
Auf dem Blog der deutschen Skeptiker (GWUP) ist ein Beitrag („Verschiedene Wahrheitsfindungsmethoden und Standortbestimmung der GWUP“ vom 19. Februar 2025) erschienen, der sich mit unterschiedlichen Erkenntniswegen befasst. Offenkundig verfolgt dieser Beitrag die Absicht, den Rahmen abzustecken, in dem Skepsis auf der Grundlage kritisch-wissenschaftlichen Denkens sich bewegen kann / muss. Insofern ist dies mehr als eine Randnotiz im skeptischen Alltag. Als Mitglied der GWUP und als jemand, der die vereinsinterne Diskussion über eine Standortbestimmung der GWUP 2023/24 miterlebt hat, halte ich aus diesem Anlass einige eigene Gedanken für angebracht.
Der Beitrag auf dem GWUP-Blog bietet eine differenzierte Betrachtung verschiedener Ansätze der Wahrheitsfindung und positioniert die GWUP klar im Kontext der wissenschaftlichen Methode. Der Autor betont, dass die GWUP als Vertreterin der Aufklärung insbesondere der Wissenschaft verpflichtet ist und sich auf die Förderung und Verteidigung wissenschaftlicher Methoden konzentriert.
Im Artikel werden neben der wissenschaftlichen Methode auch andere Ansätze wie Esoterik, Religion, Machtorientierung und die Perspektive der Unterdrückten dargestellt. Der Autor zeigt auf, dass diese Methoden oft auf subjektiven Erfahrungen, Autoritätsglauben oder ideologischen Überzeugungen basieren und somit im Widerspruch zu den Prinzipien der Wissenschaft stehen, die auf Objektivität, Transparenz und Wiederholbarkeit beruhen.
Insgesamt verdeutlicht der Beitrag die Notwendigkeit, wissenschaftliche Methoden als Grundlage für objektive Wahrheitsfindung zu fördern und gleichzeitig kritisch gegenüber subjektiven oder ideologisch geprägten Ansätzen zu bleiben. Die Diskussion in den Kommentaren zeigt, dass es weiterhin wichtig ist, Aufklärungsarbeit zu leisten und die Prinzipien der Wissenschaft verständlich zu kommunizieren.
Die Kommentarsektion unter dem Beitrag spiegelt ein breites Spektrum an Reaktionen wider. Einige Leser äußern Zustimmung und loben die klare Darstellung der unterschiedlichen Wahrheitsfindungsmethoden. Andere hingegen kritisieren die vermeintliche Engstirnigkeit der GWUP und plädieren für eine offenere Haltung gegenüber alternativen Erkenntniswegen. Einige Kommentare scheinen die Grundprinzipien der wissenschaftlichen Methode misszuverstehen oder stellen deren Exklusivität in Frage.
Postmoderne und Beliebigkeit
Ich finde es bemerkenswert, dass die kritischen Kommentatoren auf dem GWUP-Blog doch wohl keine unvorbereitet-unwissenden Menschen sind, sondern solche, die sich selbst den Skeptikern zurechnen. Bin ich ein zu harter Rationalist, wenn mir das Verständnis dafür fehlt, Beliebigkeitskriterien in den rationalen Erkenntnisrahmen aufzunehmen? Vielen ist offenbar der „Erkenntnispfad“ zu schmal. Aber ist es nicht eigentlich das Ergebnis von mehr als 2000 Jahren Ringens um eine Antwort auf die Frage „Was können wir wissen?“ (von Platon über Kant und Hume bis zu Gerhard Vollmer und Hans Albert) dass wir nur in einem solchen schmalen Pfad vorankommen können?
Dies trifft einen Kernpunkt des konsequenten Wissenschaftsverständnisses und zugleich ein grundlegendes Dilemma in skeptischen Bewegungen. Es ist doch bemerkenswert, dass auch innerhalb einer Gruppierung, die der Konzeption der kritischen Rationalität nahesteht, immer wieder Stimmen laut werden, die eine Art erkenntnistheoretischen Pluralismus fordern – oft ohne zu erkennen, dass dies auf eine Relativierung der wissenschaftlichen Methode hinausläuft.
Skepsis gegenüber der Aufnahme von Beliebigkeitskriterien in den rationalen Erkenntnisrahmen ist aber keine überzogene Rationalitätsforderung, sondern eine notwendige Konsequenz wissenschaftlicher Methodik. „Beliebigkeit“ bedeutet in diesem Kontext die Gleichsetzung wissenschaftlich geprüfter Erkenntnisse mit nicht falsifizierbaren oder anekdotischen Behauptungen. Wissenschaft auf der Basis des kritischen Rationalismus ist eben nicht einfach eine „von vielen Methoden“, sondern – jedenfalls derzeit – die einzige Methode, die es uns erlaubt, mit systematischer Fehlerkontrolle wenn nicht vollständiges, so aber zuverlässiges Wissen über die Welt zu gewinnen. Das ist das Ergebnis von Jahrhunderten der Auseinandersetzung mit Irrwegen, Täuschungen und Wunschdenken zur Frage, was wir Menschen überhaupt an Erkenntnis gewinnen können. Wenn man den „Erkenntnispfad“ erweitern will, riskiert man, Pseudowissen und subjektive Wahrheiten auf eine Stufe mit wissenschaftlich fundiertem Wissen zu stellen.
Wissenschaft hat sich gerade nicht durch Offenheit für Beliebigkeit weiterentwickelt, sondern durch die konsequente Einhaltung strenger methodischer Prinzipien. Anders gesagt: Die moderne Wissenschaft ist gerade deshalb erfolgreich, weil sie sich einen strengen methodischen Rahmen gibt. Sobald man diesen Rahmen zu weit öffnet – sei es aus falsch verstandenem Pluralismus oder aus Angst vor dem Vorwurf „dogmatischen“ Denkens –, setzt man sich den gleichen Fehlschlüssen aus, gegen die die Skeptikerbewegung eigentlich ankämpfen sollte. Und wichtig ist in der Diskussion mit „Pluralisten“: Der strenge methodische Rahmen ist Ausdruck des Bewusstseins, sich stets auch irren zu können (Fallibilismus), keine engstirnige Beschränkung.
Dass auch in skeptischen Kreisen die Sehnsucht nach einem weiteren oder erweiterten Erkenntnispfad auftaucht, könnte mit einer gesellschaftlichen Strömung zu tun haben, die dazu neigt, Toleranz mit erkenntnistheoretischer Gleichwertigkeit zu verwechseln – letztlich eine moralisierende Position. Wissenschaftliche Skepsis ist aber nicht „offen“ in dem Sinne, dass sie jede Methode gleichwertig akzeptiert – sie ist offen für neue Ideen, aber nur dann, wenn diese die methodische Prüfung bestehen. Pragmatismus, nicht Pluralismus.
Einige Strömungen der Wissenschaftstheorie (wie der epistemische Konstruktivismus in seiner relativistischen Form) argumentieren tatsächlich für einen erkenntnistheoretischen Pluralismus, der unterschiedliche Methoden und Zugänge als zumindest gleichwertig betrachtet. Dies führt jedoch zu einer Relativierung wissenschaftlicher Erkenntnis. Besonders in postmodernen Ansätzen des epistemischen Konstruktivismus wird Wissen als „bloß“ sozial konstruiert betrachtet, was zur Infragestellung der Gültigkeit wissenschaftlicher Aussagen führen und damit dem Streben nach Erkenntnis als solchem den Boden entziehen kann. „Wissen“ und „Erkenntnis“ lösen sich dann in reine Beliebigkeit auf.
Man könnte also sagen: Der „Erkenntnispfad“ ist nicht deshalb schmal, weil man andere Denkweisen aus Bosheit oder Überheblichkeit ausschließt, sondern weil die Anforderungen an belastbare Erkenntnis so hoch sind. Der Unterschied zum „konstruktivistischen Wissen“ besteht darin, dass durch Methodik, darunter rigorose Fehler- und Irrtumskontrollen, wissenschaftlichen Erkenntnissen zunehmend ein Grad von Gewissheit zuwächst, der uns in die Nähe der „Wahrheit“ (Wirklichkeit) führt. Wer diesen Rahmen verlassen will, sollte sich fragen, ob er Wissenschaft tatsächlich verstanden hat oder ob er sich unbewusst von den postmodernen Tendenzen der Beliebigkeit beeinflussen lässt.
Spaltung der skeptischen Szene in Deutschland
Die vorstehenden Überlegungen haben auch einen Bezug dazu, dass sich die deutschen Skeptiker aufgrund bestimmter Ereignisse leider 2024 in die GWUP und in die Neugründung Skeptix gespalten haben. Viele wollen verstehen, was da eigentlich das Trennende ist. Nach meiner Ansicht wollten die jetzigen Skeptix-Skeptiker die Vereinstätigkeit auf unpolitische und ideologisch nicht im Fokus stehende Themen beschränken (Stichwort Critical Studies). Die GWUP hat mit dem Blogartikel, den wir hier betrachten, m.E. dagegen noch einmal klargemacht, dass sie keine Denkverbote bei jeglichen Themen akzeptiert, die Wissenschaftlichkeit für sich in Anspruch nehmen. Also z.B. auch die Critical Studies, auch dann, wenn es nicht um widerlegbare Einzelaussagen allein geht, sondern um die Frage, ob die zugrunde liegende Denkrichtung als solche dem wissenschaftlichen Erkenntnispfad zuzurechnen ist.
Das trägt einer Entwicklung Rechnung, die „Wahrheit“ nicht mehr nur in einzelnen Sachverhalten zu begründen sucht, sondern auf Metaebenen außerhalb und neben der wissenschaftlichen Methode, wie sie ja der oben erwähnte GWUP-Blogbeitrag beschreibt: „höhere“ Wahrheiten – im Sinne der Postmoderne. Nach meinem Eindruck positioniert sich insofern die GWUP immer deutlicher im Sinne einer Erweiterung des „klassischen“ Themenspektrums mit einem Fokus auf diese Metaebenen, während es bei „Skeptix“ an einer dezidierten Begründung einer davon verschiedenen Positionierung bislang noch mangelt.
Das heißt, dass die GWUP ungeachtet der klassischen pseudowissenschaftlichen Themen (Homöopathie, Astrologie, Verschwörungstheorien etc.) den Weg einer methodisch konsequenten Skepsis auch gegenüber Themen gehen will, die ideologisch oder gesellschaftspolitisch aufgeladen sind, wie etwa die Critical Studies oder postmoderne Wissenschaftsbegriffe.
Die GWUP stärkt damit ihre Positionierung als metatheoretische skeptische Organisation: Sie legt sich nicht nur mit falschen Behauptungen an, sondern auch mit ganzen Erkenntniswegen, die Wissenschaftlichkeit für sich und ihre Hervorbringungen beanspruchen, aber den methodischen Standards nicht genügen. Das ist m.E. eine notwendige Erweiterung des skeptischen Ansatzes, weil viele heutige Debatten sich nicht mehr nur um „falsche Fakten“, sondern um die grundlegenden Maßstäbe für Wahrheit und Erkenntnis drehen.
Skeptix hingegen scheint diesen Schritt zu scheuen und sich stärker auf das bewährte Themenspektrum zu konzentrieren, wohl aus Sorge, dass ansonsten die Bewegung zu politisiert erscheinen könnte. Das kann man als Versuch interpretieren, sich „neutral“ zu halten – aber ist methodische Skepsis neutral, wenn sie einer ganzen erkenntnistheoretischen Strömung (z.B. den Critical Studies) ausweicht, nur weil diese gesellschaftspolitisch sensibel ist?
Ich sehe darin eine Grundsatzentscheidung:
- Für die GWUP umfasst der Begriff Skepsis das Bekenntnis zu einem universalistischen Erkenntnis- bzw. Wissenschaftsverständnis, das sich auch auf gesellschaftliche und ideologische Wissenschaftsdebatten erstreckt.
- Skeptix scheint sich als eine Organisation zu verstehen, die klassische, relativ „unstrittige“ pseudowissenschaftliche Phänomene bekämpft, aber keine metakritische Positionierung zu bestimmten Wissenschafts- und Gesellschaftsdebatten eingeht.
Ob das auf Dauer eine tragfähige Unterscheidung ist, bleibt abzuwarten. Denn wenn es um wissenschaftliche Skepsis als Methode geht, kann sich eigentlich keine skeptische Organisation leisten, bestimmte Themengebiete aus welchen Erwägungen auch immer auszuklammern – gerade dann nicht, wenn sie eine zentrale Rolle in heutigen Wissenschafts- und Gesellschaftsdebatten spielen.
Eine Spaltung wäre vielleicht nicht zwangsläufig gewesen, es scheint nicht unmöglich, die unterschiedlichen Verständnisse von Skeptizismus innerhalb der GWUP konstruktiv auszutragen. Dass es stattdessen zur Eskalation kam, liegt wohl daran, dass ein Teil der Beteiligten eine „friedliche Koexistenz“ der beiden Positionen eben doch sehr dezidiert für unmöglich und geradezu unvereinbar mit Skepsis hielt – und das leider nicht nur argumentativ. Es wurde teils scharf und ad personam darauf reagiert, dass eine bedeutende Strömung (die von der heutigen GWUP repräsentiert wird) auf einem methodisch-universalistischen skeptischen Anspruch bestand.
Der in dieser Diskussion häufiger erhobene Vorwurf der „Nähe zu rechtem Gedankengut“ ist eine sehr wirksame, aber oft auch unfaire Strategie, um jemanden aus einem Diskurs zu drängen. Wenn jemand lediglich eine methodische Kritik an den Critical Studies oder am Woke-Begriff formuliert, sollte das nicht automatisch in eine politische Ecke gestellt werden. Dass das dennoch passiert ist, zeigt, dass für einige die politische Dimension schwerer wog als die erkenntnistheoretische. Was die Vorstellung, man wolle eine „unpolitische“ Skeptikerorganisation, ad absurdum führt.
Ich finde es bemerkenswert – und auch bedauerlich –, dass ein methodisch-universalistischer Skeptizismus, der sich an klaren wissenschaftlichen Prinzipien orientiert, manchen inzwischen als „problematisch“ gilt, weil er sich eben auch gegen ideologische Verzerrungen richtet, egal aus welcher Richtung sie kommen. Die ursprüngliche Idee der Skeptikerbewegung war ja gerade, keinen „Freifahrtschein“ für bestimmte Weltbilder zu vergeben, sondern alles ohne „Denkverbote“ mit der gleichen methodischen Strenge zu hinterfragen.
Unverzichtbar ist das Ringen um eine immer deutlichere Position zu dem, was in Zeiten der Postmoderne einen konsequenten wissenschaftsorientierten Skeptizismus ausmacht. Die GWUP sollte ihre Chance nutzen, sich programmatisch noch deutlicher in diesem Sinne zu positionieren. Die Postmoderne als solche ist in gewisser Weise der Bote der Ideologie und der Beliebigkeit, die Auswirkungen sehen wir schon lange. Will Skeptizismus seinem eigenen Anspruch als rationales Korrektiv gerecht werden, führt m.E. eine zukünftige Strategie deutlich über die klassischen parawissenschaftlichen Themen hinaus (ohne dass die Befassung mit ihnen überflüssig würde).
Skeptizismus als rationales Korrektiv muss sich weiterentwickeln, wenn er relevant bleiben will. Die klassischen Themen – Homöopathie, Astrologie, UFOs etc. – sind wichtig (allein deshalb, weil sie nie verschwinden werden), aber sie sind nicht mehr unbedingt die Hauptfronten, an denen sich wissenschaftliches Denken gegen Irrationalismus behaupten muss. Die Herausforderungen liegen heute stärker in ideologisch geprägten Narrativen, die unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit auftreten, aber letztlich auf einer postmodernen Beliebigkeit beruhen.
Die Postmoderne hat – zugespitzt gesagt – viele Tore für den erkenntnistheoretischen Relativismus geöffnet. Plötzlich gilt jede Perspektive als gleichwertig, wissenschaftliche Standards werden als „westliche / soziale Konstrukte“ im Kontext angeblicher Machtverhältnisse abgetan, und das Konzept der Suche nach objektiver Wahrheit wird immer stärker hinterfragt. In dieser Atmosphäre kann sich Skeptizismus nur behaupten, wenn er sich nicht nur gegen klassische Pseudowissenschaften stellt, sondern auch gegen diese Formen des „epistemischen Laissez-faire“ oder gar einem postmodern-relativistischen Rechtfertigungsdruck.
Das bedeutet: Eine zukünftige Strategie muss nicht nur die klassischen parawissenschaftlichen Themen abdecken, sondern sich auch mit ideologisch verbrämten Verzerrungen wissenschaftlichen Denkens auseinandersetzen. Dazu gehören auch Themen wie „Wissenschaft als Herrschaftsinstrument“ (Critical Studies), die Verzerrung von Studienergebnissen durch wirtschaftliche oder politische Interessen oder die Frage, wie narrative Verzerrungen auf Meta-Ebenen („Wahrheit als Konstruktion“) die Wahrnehmung von Wissenschaft beeinflussen.
Ich glaube, dass eine solche Positionierung für skeptische Organisationen wie die GWUP langfristig notwendig ist. Sonst riskiert man, dass Skeptizismus von zwei Seiten unter Druck gerät: Einerseits von den traditionellen Pseudowissenschaften, die nie verschwinden, andererseits von ideologischen Strömungen, die sich wissenschaftlicher Methoden bedienen, um ihre eigene Agenda zu stützen. Es geht nicht nur darum, offensichtlichen Unsinn zu entlarven, sondern auch um das „Aufräumen“ in wissenschaftsnahen Debatten – dort, wo Begriffe und Methoden missbraucht werden, um Beliebigkeit als Wissenschaft zu verkaufen und damit in den öffentlichen Diskurs einzusickern.
 
			
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