Die Kfz-Zulassung als Sinnbild deutscher Digitalisierungsversuche

In der Regierungsklausur vom Sommer wurde sie als Leuchtturmprojekt der Verwaltungsmodernisierung gefeiert: die digitale Kfz-Zulassung. Ich schrieb am 3. Oktober einige Gedanken dazu auf. Endlich, so hieß es, könne man sein Auto bequem von zu Hause aus anmelden – „klicken statt warten“, wie es der Spiegel jüngst formulierte. Was nach Fortschritt klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber wieder genau als das, was man in Deutschland inzwischen unter Digitalisierung versteht: ein Flickwerk aus Insellösungen, technischen Hürden und föderaler Zersplitterung.
Der Spiegel-Autor bringt es zwar zurückhaltend, aber doch auf den Punkt: Selbst dort, wo digitale Verfahren formal existieren, bleiben sie oft halbgar, umständlich und wenig bürgernah. Die Online-Zulassung funktioniert nur unter bestimmten Voraussetzungen: Man braucht einen neuen Personalausweis mit aktivierter eID-Funktion, ein Kartenlesegerät oder eine App, ein passendes Endgerät – und Geduld. Denn nicht selten endet der digitale Prozess mit einem analogen Brief, der die Zulassung bestätigt. Digitalisierung, made in Germany.
Was sich hier zeigt, ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Muster:
- Statt durchgängiger digitaler Prozesse entstehen hybride Provisorien, die das Schlechteste aus beiden Welten vereinen
- Die föderale Struktur führt zu technischer Zersplitterung, bei der jede Kommune ihre eigene Lösung bastelt
- Es fehlt an verbindlichen Standards, an zentraler Koordination, an einem klaren Verständnis von Nutzerzentrierung
Die Kfz-Zulassung ist damit nicht nur ein Beispiel für misslungene Digitalisierung – sie ist ein Symptom einer tieferliegenden Systemschwäche. Denn was hier als Fortschritt verkauft wird, ist oft nur die digitale Verpackung eines analogen Verwaltungsverständnisses. Und das erzeugt genau das, was man eigentlich vermeiden wollte: Frustration, Misstrauen und digitale Resignation.
Es ist zum Heulen. Nicht, weil es keine Ansätze gäbe – sondern weil sie nicht zusammenfinden. Weil Digitalisierung in Deutschland nicht als kultureller Wandel verstanden wird, sondern als technisches Projekt. Weil man glaubt, mit ein paar Onlineformularen sei es getan. Und weil man dabei vergisst, dass Verwaltung nicht nur effizient, sondern auch vertrauenswürdig und zugänglich sein muss.
Die Kfz-Zulassung zeigt: Es geht nicht um Technik. Es geht um Haltung. Weitsicht, Konsequenz und Mut.Und solange die fehlt, bleibt der Leuchtturm ein Laternenpfahl – mit schwankendem Licht und fragwürdiger Richtung.
Ich spiele hier mal den optimistischen Visionär, der seine Gedanken frei schwiefen lässt. Nagelt mich also nicht fest, wenn es so nicht kommen sollte! Das soll nur mal aufzeigen, was es heißt, bei der Digitalisierung und der Entbürokratisierung mal ohne Tabus nach vorne zu schauen;
Letztlich gibt’s wohl nur eine Chance, wenn den ganzen alten Lösungen eine Deadline gesetzt würde, ab der sofort überall ein neues einheitliches Verfahren gelten müsste. Wieso z.B. braucht man einen als Dokument abgelegten Fahrzeugschein auf dem Smartphone? Der dann ein Lesegerät bei Polizeikontrollen erfordert? Wieso bildet man nicht aus Fahrgestellnummer und Zulassungsdaten einfach einen Hash, der als Identifikationsmerkmal völlig ausreicht? Der eine zentrale Abfrage aller Fahrzeug- und Halterdaten zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ermöglicht?
- Er könnte zentral abgefragt werden – etwa durch Polizei, Zulassungsstellen, Versicherungen
- Er würde keine sensiblen Daten direkt enthalten, sondern nur als Schlüssel dienen
- Die Abfrage wäre zeit- und ortsunabhängig, ohne Papier, ohne App-Hürden
Das wäre echte Digitalisierung: schlank, sicher, interoperabel.
Warum ist das wohl nur eine „vision fugitive“, eine flüchtige Vision? Weil die deutsche Verwaltung oft nicht in Systemlogik denkt, sondern in Rechtsform, Zuständigkeit und Bestandsschutz:
- Der Fahrzeugschein ist ein juristisches Dokument, nicht nur ein Datenträger
- Die föderale Struktur verhindert einheitliche Datenhaltung
- Es fehlt an digitaler Souveränität, also der Fähigkeit, solche Systeme selbst zu entwickeln und zu betreiben
- Und es fehlt an politischem Mut, alte Strukturen wirklich abzulösen
 Stattdessen entstehen hybride Lösungen:
- Ein digitaler Fahrzeugschein, der als PDF auf dem Smartphone liegt
- Eine App, die nur mit bestimmten Geräten funktioniert
- Ein Lesegerät, das bei Polizeikontrollen nötig ist
- Und ein analoger Brief, der am Ende doch wieder verschickt wird
Das Beispiel Kfz-Zulassung, das gerade erst zum Leuchttuirmprojekt der Regierung erklärt wurde, ist, wie der Spiegel-Artikel zeigt, bereits im Grunde gescheitert und in ein hasenfüßiges Klein-Klein zerfallen. Merke:
„Solange wir versuchen, analoge Dokumente digital zu imitieren, statt ihre Funktion neu zu denken, bleibt Digitalisierung ein Etikett. Was wir brauchen, ist nicht ein PDF auf dem Smartphone, sondern ein System, das aus Daten Verantwortung macht.“
 
			
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