber so weit zu gehen in der Gegnerschaft wie geschehen, da endet es bei mir. Es deckt sich inzwischen 1:1 mit der Virenleugner-Fraktion um Lanka, die es so weit gebracht hat, dass Dr. David Bardens öffentlich nur noch mit Personenschutz auftritt.Zu Wakefield selbst – er hält seine Lebenslüge aufrecht. Aus seiner Sicht höchst effektiv. Natürlich hat er ideell wie materiell von der Impfgegnerszene in den USA Rückenwind bekommen, da liegt die Ursache für seinen derzeitigen Feldzug. Und darin, dass er darauf setzt, Trump, Kennedy jr. und Leute wie de Niro auf seiner Seite zu haben. Ich bin über den Begriff des Postfaktischen längst hinaus – wir sind längst beim Kontrafaktischen angekommen.
Derzeit möchte ich meinen Artikel mit dem Titel “Ich weiß es doch auch nicht…” als vorläufiges Fazit verstanden wissen. Wir werden sehen. Vielleicht geschieht ein Wunder und es kommen noch kritische Pressestimmen auf wie in England und den USA.
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