Die neuen Fronten im vermeintlich aufgeklärten Diskurs

Die aufgeklärte Weltanschauung, zu der sich viele bekennen, lebt von einem Ideal: dass Argumente mehr zählen als Zugehörigkeiten, dass Aufklärung mehr bedeutet als Gesinnung, und dass Skeptizismus nicht bloß ein Label, sondern eine Methode ist. Doch im Schatten aktueller Debatten offenbart sich ein paradoxes Bild: Ausgerechnet jene, die sich selbst als besonders aufgeklärt, kritisch und menschlich empfinden, agieren zunehmend im Modus von Tribalisierung, Kontaktschuld und moralischer Höherbewertung der eigenen Blase. Die Folge: ein Verlust des rationalen Diskurses, wie ihn die skeptische Bewegung immer vertreten hat.

Skeptizismus ist kein Lager, sondern eine Methode

Skeptizismus bedeutet, Annahmen zu prüfen, Argumente zu hinterfragen und Begründungen zu verlangen – unabhängig davon, aus welchem Lager sie stammen. Er lebt von methodischer Distanz, von intellektueller Redlichkeit, vom Mut zur Selbstkorrektur. Wer sich einem „Lager“ zuordnet, definiert die Wahrheit entlang gruppendynamischer Zugehörigkeiten. Damit ist er kein Skeptiker mehr, sondern Aktivist mit Weltbild.

In vielen progressiv-aufgeklärten Milieus hat sich ein Muster etabliert: Wer nicht aktiv Teil der eigenen Deutungsgemeinschaft ist, wird als Gegenspieler markiert. Die Logik folgt einfachen Mustern: Du warst bei jener Konferenz? Dann bist du „rechtsnah“. Du hast dich nicht öffentlich distanziert? Dann bist du Komplize. Wer sich nicht empört, gilt als indifferent. Wer differenziert, als Verdächtiger.

Die GWUP als Projekt rationaler Aufklärung – und ihr Missverständnis bei den neuen Moralisten

Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) hat sich nie als politisches Lager verstanden. Ihr Anliegen war stets: Wahrheitssuche jenseits ideologischer Vorgaben. Dass sich Menschen aus dem linken oder liberalen Spektrum hier zu Hause fühlen, ist naheliegend – aber nie Voraussetzung. Genau das ist heute für einige Grund zur Anklage: Eine Organisation, die nicht moralisch gelabelt ist, ist verdächtig.

Die Infantilisierung des Diskurses: Wenn Moral Realität ersetzt

Wir erleben eine Verflachung, in der nur noch gilt, wer etwas sagt – nicht was. Eine Referenz auf kritisches Denken wird ersetzt durch Empörungsgesten und Gruppensolidarität. Dabei fühlt sich das neue Lagerdenken selbst als Aufklärung, obwohl es in Wahrheit deren Gegenteil ist: es ist die Übernahme moralischer Gewissheiten ohne Prüfung.

Ein rationaler Humanismus braucht keine Fraktionsdisziplin

Die Ethik eines aufgeklärten Humanismus verlangt keine Fraktionszugehörigkeit, sondern Verantwortlichkeit für das eigene Urteil. Wer – aus welcher Richtung auch immer – die Methode der kritischen Prüfung aufgibt und durch moralische Zugehörigkeitsrhetorik ersetzt, verabschiedet sich aus dem skeptischen Projekt. Wer Skepsis durch Haltung ersetzt, hat beides verloren: die Redlichkeit und die Aufklärung.

Ein Aufruf zur Nüchternheit

Es ist nicht an der Zeit, sich gegenseitig zu belehren. Es ist an der Zeit, innezuhalten und sich zu fragen: Was war das Ziel skeptischer Arbeit? War es Selbstvergewisserung in der eigenen Gruppe – oder der schwierige, aber notwendige Gang durch die Mühlen der Argumente, Differenzen, Widersprüche? Wer letzteres bejaht, ist willkommen. Die anderen können gerne weiter mit sich selbst diskutieren.


Der Feind des Skeptikers ist das Lagerdenken. Wer sich ihm unterwirft, soll sich bitte nicht einreden, er sei ein Skeptiker.