Es gibt Dinge, die so selbstverständlich geschützt schienen, dass man sie nie zur Disposition gestellt hätte. Das Briefgeheimnis gehört dazu – ein Grundpfeiler zivilisierter Kommunikation.
Umso irritierender, wenn man heute per Einwilligung erlauben soll, dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen unsere Post öffnet, scannt und digital bereitstellt.

Newsletter der Detuschen Post. Juristisch legal – ethisch ein Kulturbruch. Denn hier wird ein strafbewehrtes Tabu in ein Komfortprodukt verwandelt.

Man muss der Deutschen Post fast Respekt zollen: Sie hat es geschafft, aus einem Grundrecht ein Geschäftsmodell zu machen.
Mit dem Service POSTSCAN bietet sie an, Ihre Post zu öffnen, einzuscannen und digital bereitzustellen – natürlich nur mit Ihrer Einwilligung. Das Briefgeheimnis wird so zum Abo-Feature.

Was früher als unantastbar galt, wird nun als Komfort verkauft.
„Damit Sie Ihre Briefe überall online lesen können“ – so lautet der Slogan.
Mit anderen Worten: Wir öffnen Ihre Post, damit Sie es nicht müssen. Und dafür zahlen Sie sogar.

Juristisch ist das wasserdicht. Klar kann ich meine Rechte einfach aufgeben. Aber: Ethisch ist es ein Kulturbruch.
Denn hier wird die Schwelle zwischen Vertraulichkeit und Verfügbarkeit leise verschoben. Das, was früher Schutzraum war, wird zum Serviceangebot – in einem Unternehmen, dessen Selbstverständnis jahrzehntelang auf dem Schutz eben dieses Raumes beruhte.

Dabei geht es nicht nur um belanglose Werbung oder Behördenbriefe.
In diesen Umschlägen können sich auch ärztliche Befunde, persönliche Mitteilungen, anwaltliche Schreiben oder vertrauliche Geschäftspost befinden – Dinge, die bisher unter einem absoluten Schutz standen.
Nun sollen sie durch fremde Hände gehen, um als digitale Bequemlichkeit zu enden.

Immerhin wird hier per Einwilligung ein Straftatbestand (!), nämlich die Verletzung des Briefgeheimnisses, suspendiert. Und das soll ich gegenüber, einem privatrechtlichen Unternehmen tun, dessen Abläufe und technische Voraussetzungen ich nicht beurteilen kann? Mit welchen Argumenten soll ich dann noch der politischen Absicht auf EU-Ebene entgegentreten, im x-ten Anlauf nun doch wieder die generelle Kommunikationsüberwachung der Messenger-DIenste einzuführen?

Natürlich: Niemand wird gezwungen, diesen Dienst zu buchen. Aber allein die Tatsache, dass ein ehemals staatlicher Postdienst so etwas anbietet und aktiv bewirbt, zeigt, wie selbstverständlich wir inzwischen Fremdzugriff als Bequemlichkeitsfunktion akzeptieren.

Das Briefgeheimnis ist nicht abgeschafft.
Aber es verliert etwas von seiner stillen Würde – jener Idee, dass ein Brief mehr ist als nur ein Datenpaket in Papierform.
Vielleicht sollte uns das zu denken geben, bevor wir den letzten Rest Privatsphäre endgültig der Bequemlichkeit überlassen.

Ach, und bevor ich es vergesse: Die Zustellung der Originale kann man optional dazu buchen …