
Einmal im Jahr will das Lobbyregister beim Bundestag für unsere kleines ehrenamtliches Netzwerk aktualisiert werden. Und das klingt so einfach wie es nicht ist. Für das Jahr 2024 präsentierte sich die Anwendung runderneuert – ein „Upgrade“ aufgrund von Rechtsänderungen, das wie so oft im Verwaltungsdeutsch vor allem eines bedeutet: mehr Schritte, mehr Bedenken, mehr Formularsprache. Man sollte „[sich] durchklicken“ in den Duden aufnehmen. Masken, Verschachtelungen, Eingabefelder …
Die Krönung: Die Plausibilitätsprüfung 2025. Man meint, es ginge darum, Angaben auf Konsistenz zu prüfen. Doch in Wirklichkeit werden realitätsferne Erwartungshaltungen als zusätzliche Hürden aufgerichtet. DIe Plausi-Prüfung ist das Misstrauen in Person. Warum gibt es keine Mitglieder? Warum keine mit der Lobbyarbeit explizit Beauftragte? Warum kein Budget? Weil das eben die Realität mancher Initiativen ist.
Wer auf die Idee kommt, Angaben wie „0 Euro Ausgaben für Interessenvertretung“ zu machen, bekommt gleich einen Seitenhieb. So günstig kann Lobbyismus nicht sein, insistiert das System. Es sei denn, er besteht aus ehrenamtlichen Mails, Textbeiträgen, Gesprächen und einer Menge geopferter Freizeit – in der Regel nicht im Foyer des Reichstagsgebäudes oder am Tisch eines politischen Szenerestaurants in Berlin. Und das, was an Kosten als Bodensatz bleibt, für Online-Präsenzen beispielsweise, – das zahlt man stillschweigend aus eigener Tasche. Doch genau das ist bei kleinen Initiativen der Fall. Das weiß das System aber nicht. Oder will es nicht wissen. Genauso wenig weiß es darüber, dass bei kleineren Organisationen oft eine Sprecherriege oder Ähnliches die Vertretung nach außen übernimmt und nicht „ein Beauftragter“. Oder darüber, dass es nicht unüblich ist, bei nicht rechtsfähigen Netzwerken keine feste Mitgliederstruktur zu führen.
Dann weiter: Man klickt auf „Freigabe“ – und landet nicht bei der Freigabe. Sondern bei einer neuen Prüfschleife. Die Hinweise, die man zuvor ignoriert hat, weil nur dieses Igonorieren die realen Verhältnisse wiedergibt, werden nun offiziell bemängelt und eine detaillierte Nachfrage avisiert. Man soll wohl noch mal in sich gehen. Diese detaillierte Nachfrage kam dann auch, per Mail, wenigstens nicht per Papierpost. Immerhin kann man trotz alledem an dieser Stelle den Vorgang fortsetzen: Das nun verfügbare Bestätigungsdokument muss heruntergeladen, unterschrieben, eingescannt und wieder hochgeladen werden. 15 Seiten, Ohne diese analoge Zwischenstation geht nichts.
Was bleibt? Ein Beispiel für die Erkenntnis, dass Digitalisierung in Deutschlands Verwaltungen oft genau das nicht ist, was sie verspricht. Daten abfragen und online erfassen ist längst noch keine Digitalisierung. Digitalisierung meint die Gestaltung von Prozessen. Ganz nebenbei wird in unserem Falle Misstrauen zur Struktur. Wer das Lobbyregister nutzt, wird nicht begleitet, sondern überwacht. Nicht gefragt, sondern bezweifelt. Wohlgemerkt, ich spreche hier für kleine Gruppen, nicht für professionelle Berufslobbyisten im Auftrage finanzstarker Interessen. Die Berufslobbyisten machen aus den Anforderungen höchstens wieder ein Geschäftsmodell, full service, all inclusive, auch die Online-Pflege des Lobbyregisters, je komplexer desto besser. Gegen angemessenes Honorar selbstverständlich, das der Auftraggeber ja steuerlich absetzen kann. Kleine Gruppen mit zivilgesellschaftlichem Engagement erleben das System anders und können das nicht durch Outsourcing kompensieren.
Ich hatte diesen Text längere Zeit zurückgestellt und noch nicht über eine Veröffentlichung entschieden. Die weitere Entwicklung gibt aber nun den letzten Anstoß.
Denn: Es gibt das nächste Update der Online-Anwendung. Tatsächlich wurden die Limitierungen der Vorfassungen beseitigt, es kam aber wieder einiges mehr dazu. Und dieses Neue hat eine andere Qualität, die über eine klassische Datenerfassung inzwischen hinausgeht: Es werden nicht mehr nur klassische formale Daten mehr verlangt – sondern rechtfertigende Narrative. Ein Wer, Wie, Was, Warum ganz konkret zu jedem einzelnen Anliegen, auf das sich Lobbybemühungen beziehen.
Aus einer Datenerhebung aus Gründen der Übersicht wird so ein halbformalisierter Berichtszwang – mit der impliziten Erwartung, die eigene Legitimität möglichst erschöpfend zu erklären. Das ist mehr als bloße Überformung. Das ist ein Rollentausch: Die Eingetragenen stehen unter Rechtfertigungsdruck. Ist es nicht längst so, dass aus einem demokratischen Transparenzinstrument ein digitaler Überforderungskorridor wurde? Und dass der Staat seine eigenen Defizite im Umgang mit Einfluss und Transparenz durch ein Bürokratiemonster (und dann auch noch für die Falschen, die Kleinen, die Ehrenamtlichen, die zivilgesellschaftlich Engagierten) kompensiert?
Dass dieses Gefühl wohl nicht trügt, wird auch dadurch unterstrichen, dass die Bundestagsverwaltung zur neuesten Version erneut Webinare anbietet, deren Inanspruchnahme dringend angeraten wird. Webinare. Um eine Online-Datenerfassung ausfüllen zu können. Für mich ein Zeichen dafür, dass die Datenmodellierung des Erfassungssystems die Intention des Lobbyregistergesetzes nicht widerzuspiegeln scheint. Mag sein. Die Frage ist aber, wessen Problem das ist.
