
Es ist selten, dass ein einzelner Satz so viel über Haltung, Methode und Selbstverständnis einer Zeitung verrät wie dieser:
„… stilisiert sich zum Opfer allerlei finsterer Mächte.“
— Daniel Deckers, FAZ, über die Entscheidung von Frauke Brosius-Gersdorf, sich von ihrer Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht zurückzuziehen.
Ein Satz, der vor Häme trieft. Einer, der nicht nur die Betroffene diffamiert, sondern ihr auch noch die Deutungshoheit über ihre eigene Erfahrung abspricht. Und vor allem einer, der den entscheidenden Kontext unterschlägt:
Die FAZ selbst war das Scharnier, über das rechte Verleumdungen überhaupt erst den Weg in den bürgerlichen Diskurs und von dort in die CDU.Bundestagsfraktion gefunden haben.
Ohne diese Übersetzungsleistung – vom halbanonymen Schmutzraum ins Feuilleton eines konservativen Leitmediums – wäre der Rufmord an Frau Brosius-Gersdorf womöglich nie „salonfähig“ geworden. Genau hier liegt die Verantwortung. Und genau hier beginnt die Bösartigkeit: Erst liefert man die Vorlage, dann verhöhnt man diejenige, die unter den Folgen leidet.
Deckers’ Kommentar trägt den zynischen Titel „Der linke Kulturkampf ist gescheitert“. Wer die Mechanik solcher Texte kennt, weiß: Das ist der Versuch, die Schuldfrage umzudrehen. Nicht die rechte Schmutzkampagne ist das Problem – sondern angeblich die „linke“ Person, die sie benennt. Frau Brosius-Gersdorf hat in ihrer souveränen Erklärung zum Kandidaturverzicht keinen Zweifel daran gelassen, wen sie in der Verantwortung für die unsäglichen Vorgänge um die Richterwahl sieht, auch wenn sie die FAZ nicht namentlich genannt hat.
Das ist nicht klug von der FAZ. Es ist durchschaubar und wendet sich damit gegen sie selbst.
Und es ist – für eine Zeitung, die sich selbst gern als Verteidigerin demokratischer Kultur sieht – schlicht beschämend. Man stellt sich erst als Transmissionsmedium zur Verfügung, das rechten Verleumdungserzählungen eine Bühne bietet und feiert im Nachhinein ein Scheitern eines angeblichen „Kulturkampfes von links“? In meinen Augen unverzeihlich. Das wird lange an der FAZ hängenbleiben.
Die gute Nachricht: In den sozialen Medien, etwa auf Threads, hat sich dieses Mal eine deutliche Gegenreaktion formiert. Durchaus zahlreiche Kommentatoren dort haben ihr FAZ-Abo gekündigt und benennen klar, was hier passiert: Eine Zeitung, die als seriös gilt, betreibt politische Rufschädigung mit Erzählungen aus der rechten Ecke – und hält das auch noch für souverän.
Katastrophal.