Rosarote Brille, das Original

Dumme Frage? Keineswegs.

Die wissenschaftsbasierte Homöopathiekritik hat in den letzten Jahren intensiv die Argumente dargelegt, die die Homöopathie nach dem Urteil der Mehrheit der weltweiten Wissenschaft als eine medizinisch irrelevante Scheintherapie qualifizieren. Dabei wurden zwei Ziele verfolgt: Aufklärung der über Jahrzehnte hinweg des- und fehlinformierten Öffentlichkeit über den wirklichen Stellenwert der Homöopathie und Kritik an den verfestigten Strukturen, die die Homöopathie seit Jahrzehnten derart begünstigen, ja privilegieren, dass sie bislang ihre Position im öffentlichen Gesundheitswesen unangefochten erhalten konnte.

Beides hat nach wie vor seine Berechtigung. Viele, allzu viele Menschen verharren noch in dem des- oder uninformierten Kenntnisstand zur Homöopathie, der die eigentliche Grundlage für das Geschäft mit den Zuckerkugeln bildet. Natürlich hat man als Kritiker gelegentlich das Gefühl, “durchgedrungen” zu sein, zumal sich beispielsweise so langsam auch ein Wandel in der noch vor relativ wenigen Jahren durchweg unkritischen Medienberichterstattung zur Homöopathie feststellen lässt (allerdings durchaus noch nicht als Regelfall). Der Homöopathie-Werbung fällt es wohl auch nicht mehr so leicht, mit ihren beschönigenden Behauptungen (auf die sie sich nun mal beschränken muss) zu punkten. Im Verein mit der restlichen Homöopathie-Lobby sind die Hersteller jedoch nach wie vor aktiv und suchen die wissenschaftliche Homöopathiekritik nach Möglichkeit mit vielerlei Vorspiegelungen auszuhebeln.

Diesen Gesamtdiskurs führt die wissenschaftsbasierte Homöopathiekritik nach wie vor, in dem Wissen, dass es noch viel zu tun gibt. Ein Teil dieses Diskurses allerdings ist mir schon längst ein Dorn im Auge, denn den empfinde ich als ausgesprochen unredlich.

Wer aufmerksam hier im Blog mitliest, den wird es nicht überraschen, dass ich damit den Missbrauch wissenschaftlicher Methodik und das opportunistisch-pragmatische Verhältnis der Homöopathievertreter zur Wissenschaft überhaupt meine. Hier liegt meines Erachtens eine Ursache dafür, weshalb auch die Politik immer wieder davor zurückschreckt, in Sachen Homöopathie im Gesundheitswesen einen klaren Grenzstrich zu ziehen. Mit der scheinwissenschaftlichen Bemäntelung ihrer Methode gelingt es der homöopathischen Lobby sehr eindrucksvoll, die Politik (und nicht nur diese) anhaltend zu verunsichern, den klaren Blick zu verschleiern und den Anschein einer offenen wissenschaftlichen Diskussion aufrechtzuerhalten. Ganz abgesehen davon, dass es die Vertreter der Homöopathie im Bedarfsfalle (und nur dann) für opportun halten, die Wissenschaft als ungeeignet für ihre Methode hinzustellen (was sie durch ihre eigene Bemühung, wissenschaftliche Reputation zu erlangen, laufend konterkarieren) oder wenn sie gar bestrebt sind, den Wissenschaftsbegriff ihren Bedürfnissen und Erfordernissen anzupassen, sei es durch verquere Ausführungen zur Wissenschaftstheorie (“junk epistemology” ) oder durch Ausdehnung des Wissenschaftsbegriffs ins ungehemmt Spekulative (Walach).

Beklagenswerterweise kann mit diesem pseudowissenschaftlichen Tand genug Einfluss bei Multiplikatoren und Entscheidungsträgern ohne tieferes Verständnis für Wissenschaftlichkeit gewonnen werden, um die eigene Position abzusichern. Noch. Denn wie ich finde, muss in aller Deutlichkeit als ein nächster Schritt in der Homöopathiekritik offengelegt werden, was für ein falsches Spiel mit der Wissenschaft hier von den Vertretern einer Methode getrieben wird, der die Wissenschaftlichkeit eigentlich per se abgesprochen werden muss.

Ein weiteres Mal sei das interdisziplinäre Gutachten für das Memorandum Homöopathie der Russischen Akademie der Wissenschaften zitiert, das feststellt:

Die Gesamtschau der Fakten aus verschiedenen Bereichen – über die Ergebnisse der klinischen Studien bis zu den modernen wissenschaftlichen Vorstellungen über die Struktur der Materie, den chemischen Grundlagen der intermolekularen Wechselwirkungen und der menschlichen Physiologie – ermöglicht uns die Schlussfolgerung, dass die theoretischen Grundlagen der Homöopathie keinen wissenschaftlichen Sinn haben und demzufolge homöopathische Diagnose und Behandlungsmethoden wirkungslos sind. […] Der Abgleich des „externen Szientismus“ der Homöopathie auf der einen Seite mit dem gemeinsamen System der heutigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis auf der anderen Seite ermöglicht es uns aber, die Homöopathie als eine pseudo-wissenschaftliche Disziplin zu qualifizieren.

Es lohnt sich, das Memorandum und das Gutachten noch einmal vollständig zu lesen.

To make a long story short: Es kann nicht angehen, dass die Homöopathiekritik und der gesellschaftliche wie der politische Diskurs sich weiterhin die perfide Schimäre einer andauernden wissenschaftlichen Debatte unter dem Anschein eines relevanten Dissenses aufoktroyieren lassen. Wenig bis nichts in der medizinischen Forschung lässt eine so eindeutige Beurteilung ohne “Grauzone” zu wie die Homöopathie. Nichts aber spricht dem mehr Hohn als die tatsächliche Bedeutung, die die Homöopathie dessen ungeachtet gesellschaftlich und offenbar sehr wirkmächtig in der Politik in Deutschland zukommt. Nicht einmal die fundierten Entscheidungen in europäischen Partnerländern wie England, Frankreich, Spanien, zuletzt gar Ungarn (wo es keine Zulassung von Homöopathika mit Indikationen mehr ohne fundierten wissenschaftlichen Wirkungsnachweis gibt) haben diese letztlich irrationale Haltung bislang beeinflussen können. Und das kann nicht sein.

Hier liegt die für mich die Zielrichtung künftiger Homöopathiekritik. Dem Versuch, durch wissenschaftliche Mimikry eine wissenschaftliche Relevanz der Homöopathie vorzutäuschen, muss dabei natürlich weiter entgegengetreten werden. Aber eben mit dem ceterum censeo, dass es dabei um nicht mehr geht als um die Abwehr von Täuschen, Tricksen und Tarnen.

Weitere Beiträge auf diesen Seiten werden im Detail begründen, weshalb es dabei um Täuschen, Tricksen und Tarnen geht. Dabei wird es vor allem darum gehen, weshalb die Homöopathie überhaupt den Drang verspürte, wissenschaftliches Renommee zu erlangen (nachdem ihr sehr lange ihr “Ruf als Erfahrungsmedizin” vollauf genügte) und wie sehr ihr dabei ausgerechnet die Etablierung der Evidenzbasierten Medizin entgegenkam.


Weitere Beiträge (neben den Links im Text), in denen ich Teilaspekte des hier dargelegten Themas außerhalb dieses Blogs bereits besprochen habe:

Der Scharlatan ist ein Meister aus Deutschland

Warum bloß?

Abschied vom Paralleluniversum


Bild von Mabel Amber auf Pixabay