Zur Fehlkonstruktion von Leistungsprämien im Beamtenrecht

1. Berliner Fehlleistung als Symptom

„Damit sich Leistung nicht mehr lohnt“ – so endet eine Notiz im Berliner Tagesspiegel, die über die Streichung sämtlicher Leistungsprämien für Landesbeamte berichtet. Bis zu 5.000 Euro jährlich seien bislang zusätzlich gezahlt worden. Nun sei Schluss damit.

Man möchte fragen: Was hatten die denn im Tee? Also die, die das eingeführt hatten? Nicht nur wegen der Höhe der Prämien, sondern wegen der Idee an sich. Leistungsprämien für Beamte – in einer chronisch klammen, administrativ bekannt dysfunktionalen Hauptstadt? Das ist nicht nur haushalterisch fragwürdig, sondern systematisch verfehlt.

2. Alimentation ist keine Vergütung

Beamte erhalten keine Vergütung als Gegenleistung für geschuldete Arbeit. Sie werden alimentiert. Das ist kein semantischer Trick, sondern Ausdruck eines verfassungsrechtlich verankerten besonderen Dienst- und Treueverhältnisses. Der Staat garantiert eine amtsangemessene Versorgung – unabhängig von individueller „Leistung“. Das hat seinen Sinn: Beamte sind nicht Teil eines Marktes, sondern einer rechtsstaatlichen Ordnung.

Leistungsprämien untergraben diese Ordnung. Sie suggerieren eine Gegenleistung, wo keine vorgesehen ist. Sie vermischen Status und Leistungsideologie – und das ist nicht nur juristisch unsauber, sondern auch kulturell gefährlich, so lange das Berufsbeamtentum nach „hergebrachten Grundsätzen“ verfassungsrechtlich verankert ist.

3. Die Illusion der Leistungsbeurteilung

Ich erinnere mich an meine aktive Dienstzeit in einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen. Auch dort sollte es nach den Vorstellungen der Landeesregierung einmal „Leistungsprämien“ geben. Das Verfahren rollte an, die Anzahl der Begünstigten war quotiert. Ich habe mich früh und klar verweigert – schriftlich. Warum? Weil ich das Verfahren für einen Irrweg hielt.

Es gibt keine objektiven Leistungsindikatoren für administrative Tätigkeiten. Fallzahlen mögen sich zählen lassen, aber sie sagen nichts über Verantwortung, Integrität oder Sorgfalt. In der Revision, wo ich lange Jahre gearabeitet habe? Lächerlich. Und doch wollte man plötzlich wieder mit schematischen „Leistungsbeurteilungen“ anfangen – eine Schimäre, die längst als untauglich erkannt war. Und ebenso wenig wie „Leistung“ im engeren Sinne lässt sich ein „Leistungszuwachs“ aufgrund von Prämiengewährung erfassen.

Worum es beim Beamatenstatus geht, beschreibt § 34 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz:

Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

Wie bitte soll man das durch „Leistungsprämien“ steigern können? Entweder gilt die „volle Hingabe an den Beruf“ – oder nicht.

4. Spaltung der Belegschaft

Die Einführung von Prämien spaltet die Belegschaft. Das war schon bei den ersten Gesprächen spürbar. Neid, stille Konkurrenz, Misstrauen. Ich habe mich in der Abteilungsleiterrunde geweigert, Vorschläge zu machen. Ich war froh, dass in meinem Bereich der schon bestehende Gap zwischen Beamten und Angestellten keine spürbaren Auswirkungen hatte, der sich bis in die täglichen Arbeitszeiten hinein auswirkte. Leistungsprämien hätten diese fragile Balance zerstört. Sie fördern nicht Leistung, sondern Missgunst.

5. Das Ende des Irrwegs

In NRW starb das Modell leise ab. Man sah ein, dass man auf dem Holzweg war. In Berlin nun das offizielle Ende – und das ist gut so. Nicht wegen der Haushaltslage, sondern wegen der Einsicht in die Systemwidrigkeit.

Dass der Tagesspiegel das mit einem zynischen Satz garniert, zeigt, wie wenig Verständnis für das Beamtenrecht vorhanden ist. „Leistung lohnt sich nicht mehr“ – das ist keine Kritik, sondern ein Missverständnis.

6. Was sich wirklich lohnt

Was sich im öffentlichen Dienst lohnt, ist nicht messbar: Verantwortung, Verlässlichkeit, Integrität. Das sind keine Marktwerte, sondern Vertrauensakte. Sie lassen sich nicht prämieren – und sollten es auch nicht.

Letztlich stünde es dem Gesetzgeber frei, das Berufsbeamtentum auslaufen zu lassen und durch ein anderes Beschäftigungsmodell zu ersetzen. Doch das tut er nicht. Warum? Weil er seinen Vorteil aus dem Berufsbeamtentum zieht – aus der Loyalität, der Streikfreiheit, der Verfügbarkeit –, auf den er nicht zu verzichten gedenkt. Wer aber diesen Vorteil beansprucht, muss auch die innere Logik des Systems achten. Und die kennt keine Prämien, sondern Prinzipien.

7, Wo sind wir hingekommen?

Vielleicht an einen Punkt, an dem die öffentliche Verwaltung sich selbst nicht mehr versteht – oder sich zu sehr dem Druck einer betriebswirtschaftlich geprägten Steuerungslogik unterwirft. Die Berliner Entscheidung, die Prämien zu streichen, mag haushalterisch motiviert sein, aber sie entlarvt zugleich die Fragwürdigkeit des ursprünglichen Konzepts. Dass dies nun mit einem zynischen Mediensatz garniert wird, zeigt, wie wenig Verständnis für die verfassungsrechtliche und kulturelle Tiefe des Beamtentums vorhanden ist.