
Wenn Jasper von Altenbockum im FAZ-Meinungsnewsletter die Wehrpflichtdebatte mit einem Seitenhieb auf „philosophische Diskussionen“ über Losverfahren abtut, dann ist das nicht nur rhetorisch flach – sondern verfassungsrechtlich fahrlässig. Der Text steht exemplarisch für eine publizistische Verschiebung: Weg von rechtsstaatlicher Differenzierung, hin zu strategischem Zynismus.
Die Bundeswehr braucht Rekruten – das ist unbestritten, wenn auch nicht geklärt ist, wie viele und zu welchem Zweck. Aber aus dieser Notwendigkeit eine argumentative Abkürzung zu konstruieren, die Grundrechte, Gleichheitsprinzipien und die Bindung des Staates an das Recht ignoriert, ist kein Konservatismus. Das ist noch nicht einmal Pragmatismus. Es ist die Logik des „Alles um jeden Preis“, wie sie bislang vorwiegend von einem großen Blatt des Boulevards gepflegt worden ist.
Dass Altenbockum die Frage nach Gerechtigkeit im Wehrdienst als Ablenkung von militärischen Interessen darstellt, ist mehr als nur ein rhetorischer Taschenspielertrick. Die Diskussion über Losverfahren ist keine akademische Spielerei, sondern eine Prüfung der Zumutbarkeit staatlicher Eingriffe. Wer hier auf „Notwendigkeit“ statt auf „Zulässigkeit“ setzt, verabschiedet sich vom rechtsstaatlichen Denken.
Die FAZ war einmal ein Ort der intellektuellen Auseinandersetzung – ein Raum, in dem auch unbequeme Fragen gestellt werden durften. Unter Frank Schirrmacher hätte man vermutlich einen Beitrag gelesen, der die verfassungsrechtlichen, gesellschaftlichen und fiskalischen Implikationen der Wehrpflicht ausleuchtet. Heute scheint die Redaktion eher auf Anschlussfähigkeit zu setzen – an Ressentiment, an Lagerdenken, an die Logik der Durchsetzung.
Was dabei verloren geht, ist die Frage nach dem Preis. Nicht dem finanziellen, sondern dem demokratischen. Denn wer die Wehrpflicht wieder einführen will, muss nicht nur erklären, wie sie organisiert werden soll – sondern auch, warum sie verfassungsrechtlich zulässig ist. Und warum sie dann nicht erneut zur strukturellen Ungleichbehandlung führt – etwa zwischen Männern und Frauen, zwischen Staatsbürgern und Eingewanderten, zwischen Willigen und Widerständigen.
Die FAZ fragt das nicht mehr. Sie setzt voraus, was erst noch begründet werden müsste. Und sie tut es mit einem Ton, der die Debatte nicht öffnet, sondern schließt.
Nachsatz:
Wer die Wehrpflicht diskutiert, diskutiert über das Verhältnis von Staat und Bürger. Wer dabei die verfassungsrechtlichen Grenzen ignoriert, diskutiert nicht über Pflicht – sondern über Preis. Und wer das nicht mehr fragt, hat sich vom rechtsstaatlichen Maßstab verabschiedet.
 
			
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