
Gute Nerven? Dann lest den hier verlinkten Bericht von Joseph Kuhn bei den scienceblogs über eine Podiumsdiskussion im Rahmen einer erneuten Ringvorlesung zur Homöopathie an der LMU München.
Wir wollen uns gar nicht erst darüber aufregen, dass ungeachtet der auch vom INH angestoßenen kritischen Diskussion zum Wintersemester 2016 die LMU – auch diesmal unter der Regie des Haunerschen Kinderspitals, einer Außenstelle der Homöopathie-Lobby – wiederum diese Veranstaltung geschehen lässt. Viel wichtiger erscheint mir, dass der Bericht von Joseph Kuhn ein bezeichnendes, ja grelles Schlaglicht auf die homöopathische Position wirft, wie sie von den großen Proponenten vertreten wird. Wer noch Illusionen gehabt haben sollte, der lese:
- Die Reduzierung der Homöopathie auf ihre positiven Aspekte im Sinne einer niedrigschwelligen „Psychotherapie light“ – entsprechend der ursprünglichen Vorstellung von Dr. Natalie Grams im Buch „Homöopathie neu gedacht“- wird rundweg abgelehnt. Das hat der entsprechende Vorstoß von Dr. Werner Bartens in dieser „Diskussion“ in aller Schärfe deutlich gemacht und die letzten Zweifel am Diskursunwillen der Homöopathen wohl beseitigt.
- Damit beharren die Homöopathen auch dieses Mal wieder auf einer spezifischen Wirksamkeit ihrer Methode als Arzneimitteltherapie. Das wiederum weckt natürlich den Wunsch nach wissenschaftlicher Reputation. Oder was man so dafür hält.
- Vollkommen unbeeindruckt von der wissenschaftlich nahezu einhellig negativ beurteilten Studienlage beharren hochrangige Vertreter der Methode auf dem Standpunkt, der Wirkungsnachweis sei evidenzbasiert erbracht. Das kann man eigentlich nur noch mit Kopfschütteln quittieren.
- Die in ihren Augen durchschlagende Erklärung dieser abenteuerlichen Behauptung liefern die Homöopathen gleich nach: Indem sie behaupten, der in ihren Augen evidenzbasierte Nachweis sei weltweit und seit Jahrhunderten durch die Menge an positiven Erfahrungen, sowohl des einzelnen Vortragenden als auch „überhaupt“, erbracht. Genau das ist aber, was jeder, der eine wissenschaftliche Ausbildung erfahren hat, eben kein Evidenznachweis für die spezifische Wirksamkeit der Methode – ein unwiderlegbarer Kernpunkt der Kritiker. Das Induktionsproblem, das die Nichteignung von Anekdotensammlungen, seien sie noch so groß, für einen Evidenznachweis aufzeigt, scheint unbekannt zu sein – oder wird im Hinblick auf das ohnehin begeisterte Publikum beiseitegeschoben.
- Darüber hinaus werden geradezu verschwörungstheoretische Aspekte bemüht, um die Homöopathie mit aller Gewalt in das nicht passende Korsett der Wissenschaftlichkeit zu zwängen. Skeptiker („DIE Skeptiker“) werden nicht als Gegner in einem sachlichen Diskurs wahrgenommen, sondern in einem diffusen „Feindverhältnis“ verortet.
- Und natürlich durfte auch der Vorwurf an „die Skeptiker“, hier in Person von Dr. Werner Bartens , nicht fehlen, man diskreditiere systematisch die Homöopathie und sei blind für Mängel und Fehler von „Schulmedizin“ und „BigPharma“. Was nun gerade bei der Person von Dr. Bartens geradezu ein grotesker Vorhalt ist. Offensichtlich war den Anwesenden bei diesem hochmögenden Symposium überhaupt nicht bekannt, wer bei ihnen auf dem Podium saß. Eine auch nur halbwegs seriöse Vorbereitung hätte zutage fördern müssen, dass Dr. Bartens u.a. mit dem “Ärztehasserbuch” und mit “Auf Kosten der Patienten. Wie das Krankenhaus uns krank macht” (das ist nur eine kleine Auswahl) zu den profiliertesten Kritikern des bestehenden Medizinsystems in Deutschland gehört. Allein hieran lassen sich die herausragende Qualität und der wissenschaftlich-universitäre Level der Veranstaltung schon ermessen.
- Die Forderung nach einem der Methode angepassten Studiendesign (was die widersinnige Forderung nach einem eigenen, “zweiten” Wissenschaftsbegriff beinhaltet) wird zum wiederholten Male erhoben. Wissenschaftstheoretisch unsinnig, methodisch längst widerlegt. Solche für das Konzept der “individuellen Behandlung” konzipierten Studien, von Homöopathen geplant und durchgeführt, gibt es, beispielsweise die Münchner Kopfschmerzstudie. Unbekannt gewesen, trotz lokaler Kongruenz? Auch in die Meta-Reviews von Mathie und Linde waren solche Studien einbezogen. Sie zeigen genauso wenig positive Ergebnisse für die Homöopathie wie alle anderen auch.
- Zur Studienlage werden Halbwahrheiten und Kolportagen verbreitet wie die Nichtberücksichtigung von kleineren Studien in Metareviews (NHMRC, derzeit offenbar ein Lieblingsthema), wohlgemerkt gegenüber einem durchweg positiv konditionierten Publikum, ohne diesem gegenüber die Hintergründe auch nur zu erwähnen.
- Man lässt im Rahmen der Veranstaltung Marketingleute darüber vortragen, wie man taktisch am besten die ablehnende Position der „Schulmedizin“ untergräbt und sich weiter etabliert.
Eigentlich fehlten nur noch die Beschwörungen von Wassergedächtnis und Quantentheorie. Was sollte das alles, fragt sich nicht nur Joseph Kuhn.
Für diesen brachte die Veranstaltung noch eine interessante Empfehlung: Als er (als einer von zwei Zuhörern) dem Postulat, die Wirkung der Homöopathie sei ja wohl bei Pflanzen, Tieren und Zellen einwandfrei nachgewiesen, nicht folgen wollte, wurde ihm empfohlen, den Reader der WissHom aus dem Jahr 2016 über die Studienlage der Homöopathie zu lesen… Na ja. Hätte er das Paper zur Hand gehabt, hätte er den freundlich Empfehlenden ja mal auffordern können, ihm die Stelle zu zeigen, wo steht, dass es einen evidenten Wirkungsnachweis für die Homöopathie gibt. Das steht nämlich trotz vieler Worte dort gar nicht drin …
Die Umstände dieser Selbstbestätigungsveranstaltung, Podiumsdiskussion genannt, waren offenbar von einem sachlichen Diskurs denkbar weit entfernt. Das ist sehr schade – setzt das INH doch nach wie vor auf die Aufklärung über Sachinhalte und einen darauf bezogenen Diskurs. Ich jedenfalls bin kaum noch imstande, mit Worten angemessen zu beschreiben, was ich von alledem halte. Deshalb ja auch der Titel dieses Beitrages.
Bildnachweis: gemeinfrei
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