Es ist mir schon länger ein Anliegen, meinen Leserinnen und Lesern gelegentlich Einblicke in die homöopathische Forschung zu ermöglichen. Schließlich ist es wichtig, einmal etwas von der wissenschaftlichen Luft zu schnuppern, die uns aus der weltweiten Forschergemeinde der Homöopathen entgegenweht. Keine Angst, alles bleibt einfach und verständlich – weil es im Kern einfach und verständlich ist. Ich möchte auch deutlich machen, wie und wo in Behauptungen und Nachrichten die Schwachstellen auszumachen sind.

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Heute beginnen wir mit einem Ausblick in die Zukunft, mit der Nachricht, dass in Indien Forschungsgelder für die homöopathische Krebsforschung bereitgestellt wurden. Was quer durch die indischen Medien ging, begleitet von Lobpreis. Da wir ja gerade so viel Besuch aus Indien beim Homöopathie-Kongress in Sachsen haben, finde ich das recht passend. Die Meldung auf der indischen Nachrichtenplattform DNA (Daily News & Analysis), übernommen aus dem unerschöpflichen Linkvorrat von HomoeopathyPlus, besagt:

“Das dem Noida-Institut angeschlossene NIPCR (Nationales Institut für Krebsvorsorge und Forschung) hat staatliche Mittel erhalten, um eine Untersuchung zu bestimmten homöopathischen Medikamenten zur Behandlung von Krebs durchzuführen. Das Institut hat das Projekt einem Professor für Zellbiologie übertragen, der verschiedene homöopathische Behandlungen zur Krebsheilung systematisch testen soll.

‘Wir haben auch bisher schon bewährte homöopathische Arzneimittel an Krebspatienten verschrieben, die alternative Medikamente probieren möchten oder sich in einem Stadium befinden, in dem sie chemische Mittel nicht mehr einnehmen können’, sagt Doktor RK Manchanda, Generaldirektor, Zentralrat für Forschung in der Homöopathie (CCMR). ‘Die Idee ist, mittels molekularer Forschung bei bestimmten homöopathischen Medikamenten festzustellen, wie effektiv sie bei der Behandlung von Krebs sein können’, sagte sie.

Als Teil seiner Forschung wird das Institut eine Patienten-Außenstelle am Dr. DP Rastogi Central Research Institut für Homöopathie, Noida, für das Screening von Krebspatienten einrichten. Die Patienten werden gefragt, ob sie bereit sind, homöopathische Medikamente zusammen mit anderen Mitteln zu versuchen.

Was ich vom Einsatz homöopathischer Mittel speziell bei Krebs halte, brauche ich nicht näher zu erläutern.  Nicht satisfaktionsfähig.  Beschäftigen wir uns mit den entscheidenden Stichworten:

  • Ein Professor für Zellbiologie befasst sich mit homöopathischen Wirkungen? Das ist immerhin ein Fachgebiet, das der Homöopathie hochkritisch, ja zwangsläufig ablehnend gegenüberstehen müsste! Ein Zellbiologe muss sich doch darüber klar sein, dass selbst in Niedrigpotenzen mit Restwirkstoffen keine Substanz mehr enthalten ist, die für eine Zellantwort ausreicht, die eine biologische Reaktion über Effektorsysteme im Körper auslösen kann! Etwas schwierig unter diesen Umständen, molekulare Forschung zu betreiben. Stichwort Dosis-Wirkungs-Beziehung. Zumal die indischen Homöopathen durchweg mit Hochpotenzen arbeiten, da sie von dem Hahnemannschen Postulat der zunehmenden Wirkung durch Potenzierung fest überzeugt sind. Auf die Ergebnisse dieser Art von Grundlagenforschung darf man gespannt sein, das primäre Problem wird vermutlich sein, überhaupt Moleküle zu finden.
  • Es gibt bewährte homöopathische Arzneimittel für die Krebsbehandlung? Kann mir mal eben jemand den Namen des Nobelpreisträgers dafür nennen, der muss mir entfallen sein? Oder wenigstens die Fundstelle für die reproduzierten Forschungsergebnisse?
  • Chemische Mittel. Wieder die völlig unsachliche und vor allem unwissenschaftliche Unterscheidung von “Chemie” und “wir sind von der Nicht-Chemie-Fraktion”. Von wissenschaftlich ausgebildeten Menschen. Naja, tätig beim Zentralrat für Forschung in der Homöopathie. Trotzdem: Was für eine unsägliche laienhafte Aussage, die nicht auf eine Unvoreingenommenheit bei der anstehenden “Forschung” schließen lässt. Und eigentlich den beauftragten Professor für Zellbiologie Schmerzen bereiten müsste.
  • Wie so oft, kommt das Beste zum Schluss: Die Patienten werden gefragt, ob sie bereit sind, homöopathische Medikamente zusammen mit anderen Mitteln zu versuchen. Also wird die klinische Forschung mal wieder “komplementär” betrieben, wobei es das Geheimnis der Forscher bleibt, wie bei einer gleichzeitigen Anwendung von Homöopathie und konventioneller Behandlung die spezifischen Anteile der Homöopathie belegt werden sollen. Und eine vernünftige Verblindung ist damit auch dahin. Damit ist auch der Weg versperrt, eine Gruppe, die einer komplementären Behandlung zugestimmt hat, mit einer zu vergleichen, die dies ablehnte. Denn beide sind massiv konditioniert durch ihre Entscheidung pro oder contra Homöopathie. Und auf Versorgungsforschung in der einen oder anderen Ausprägung wird es eh wieder hinauslaufen.

Mir ist klar, dass Indien ein Land ist, in dem die Homöopathie einen großen Stellenwert hat. Aber doch nur, weil das wissenschaftlich basierte Gesundheitssystem die Masse der Menschen nicht erreicht! Pseudomedizin als Notnagel ist keine gute Sache. Auch wenn es im Rahmen der üblichen Effekte vielfach Wirkung erzeugt und den Menschen ein gewisses Grundvertrauen gibt. Staatliche Forschungsgelder und Mittel zur Unterhaltung von Forschungseinrichtungen für Homöopathie sind aber denkbar schlecht angelegt. Aber die Struktur ist wohl extrem verfestigt, ob ein Programm zum Umbau und Ausbau in Richtung evidenzbasierter Medizin eine Chance hätte? Warum eigentlich nicht? Indien war schon immer das Land, in dem große Umbrüche möglich waren. Aber so lange das 2014 aus rein nationalistisch-demonstrativen Gründen installierte Parallel-Gesundheitsministerium AYUSH das Sagen hat und dem wirklichen Gesundheitsministerium auch finanziell das Wasser abgräbt, ist hier wohl wenig zu hoffen.

Ihr, liebe Leserinnen und Leser, werdet jetzt sicher aufseufzen und sagen: Der hat aber auch immer was zu meckern…  Dazu kann ich nur sagen:

Genau.


Bildnachweis: Screenshot Agentur DNA