Über Wissenschaft, (Pseudo-)Medizin, Aufklärung, Humanismus und den Irrsinn des Alltags

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Homöopathie international: Die Reviews / die Statements / die Maßnahmen

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I.

Übersicht über die indikationsübergreifenden Reviews / Metaanalysen zur Homöopathie seit 1991

Kleijnen (1991) 

„Derzeit sind die Nachweise aus klinischen Studien positiv, aber sie sind nicht ausreichend, endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen, weil die Methodik in den meisten Studien von geringer Qualität ist und der Einfluss des „Publication bias“ unbekannt ist.“

Kleijnen J et al: Clinical trials of homeopathy, BMJ 1991; 302:316-23


Linde (1997) 

„Das Ergebnis unserer Meta-Analyse liefert keine Bestätigung für die Hypothese, die klinischen Effekte der Homöopathie bestünden alleine aus einer Placebowirkung. Wir fanden in diesen Studien jedoch nur unzureichende Nachweise dafür, dass die Homöopathie auch nur bei einem einzigen Krankheitsbild wirksam wäre.“

Linde K et al.: Are the clinical effects of homeopathy placebo effects? A metaanalysis of placebo-controlled trials, The Lancet 1997;350:834-43 


Linde (1998) 

„Die Ergebnisse der vorliegenden randomisierten kontrollierten Studien deuten darauf hin, dass die Homöopathie eine über Placebo hinausgehende Wirkung aufweist. Die Nachweise sind jedoch wegen methodischer Schwächen und Widersprüchlichkeit nicht überzeugend.“

Linde K et al: Randomized controlled trials of individualized homeopathy: A state-of-the-art review, Journal of Alternative and Complementary Medicine 1998; 4(4):371-388 


Cucherat (2000) 

„Es gibt ein paar wenige Nachweise dafür, dass homöopathische Therapien wirksamer sind als Placebos; die Aussagekraft dieser Nachweise ist wegen der nur geringen methodischen Qualität der Studien nur gering. Studien von höherer methodischer Qualität waren eher ungünstiger als solche mit geringer Qualität.“

Cucherat M et al.: Evidence of clinical efficacy of homeopathy, Eur. J Clin Pharmacol 2000;56:27-33 


Shang (2005) 

„… es zeigten sich schwache Nachweise für einen spezifischen Effekt der homöopathischen Arzneien (…) Die Ergebnisse bestätigen den Eindruck, dass es sich bei den klinischen Effekten der Homöopathie um Placeboeffekte handelt.“

Shang A et al. Are the clinical effects of homeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homeopathy and allopathy, Lancet 2005;366:726-32 

Die Shang-Studie, von der Schweizer Bundesregierung zur Evaluation komplementärmedizinischer Methoden in Auftrag gegeben, führte zu dem Lancet-Editorial vom „Ende der Homöopathie“ und in der Folge zu langandauernden Kontroversen um die Arbeit (die noch heute gelegentlich aufflackern). Auch von Homöopathiekritikern wurden einzelne Punkte bemängelt, jedoch ist es nie gelungen, die Endaussage zu Lasten der Homöopathie zu Fall zu bringen. Einen Überblick über die Diskussion zur Shang-Studie gibt es hier und hier.


Mathie (2014) 

„Arzneien, die als Homöopathika individuell verordnet wurden, haben vielleicht einen kleinen spezifischen Effekt. (…) Die generell niedrige und unklare Qualität der Nachweise gebietet aber, diese Ergebnisse nur vorsichtig zu interpretieren.“

Mathie RT et al.: Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis, Systematic Reviews 2014;3:142 

Mathie 2014 ist die wohl am häufigsten als Beleg pro Homöopathie herangezogene zusammenfassende Arbeit. Nahezu regelhaft lässt sich beobachten, dass aus dem vorstehenden Fazit nur der erste Satz zitiert und der zweite, der das ohnehin schwache Ergebnis nochmals stark relativiert, so gut wie nie angeführt wird.


NHMRC (2015) 

„Es gibt keine zuverlässigen Nachweise dafür, dass die Homöopathie bei der Behandlung von Gesundheitsproblemen wirkungsvoll wäre.“

National Health and Medical Research Council. 2015. NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. Canberra: NHMRC;2015 


Mathie (2017) 

„Die Qualität der Nachweise als Ganzes ist gering. Eine Meta-Analyse aller ermittelbaren Daten führt zu einer Ablehnung unserer Nullhypothese [dass das Ergebnis einer Behandlung mit nicht-individuell verordneten Homöopathika nicht von Placebo unterscheidbar ist], aber eine Analyse der kleinen Gruppe der zuverlässigen Nachweise stützt diese Ablehnung nicht. Meta-Analysen für einzelne Krankheitsbilder ergeben keine zuverlässigen Nachweise, was klare Schlussfolgerungen verhindert.“

Mathie RT et al.: Randomised, double blind, placebo-controlled trials of nonindividualised homeopathic treatment: Systematic review and meta-analysis, Systematic Reviews 2017;6:663


Mathie (2018) 

„Aufgrund der geringen Qualität, der geringen Anzahl und der Heterogenität der Studien lassen die aktuellen Daten einen entscheidenden Rückschluss auf die Wirksamkeit von IHT (individualisierten homöopathischen Therapien) nicht zu. Die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse wird durch die insgesamt identifizierte variable externe Validität eingeschränkt […]. Künftige OTP-kontrollierte Studien (Anm: other than placebo, also gegen Standardtherapien oder ganz ohne Behandlung getestet) in der Homöopathie sollten so weit wie möglich darauf abzielen, sowohl die interne Validität als auch die externe Validität zu fördern.“

Mathie RT et al.: Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised, Other-than-Placebo Controlled, Trials of Individualised Homeopathic Treatment. Homeopathy 2018; DOI: 10.1055/s-0038-1667129 


Antonelli /Donelli (2018) 

„Wenn die Wirksamkeit der Homöopathie mit einem Placebo vergleichbar ist und eine Behandlung mit Placebo bei manchen Beschwerden wirksam sein kann, dann kann man die Homöopathie insgesamt als Placebotherapie ansehen. Die Interpretation der Homöopathie als Placebotherapie definiert Grenzen und Möglichkeiten dieser Lehre.“

Die Arbeit vergleicht Homöopathie mit sogenanntem „offenen Placebo“, also Behandlungen, bei denen den Patienten mitgeteilt wird, dass sie ein Placebo erhalten. Das Ergebnis stellt fest, dass die Wirksamkeit der Homöopathika der offenen Placebobehandlung entspricht.

Es scheint Intention dieser Arbeit zu sein, die Homöopathie als Placebotherapie zu „legitimieren“, was ein Kurswechsel in dem Bemühen wäre, eine Wirksamkeit der Homöopathie mit den Methoden der Evidenzbasierten Medizin nachzuweisen. Es muss allerdings der Tendenz entgegen getreten werden, auf diese Weise Homöopathie als Teil von Medizin zu rechtfertigen, was inzwischen sogar von der klinischen Placeboforschung ausdrücklich hervorgehoben wird (so Benedetti F, The Dangerous Side of Placebo Research: Is Hard Science Boosting Pseudoscience?, Clinical Pharmacology & Therapeutics Vol 106 No 6 Dec 2017).

Antonelli M, Donelli D: „Reinterpreting homeopathy in the light of placebo-effects to manage patients who seek homeopathic care: A systematic Review“, Health Soc Care Community (2018). doi: 10.1111/hsc.12681


Mathie (2019) 

„Die aktuellen Daten lassen eine entscheidende Aussage über die vergleichbare Wirksamkeit von NIHT (Nichtindividualisierte homöopathische Therapie, Behandlung mit Standardmitteln) nicht zu. Die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse wird durch die insgesamt festgestellte begrenzte externe Validität (Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse) eingeschränkt. Die höchste intrinsische Qualität wurde in den Äquivalenz- und Nichtunterlegenheitsstudien von NIHT beobachtet.“

Auch diesmal kommt Mathie, was die Qualität der von ihm betrachteten Studien angeht, zu einem vernichtenden Ergebnis: Von 17 eingeschlossenen Arbeiten war keine einzige mit einem „low risk of bias“, also einer ausreichenden Qualität und Aussagekraft, zu bewerten. 13 davon waren gar mit einem „high risk of bias“ einzustufen. Was dies bedeutet, ist nachstehend in der Gesamtbewertung der Studienlage erläutert.

Mathie RT et al.: Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised, Other-than-Placebo Controlled, Trials of Non-Individualised Homeopathic Treatment. 
Homeopathy 2019 Jan 30. doi: 10.1055/s-0038-167748


Bewertung der Gesamtevidenz aus den indikationsübergreifenden Reviews im Zeitraum von 1991 bis 2019

Reviews / Metaanalysen stellen die zuverlässigste Quelle für die Beurteilung von Evidenz dar und repräsentieren so in der Hierarchie von Evidenz die höchste Stufe. Sie fassen Einzelstudien bzw. vorherige Analysen unter Berücksichtigung der Qualität und Validität ihrer Ergebnisse zusammen und ermöglichen so eine Gesamtschau auf die Evidenzlage zu medizinischen Methoden / Mitteln.

Die Ergebnisse der großen indikationsübergreifenden Reviews zur Homöopathie ergeben durchweg ein einheitliches Fazit: Man erhält auf den ersten Blick den Eindruck, dass es einen gewissen Nutzen geben könnte. Aber bei der – elementar wichtigen – Einbeziehung der Qualität der Aussagen in die Betrachtung oder bei dem Versuch, konkret festzustellen, für wen sich unter welchen Bedingungen sich ein Nutzen ergibt, verschwindet der positive Eindruck und zeigt sich als Trugschluss.

Zusammengefasst: Die Gesamtevidenz zur Homöopathie stellt sich so dar, dass es keinen belastbaren Nachweis dafür gibt, dass Homöopathie stärker wirkt als Placebo / Kontexteffekte. Alle zitierten Arbeiten kommen zu dem gleichen Schluss, sowohl die von homöopathischer Seite heftig kritisierten Arbeiten von Shang und des NHMRC als auch die Arbeiten Mathies, der seine vier Reviews der Gesamtstudienlage für das Homeopathy Research Institute durchgeführt hat, das zu den ständigen Kritikern der nicht von Homöopathen erstellten Reviews gehört. Die vielfach euphemistisch-ausweichend formulierten „Conclusions“ der von homöopathischer Seite durchgeführten Reviews dürfen über die nirgends belegte Evidenz für die Homöopathie nicht hinwegtäuschen, nicht zuletzt, weil sie Vertretern der Homöopathie in Diskussionen die Möglichkeit bieten, scheinbar positive Aussagen (selektiv) zu zitieren.

Die stets konstatierte mangelnde Qualität der untersuchten Studien darf nicht fälschlich als Relativierung des für die Homöopathie negativen Ergebnisses verstanden werden. Fehler und methodische Unzulänglichkeiten in Studien und Studiendesign wirken sich nahezu zwangsläufig in Richtung des sogenannten Alpha-Fehlers, also eines falsch-positiven Ergebnisses, aus und nicht umgekehrt.

Dies wird auch dadurch bestätigt, dass unter Einbeziehung der qualitativ besten Arbeiten die positiv erscheinenden Effekte sich nicht verstärken, sondern tendenziell verschwinden. Dies zeigen auch viele der hier angeführten Reviews immer wieder.

In einzelnen Reviews ist sogar zu bemängeln, dass methodisch gute Studien mit einem negativen Ergebnis für die Homöopathie gänzlich unberücksichtigt geblieben sind (z.B. bei Mathie 2014, wo bei Einbeziehung dieser Arbeiten das schwache Ergebnis zugunsten der Homöopathie vollends obsolet gewesen wäre).


II

Stellungnahmen von wissenschaftlichen Organisationen und staatlichen Stellen zur Homöopathie

Russische Akademie der Wissenschaften, 2017 
Deutsche Übersetzung: Informationsnetzwerk Homöopathie (2017)

„Dieses Memorandum stellt fest, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft Homöopathie heute als Pseudowissenschaft betrachtet. Ihre Verwendung in der Medizin steht im Gegensatz zu den grundlegenden Zielen der nationalen Gesundheitspolitik […].

Somit basiert die Homöopathie auf theoretischen Positionen, die in großen Teilen direkt grundlegenden wissenschaftlichen Prinzipien und Gesetzen der Physik, Chemie, Biologie und Medizin widersprechen. Keinerlei empirische Daten aus unabhängigen, hochqualitativen klinischen Studien bestätigen die klinische Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln.“


National Health and Medical Research Council, Australien (2015)

„Die Homöopathie sollte nicht zur Behandlung chronischer, ernster oder schwerwiegender Gesundheitszustände eingesetzt werden. Menschen, die sich für die Homöopathie entscheiden, können ihre Gesundheit gefährden, wenn sie Behandlungen ablehnen oder verzögern, für die es gute Beweise für Sicherheit und Wirksamkeit gibt.“


Ungarische Akademie der Wissenschaften

Homöopathische Mittel erfüllen nicht die Kriterien der evidenzbasierten Medizin.


Schwedische Akademie der Wissenschaften

Die Aufnahme anthroposophischer und homöopathischer Produkte in die schwedische Arzneimittelrichtlinie würde mehreren Grundprinzipien für Arzneimittel und evidenzbasierte Medizin zuwiderlaufen. Es ist grob irreführend, Homöopathika als Medikamente zu bezeichnen.


US Food and Drug Administration (FDA)

Wir empfehlen Eltern und Betreuungspersonen, Kindern keine homöopathischen Kinderzahntabletten und -gele zu geben und sich von ihrem Arzt beraten zu lassen, um sichere Alternativen zu finden.


NCCIH (Nationales Zentrum für komplementäre und integrative Gesundheit), USA

Verwenden Sie die Homöopathie nicht als Ersatz für eine bewährte konventionelle Behandlung oder um den Besuch bei einem Arzt wegen eines medizinischen Problems zu verschieben.


Von der US-amerikanischen Verbraucherschutzbehörde FTC geforderte Standardkennzeichnung homöopathischer Mittel, 2016

„Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass das Produkt wirkt
Die Erklärungen zum Produkt basieren ausschließlich auf den Theorien der Homöopathie aus dem 18. Jahrhundert, die von der Mehrzahl der heutigen medizinischen Fachleute nicht akzeptiert werden.“


The House of Commons, Science and Technology Committee, 2009

Homöopathische Mittel sind nicht besser als Placebos, und die Prinzipien, auf denen die Homöopathie beruht, sind wissenschaftlich nicht plausibel.
Schlussfolgerung: Homöopathie sollte nicht vom National Health Service unterstützt werden und die MHRA (Arzneimittel-Zulassungsbehörde) sollte die Lizensierung homöopathischer Produkte beenden.


National Health Service, Vereinigtes Königreich

Es gibt keine qualitativ hochwertigen Belege dafür, dass die Homöopathie als Behandlung für irgendeine medizinische Indikation wirksam ist. Homöopathie ist im besten Falle Placebo.


Royal Pharmaceutical Society, Großbritannien, 2017

„Die Royal Pharmaceutical Society (RPS) unterstützt die Homöopathie als Behandlungsform nicht, da es weder eine wissenschaftliche Grundlage für die Homöopathie noch Belege für eine klinische Wirksamkeit homöopathischer Produkte über den Placebo-Effekt hinaus gibt.

Die RPS unterstützt keine Verschreibung homöopathischer Produkte im Rahmen des NHS (inzwischen erledigt mit der Übernahme der NHS-Empfehlungen zur Homöopathie durch sämtliche englischen Regionalorganisationen).

Apotheker sollten sicherstellen, dass Patienten die Einnahme ihrer verschriebenen konventionellen Medikamente nicht einstellen, wenn sie ein homöopathisches Produkt einnehmen oder dies in Erwägung ziehen.

Apotheker müssen sich darüber im Klaren sein, dass Patienten, die nach homöopathischen Produkten fragen, schwere, nicht diagnostizierte Krankheiten haben können, die die Inanspruchnahme eines Arztes erfordern.

Apotheker müssen Patienten, die ein homöopathisches Produkt in Betracht ziehen, über dessen mangelnde Wirksamkeit über Placeboeffekte hinaus beraten.“


Ministerium für Gesundheit, Spanien

„Die Homöopathie hat ihre Wirksamkeit in keiner bestimmten Indikation oder klinischen Situation endgültig bewiesen.“


Oberster Medizinischer Rat (NRL) der Nationalen Ärztekammer, Polen

„Die Anwendung der Homöopathie verstößt gegen die Grundsätze der medizinischen Ethik.“


Prof. Maciej Latalski, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates des polnischen Gesundheitsministers, Vorsitzender der Konferenz der Rektoren der medizinischen Universitäten in Polen (2006)

“(…) Homöopathie hat nichts mit Medizin zu tun (außer dem Phänomen des Placebos), und ihre therapeutischen Prinzipien basieren auf der pseudowissenschaftlichen Prämisse, dass “Ähnliches mit Ähnlichem behandelt werden kann.“


Federaal Kenniscentrum voor de Gezondheidszorg, Belgien / Englischsprachiger Teil

„Aus rein klinischer Sicht bleibt festzuhalten, dass es keinen gültigen empirischen Nachweis für die Wirksamkeit der Homöopathie (evidenzbasierte Medizin) über den Placeboeffekt hinaus gibt.“


European Academies Science Advisory Council (EASAC)

„Wir erkennen an, dass ein Placebo-Effekt bei einzelnen Patienten auftreten kann, aber wir stimmen mit früheren umfangreichen Evaluierungen überein, die zu dem Schluss kommen, dass es keine bekannten Krankheiten gibt, für die robuste, reproduzierbare Beweise existieren, dass Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus wirksam ist.“


Akademie der medizinischen Wissenschaften, Frankreich

„Homöopathie ist eine Methode, die vor zwei Jahrhunderten auf der Grundlage von a-priori-Konzepten ohne wissenschaftliche Grundlagen entwickelt wurde.“


Nationaler Rat der französischen Ärztekammern
zur Homöopathie-Debatte 2018 in Frankreich

Ohne die Freiheit kritischer oder divergierender Meinungen jedes Einzelnen im öffentlichen Raum in Frage zu stellen, fordert der Nationalrat der Ärztekammer:

  • dass der Begriff „Medizin“ als Voraussetzung für jedes therapeutische Vorgehen als erstes einen medizinischen Prozess der klinischen Diagnose beinhaltet, der gegebenenfalls durch zusätzliche Untersuchungen unter Hinzuziehung kompetenter Dritter ergänzt wird;
  • dass jeder Arzt Medizin nach wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnissen und Daten sowohl bei der Erstellung der Diagnose als auch beim Therapievorschlag praktizieren muss.

Oberste französische Gesundheitsbehörde: Erneute Evaluation der Studienlage zur Homöopathie (2019)

Insgesamt zeigten keine belastbaren Studien die Überlegenheit homöopathischer Arzneimittel gegenüber konventionellen Behandlungen oder dem Placebo in Bezug auf die Wirksamkeit.


Zentrale Ärztekammer der Region Madrid (ICOMEM)

„Über homöopathische Produkte: [Die Ärztekammer …] sieht es insofern als unethisch an, dass Methoden, aber auch Verschreibungen von Arzneimitteln als wirksame Therapien dargestellt und vorgeschlagen werden, bei denen wissenschaftliche Grundlagen fehlen, denen illusionäre Vorstellungen zugrunde liegen oder die sich praktisch unzureichend bewährt haben.

Aus diesen Gründen wird die Verantwortung des Arztes öffentlich eingefordert und an seine Pflichten gegenüber dem Patienten und dem Berufsstand gegenüber erinnert.


Was den europäischen Bereich betrifft, so ist – abgesehen natürlich von den Ländern, bei denen Homöopathie in den Gesundheitssystemen ohnehin keine Rolle spielte – Deutschland das einzige Land, das nach der Veröffentlichung des als Empfehlung an die Regierungen und die EU-Kommission gedachten Statements zur Homöopathie keinerlei Veränderungen im Arzneimittel- und Sozialrecht vorgenommen hat. Damit kann mit Fug und Recht festgehalten werden, dass Deutschland in dieser Hinsicht die europäische „Rote Laterne“ innehat – hinten am letzten Waggon mit der Bremsanlage.


III

Gesundheitspolitische / staatliche Maßnahmen
zur Homöopathie im Gesundheitswesen

USA – Federal Trade Commission (US-Verbraucherschutzbehörde) – 2016

Die FTC fordert in einem „Enforcement Policy Statement on Marketing Claims for OTC Homeopathic Drugs“ vor dem Hintergrund, dass ein Vertrieb als Arzneimittel ohne Evidenznachweise nicht hingenommen werden könne, eindeutige Kennzeichnungen von homöopathischen Präparaten.

Statements der zugehörigen Pressemitteilung:

„Diese Irreführung der Kunden (Verkauf als Arzneimittel ohne wissenschaftlichen Wirkungsnachweis) könne dadurch beseitigt werden, dass die Hersteller in ihren Begleitmaterialien („marketing materials“) angeben, dass es

  • keine wissenschaftlichen Belege dafür gäbe, dass das Produkt wirkt und dass sich
  • die Angaben lediglich auf die Theorien der Homöopathie, die aus dem 18. Jahrhundert datieren, abstützen, die von den meisten modernen medizinischen Fachleuten nicht akzeptiert werden.“

Russische Föderation, Russische Akademie der Wissenschaften / Gesundheitsministerium – 2017

Die „Kommission zur Bekämpfung von Pseudowissenschaften“ am Präsidium der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAS) hat 2017 ein Memorandum „Über die Pseudowissenschaft Homöopathie“ herausgegeben. Die RAS hat auf der Grundlage eines interdisziplinären Fachgutachtens die Homöopathie als Pseudomedizin eingestuft und erklärt, dass künftige Erkenntnisse, die dies revidieren könnten, nicht zu erwarten sei (deutsche Übersetzung hier). Die Homöopathie soll aus allen Ebenen des öffentlichen Gesundheitswesens entfernt werden. Als Maßnahmen wurden dem Gesundheitsministerium zur Umsetzung u.a. vorgeschlagen:

  • […] Die postgraduale Ausbildung zukünftiger Ärztinnen und Ärzte hat darauf abzuzielen, diese mit den Grundannahmen pseudowissenschaftlicher Methoden – einschließlich Homöopathie – und der Kritik daran, die zur Einstufung als Pseudowissenschaft führt, vertraut zu machen.
  • Versicherungen haben sich an die gängige Praxis zu halten, die keine Leistungserbringung für Homöopathie vorsieht.
  • Kein gleichberechtigter Apothekenverkauf von Arzneimitteln und homöopathischen Präparaten. Homöopathische Medikamente sollten in einer separaten Vitrine vorgehalten werden.
  • Keine Beratung von Patienten mehr zu homöopathischen Mitteln. Pflichtberatung in Apotheken bei Patienten, die homöopathische Mittel verlangen, dahingehend, dass die Homöopathie nach wissenschaftlichen Kriterien keinen Wirkungsnachweis erbringen konnte.
  • Verpflichtung der Ärzte zur Information von Patienten über die Wirkungslosigkeit der Homöopathie und ihre Einstufung als Pseudomedizin. Keine Zusammenarbeit mit Organisationen, die weiterhin Homöopathie fördern und verbreiten. Eine Verschreibung homöopathischer Mittel ist als unethisch anzusehen, und zwar auch dann, wenn nur der Placebo-Effekt erreicht werden soll. […]

Australien, Gesundheitsministerium und Verband der Versicherungsanbieter / Pharmaceutical Society of Australia) – 2017

Homöopathie wurde bislang nur innerhalb von privaten Zusatzmodulen zur gesetzlichen Krankenversicherung angeboten. Das australische Gesundheitsministerium und die Versicherungsträger haben sich 2017 darauf geeinigt, Homöopathie-Erstattungen (neben anderen Methoden ohne Wirkungsnachweis) auch im Bereich der privaten Zusatzversicherung nicht mehr zuzulassen. Damit wurde einer Empfehlung des Royal Australian College of General Practitioners (der Allgemeinärzteorganisation Australiens) als Konsequenz aus dem NHMRC-Review von 2015 gefolgt. Die Entscheidung wurde 2019/20 nochmals evaluiert und blieb unverändert.

Gesundheitsministerium und Apothekerverband haben als Fazit einer gemeinsamen Begutachtung erklärt, dass „diese Produkte (Homöopathika) keine Evidenzbasis hätten und ausreichende Beweise für ihre Nichtwirksamkeit bestünden, um aus ethischen Gründen ihren Verkauf in öffentlichen Apotheken auszuschließen. Die Pharmaceutical Society of Australia und andere Berufsvereinigungen haben ergänzend erklärt, dass sie den Verkauf und das Vorhalten von Homöopathika in öffentlichen Apotheken nicht unterstützen.

Nachtrag: Inzwischen hat sich dies im offiziellen PSA Code of Ethics for Pharmaceutics niedergeschlagen. Aufgrund dessen hat die PSA nun Werbetreibenden und Einkaufsgemeinschaften des pharmazeutischen Bereichs dringend empfohlen, in keiner Form für Homöopathika zu werben.


Vereinigtes Königreich, National Health Service – 2017

Der National Health Service (NHS), der Träger des Gesundheitssystems in Großbritannien, hat die Verschreibungsfähigkeit von Homöopathika (und 17 weiteren Mitteln, durchweg pflanzliche Remedia) beendet. Die Regionalorganisationen des NHS erhielten entsprechende „Blacklists“. Der Schritt erfolgte wegen „geringer klinischer Wirksamkeit“ und/oder „geringer Kosteneffizienz“. Speziell die Homöopathie sei „im besten Fall Placebo”.

Der NHS folgt damit einer bereits aus dem Jahre 2009 stammenden Empfehlung des Science and Technology Committee des House of Commons: „Homeopathy should not be funded on the NHS and the MHRA should stop licensing homeopathic products… We conclude that the Government’s policies on the provision of homeopathy through the NHS and licensing of homeopathic products are not evidence-based“).


Spanisches Gesundheitsministerium – 2017

Die spanische Gesundheitsministerin hat den Regionen per Erlass die Erstattung von Homöopathie im Krankenversicherungssystem ausdrücklich untersagt und wiederholte Verstöße der Regionen gegen die entsprechende bisherige Weisung gerügt. Noch bestehende Genehmigungen für Homöopathika-Erstattungen in der Region Valencia (nach dem sog. Königl. Dekret 1/2015) wurden zurückgezogen.


Food and Drug Administration, USA – 2017

Die Food and Drug Administration (FDA), die US-amerikanische Arzneimittelbehörde, hat in einer Pressemitteilung vom 18.12.2017 erstmals Regulationsvorschriften für den Vertrieb und Verkauf von Arzneimitteln ohne Wirkungsnachweis, insbesondere der Homöopathie, angekündigt. Sie erkennt damit ausdrücklich die Risiken an, die damit verbunden sind, dass Patienten Mitteln ohne Wirkungsnachweis auch bei schwereren Erkrankungen vertrauen könnten. Aus der Pressemitteilung:

„Bis vor relativ kurzer Zeit war die Homöopathie ein kleiner Markt für Spezialprodukte. Im Laufe des letzten Jahrzehnts ist der Markt für homöopathische Arzneimittel exponentiell gewachsen. Dies hat eine Industrie mit einem Volumen von fast 3 Milliarden US-Dollar hervorgebracht, was entsprechend mehr Patienten den potenziellen Risiken aussetzt, die mit der Verbreitung von unbelegten, nicht getesteten Produkten und unbegründeten gesundheitsbezogenen Angaben verbunden sind. […]

Der Leitlinienentwurf ist ein wichtiger Schritt in der Arbeit der Agentur zum Schutz der Patienten vor unbewiesenen und potenziell gefährlichen Produkten. […]“


Schweiz – Einführung der Erstattungsfähigkeit von Homöopathie als „politischer Kompromiss“ ohne Wirksamkeitsnachweis – 2017

Die Situation in der Schweiz stellt einen Sonderfall dar. Derzeit ist die allgemeine Krankenversicherung ermächtigt, Kostenerstattungen für fünf „komplementärmedizinische Methoden“ (darunter die Homöopathie) zu leisten. Dies geschieht jedoch nicht aufgrund von Evidenznachweisen.

Parallel zu einer ersten „probeweisen“ Einführung der Kostenerstattung für fünf „komplementäre“ Methoden (darunter Homöopathie) wurde 1999 in der Schweiz ein Programm zur Evaluation gestartet, von dem die zukünftige Handhabung abhängen sollte (PEK – Programm Evaluierung Komplementärmedizin). Bezüglich der Homöopathie führte dieses Programm zu der unter I.5 gelisteten Studie Shang et al. Diese erbrachte (ebenfalls) keinen belastbaren Wirkungsnachweis für die Homöopathie (sie verursachte jahrelang massive Kontroversen in der Fachwelt, ist bis heute noch Gegenstand von Diskussionen, die Richtigkeit der Gesamtaussage konnte jedoch niemals erschüttert werden). Daraufhin wurde die Erstattungsfähigkeit der fünf Verfahren – einschließlich der Homöopathie – in der Schweiz wieder beendet.

Per Volksentscheid „Für den Erhalt von Komplementärmedizin“ wurde dessen ungeachtet erreicht, die Komplementärmedizin als Teil der Gesundheitsfürsorge in der schweizerischen Verfassung zu verankern. Die Umsetzung dieser Entscheidung nahm erhebliche Zeit in Anspruch und endete in einem politischen „Kompromiss“: In einem „Vertrauensbonus“ für die Komplementärmedizin. Ungeachtet der nach wie vor nicht belegten Evidenz der Wirksamkeit werden seit dem 01.07.2017 pauschal die in Rede stehenden fünf Therapien in den Leistungskatalog aufgenommen und erst dann, wenn Ärzte- oder Patientenorganisationen einen Antrag auf Überprüfung stellen, sollen diese im Einzelfall „auf ihren therapeutischen Nutzen“ untersucht werden.

Die derzeit bestehende Kostenerstattungsfähigkeit für Homöopathie im Schweizer Gesundheitssystem ist also keineswegs ein Beleg für eine anerkannte Evidenz der Methode, wie oft und gern behauptet wird. Die derzeitige Situation in der Schweiz ist mit den Ergebnissen der eigenen Evaluation (Arbeit Shang et al.) unvereinbar.

Die ganze Geschichte dieses langjährigen Prozesses beschreibt das Informationsnetzwerk Homöopathie hier.

Die Neue Zürcher Zeitung hat zu den wiederholten Versuchen deutscher Homöopathie-Organisationen, das „Schweizer Modell“ als Beleg pro Homöopathie darzustellen, einen umfassenden klarstellenden Artikel veröffentlicht.


Spanisches Gesundheitsministerium – 2018

Die spanische Gesundheitsministerin hat sich im Interview mit La Vanguardia , klar zur Homöopathie als Pseudowissenschaft positioniert:

„Die Homöopathie ist eine „alternative Therapie“, die wissenschaftlich nicht belegt ist.

Gesundheitseinrichtungen haben die Pflicht, Produkte mit nachgewiesener Wirkung zu verwenden, d.h. Medikamente, die strengen klinischen Studien und Kriterien unterzogen wurden. Wenn homöopathische Arzneimittel wissenschaftliche Nachweise erbringen, werden sie als solche angesehen. Das ist nicht mehr der Fall.

Wir arbeiten mit dem Wissenschaftsministerium an einer Strategie zur Bekämpfung der Pseudowissenschaften. Sobald diese Strategie vorliegt, werden wir Maßnahmen zu einzelnen Methoden / Mitteln vorlegen, aber es ist klar, dass es vordringlich ist, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und aufzuzeigen, welche Produkte für die Gesundheit nützlich sind und welche nicht, und den Schaden zu erklären, den die Entscheidung für eine alternative Therapie anrichten kann.“


Ungarisches Nationales Institut für Pharmazie und Lebensmittelgesundheit (OGYÉI) – 2020

„Ab dem 1. Juli (2020) darf ein homöopathisches Arzneimittel nur dann mit einer therapeutischen Indikation vermarktet werden, wenn die Wirksamkeit der Behandlung durch klinische Studien bestätigt wurde. Solche Mittel existieren derzeit jedoch nicht.

Ab dem Stichtag können homöopathische Arzneimittel nur in Ungarn ohne “therapeutische Indikation” vermarktet werden, da ihre Indikation für die auf dem Markt befindlichen Produkte durch eine klinische Studie nicht bestätigt wurde.

Die Werbung für marktfähige homöopathische Arzneimittel wird daher ab dem 1. Juli 2020 möglicherweise nur noch den Etikettentext des Produkts und keine zusätzlichen Informationen enthalten.“

Durch die Änderung des Gesetzes zur Änderung der Rechtsvorschriften über Humanarzneimittel und anderer Rechtsvorschriften zur Regulierung des Pharmamarkts (in Kraft getreten zum 01.01.2020) hat Ungarn das Zulassungsregime für homöopathische Mittel, die mit einer Indikation auf den Markt kommen wollen, verschärft. Solche Mittel müssen nun ausnahmslos mit klinischen Studien auf wissenschaftlicher Basis ihre Wirksamkeit nachweisen. Die zum Stichtag auf dem Markt befindlichen Mittel mit Indikation genießen keinen Bestandsschutz. Im Ergebnis ist nach dem 01. Juli 2020 in Ungarn kein homöopathisches Mittel mehr auf dem Markt, das mit einer Indikationsangabe versehen ist oder werben darf.

In Deutschland würde dies einer Abschaffung des Kerns des Binnenkonsens entsprechen, indem der Kommission D beim BfArM die Möglichkeit genommen würde, indikationsbezogene Zulassungen auf der Grundlage „homöopathischen Erkenntnismaterials“ nach selbstgesetzten Kriterien auszusprechen.


Die Zusammenstellungen unter II und III erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Evidenzbasierte Medizin und Homöopathie (II) -Den Horizont erweitern

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Wir haben im ersten Teil dieses Beitrags gesehen, wie sehr die Pseudomedizin davon profitiert, dass sich die evidenzbasierte Medizin (EbM) weithin auf den reinen empirischen Outcome konzentriert – und dass dies zwar eine unter vielen Aspekten hervorragende Idee ist, aber eben keine Beurteilung einer Evidenz in einer wissenschaftlichen Gesamtschau leistet. Sie ist eine notwendige, aber nach Ansicht vieler keine zwingend hinreichende Bedingung für die Begründung von Evidenz.

Empirieblindheit

Die EbM hat dazu geführt, dass viele Mediziner “empirieblind” (im Sinne von “schneeblind”) geworden sind, also die Reduzierung auf reine Empirie (fast) nicht mehr hinterfragen und nur auf den statistischen Outcome starren. Pseudomediziner nutzen dies für sich, denn an einem weiteren Hinterfragen wie auch immer zustande gekommener Empirie sind sie nicht interessiert. Leider profitieren sie davon, dass es schon beinahe als anrüchig gilt, eine Studie nur wegen der Unplausibilität ihrer Grundannahmen zu verwerfen. 

Was tun? Lassen wir Steven Novella (1) noch einmal zu Wort kommen und sein Beispiel mit dem “verdünnten Nichts” Oscillococcinum nochmals aufgreifen:

Eine vollständig wissenschaftsbasierte Medizin (Science Based Medicine, SbM in Erweiterung der EbM, wie Novella es nennt) würde einen anderen Ansatz verfolgen. […]
Eine wissenschaftlich fundierte Bewertung würde ausdrücklich die vorherige wissenschaftliche Plausibilität berücksichtigen und unser Verständnis von Physik, Chemie und Biologie zum Tragen bringen, die einen weitaus größeren und zuverlässigeren Bestand an wissenschaftlichen Erkenntnissen darstellen als die wenigen klinischen Studien mit Oscillococcinum. (!) Es würde auch die Gesamtheit der Homöopathieforschung im Kontext unseres derzeitigen Verständnisses von Evidenzmustern in der medizinischen Literatur berücksichtigen.

Wobei man unter „Evidenzmuster“ getrost auch die Tatsache verbuchen kann, dass die Homöopathie zwar gelegentlich “signifikante” (wir kommen darauf zurück), aber nur sehr schwache, meist klinisch nicht relevante (für den Patienten nicht erfahrbare) Effekte zutage gefördert hat. Wenn dies über einen langen Zeitraum und in vielen Studien immer wieder so ist, wäre der Schluss legitim, dass der gesuchte Effekt schlicht real nicht existiert (s. Review Antonelli / Donelli 2018). Stattdessen wird uns jedes kritisch zu hinterfragende Studienergebnis als der ultimative Beweis für gleich die gesamte Homöopathie präsentiert. Was auch verkennt, dass nach Carl Sagan außergewöhnliche Behauptungen außergewöhnliche Belege erfordern – und das sind reine statistische Signifikanzen sicher nicht.

Eine SbM-Prüfung würde zu dem Schluss kommen, dass die wissenschaftliche Grundlage für die Existenz von Oscillococcinum gelinde gesagt nicht überzeugend ist und tatsächlich eine Rangordnung der Pseudowissenschaften analog zu den N-Strahlen (hierzulande wenig bekannt, in den USA noch heute ein Symbol für wissenschaftliche Fehlleistungen – Anm. UE) aufweist. Die Homöopathie selbst gilt auch als Pseudowissenschaft, weil sie im Widerspruch zu unserem grundlegenden Verständnis von Physik und Chemie steht. Darüber hinaus ist die Gesamtheit der existierenden klinischen Forschung zur Homöopathie am besten mit der Beforschung einer Therapie beschreibbar, die keine Wirkung hat (siehe oben).

Woraus Novella als allgemeinen Schluss ableitet:

Es ist nicht verwunderlich, dass Befürworter zweifelhafter Therapiemethoden das Konzept der Plausibilität nicht mögen. Sie sonnen sich im Licht der EbM, wo sie sich nicht für extreme wissenschaftliche Unplausibilität verantworten müssen [..].

CAM-Fürsprecher versuchen, Plausibilität als bloße Verzerrung darzustellen, die uns nur von einer effektiven Behandlung abbringen wird. […] CAM-Fürsprecher neigen dazu, mit der Überzeugung zu beginnen, dass ihre Behandlungen funktionieren, und versuchen, eine wissenschaftliche Begründung zu finden, die ihnen hilft, ihre Behandlung zu vermarkten. (Bestätigungsforschung – Anm. UE) Ich habe noch kein einziges Beispiel für eine CAM-Modalität gefunden, die von ihren Befürwortern wegen mangelnder Wirksamkeit aufgegeben wurde. (Wie auch, wenn doch die alternative Szene für ihre Methoden praktisch ausschließlich positive Studien hervorbringt – Anm. UE)

Methodik, Statistik, Freiheitsgrade

Der erweiterte wissenschaftliche Medizinbegriff erkennt an, dass klinische Beweise knifflig, kompliziert und oft mehrdeutig sind. Es gibt gute Belege für diese Position. John Ioannidis hat eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, die sich mit Mustern in der klinischen Forschung befassen. Er stellte fest, dass die meisten Schlussfolgerungen in veröffentlichten Studien tatsächlich von einer starken falsch-positiven Verzerrung beeinflusst sind (Ioannidis 2005). (3) Dieser Effekt wird im Verhältnis zur Unplausibilität der klinischen Fragestellung noch verstärkt.

Das ist “der ganze methodisch-statistische Kram, den jede Studie wie eine Reihe scheppernder Blechdosen hinter sich herzieht”, wie sich einer meiner Diskussionspartner zu diesem Thema einmal ausdrückte. 

Simmons et al. haben schön gezeigt, dass durch die Nutzung von “Freiheitsgraden” in der Forschung fast jeder Datensatz statistisch signifikant erscheinen kann (Simmons et al. 2011). Mit anderen Worten, es ist möglich, die Daten zu manipulieren, auch völlig ohne sinistre Absichten, nur durch Entscheidungen darüber, wie man die Daten sammelt und analysiert, die zu einem falsch statistisch signifikanten Ergebnis führen können. Das ist einer der Gründe für die Unzuverlässigkeit von Einzelstudien. Daten sind nur dann wirklich zuverlässig, wenn sie unabhängig repliziert werden, insbesondere in einer Weise, die die Freiheitsgrade beseitigt. 

Der “heilige” p-Wert

Die “allgemeine” Empirieblindheit fokussiert sich sogar noch in einem besonderen Aspekt.  Nämlich in einem statistischen Wert, der heute verbreitet als Nonplusultra für die “Richtigkeit” empirischer Ergebnisse herhalten muss, obwohl er gar nicht das aussagen kann, was man ihm schon beinahe reflexartig zuschreibt. Es geht um den in den 1920er Jahren unter ganz anderen Prämissen als den heutigen entwickelten “p-Wert”. 

Der p-Wert ist ein Maß für die statistische Signifikanz eines empirisch ermittelten Ergebnisses unter ganz bestimmten Vorannahmen (dem Zutreffen der Nullhypothese). Signifikanz bedeutet dabei lediglich das Maß, in dem das jeweilige empirische Ergebnis auch durch Zufall hätte zustande kommen können. Sehr einfach ausgedrückt. Wir hörten eben schon, dass der Wert durch die Auswahl und Modellierung der Daten und die Größe einer Studie (stark) beeinflusst wird. Das “p-Hacking”, diese Beeinflussung des Signifikanzwertes, ist per se schon eine ziemlich üble Sache, ganz unabhängig ob es absichtlich oder unabsichtlich geschieht. Kritisch wird es dadurch, dass es sich eingebürgert hat, die “Aussagekraft” einer Studie auf den Signifikanzwert zu stützen (insofern, als dass der p-Wert als “Wahrheitswert” missverstanden wird).

Dies geht aber völlig fehl, in den seltensten Fällen steht der p-Wert in einem linearen Zusammenhang mit der Effektstärke eines Ergebnisses. Mit der “Signifikanz” einer Studie werden also nicht nur Laien in die Irre geführt, indem man auf das Alltagsverständnis von “Signifikanz” spekuliert. Man darf wohl auch mit Recht sagen, dass Forscher sich mit ihren Signifikanzwerten und deren falschem Verständnis selbst Sand in die Augen streuen. Besonders heikel dann, wenn Ergebnisse niemals repliziert wurden (wobei, wie Novella zu Recht sagt, die “Freiheitsgrade” der ursprünglichen Studie, also einschränkende Datenauswahl und -modellierung, vermieden werden sollten). Was in der Homöopathie erstaunlicherweise selbst bei den wenigen Studien, die eine positive Tendenz aufzuweisen scheinen, in aller Regel nicht geschieht, was auf misslungene Replikationen (publication bias) hindeutet. (Für ein genaueres Verständnis des p-Wertes empfehle ich den ausgezeichneten Artikel “Was der P-Wert (nicht) kann” auf dem Blog “Ein Glas Rotwein”.) 

Man beachte, wie sehr homöopathische Forschungsergebnisse mit dem ständigen Hinweis auf eine “Signifikanz” präsentiert werden. Was nach meiner Beobachtung z.B. verheerende Auswirkungen darauf haben kann, welche Relevanz pseudomedizinische “Erkenntnisse” aus Studien bei der Abfassung von EbM-Leitlinien für die medizinische Praxis erhalten (als Rechtfertigung einer “Evidenz”, die es nicht gibt). Nicht umsonst ist die Diskussion über den p-Wert und seine inzwischen allzu schrägen Interpretationen in der Wissenschaftsgemeinschaft längst in Gang gekommen. 

Steven Novella dazu:

In einem Kommentar bei “Nature” beschreibt Regina Nuzzo das so genannte “p-Hacking”, das im Wesentlichen auch Gegenstand bei Simmons et al. war (Nuzzo 2014, deutsche Version bei spektrum.de – wichtig!). Nuzzo kritisiert insbesondere, dass die Interpretation von Studien übermäßig abhängig von p-Werten ist, die das statistische Maß dafür sind, ob Daten signifikant sind oder nicht und ob sie insofern ernst genommen werden sollten. Die p-Werte sind jedoch nicht so aussagefähig, wie viele annehmen.

Ein p-Wert von 0,01, von dem viele fälschlicherweise glauben, dass der untersuchte Effekt eine Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent hat, real zu sein, hat nur eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent dafür, mit neuen Daten repliziert zu werden. So ist sogar ein Wert, den viele als soliden Beleg nehmen, wirklich nur ein Münzwurf, wenn man die Statistiken richtig versteht. Das Problem der übermäßigen Abhängigkeit von p-Werten zeigt der Statistiker Geoff Cummings in einem Video, das er auf YouTube veröffentlicht hat (Cummings 2009unbedingt mal ansehen – Cummings zeigt, wie der p-Wert in Replikationen allein mit anderen Gruppengrößen variiert (“tanzt”), was belegt, dass er für die Gültigkeit eines einzelnen Studienergebnisses keine isolierte Aussage treffen kann – Anm. UE).

Eine Lösung für die Schwächen der p-Werte besteht darin, diese Art der statistischen Analyse durch eine andere Art, die Bayes’sche Analyse, zu ergänzen oder sogar zu ersetzen. Die Bayes’sche Analyse berücksichtigt formal die vorherige Plausibilität. Sie betrachtet die Daten so, wie es der gesunde Menschenverstand verlangt: Wie sehr beeinflussen die neuen Daten die vorherige Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte wissenschaftliche Hypothese zutrifft?

Woraus Novella mit Recht folgert:

Die Kernphilosophie von SbM (wissenschaftsbasierter Medizin) ist es, die bestmögliche Schlussfolgerung zu ziehen, die die Wissenschaft derzeit bei klinischen (auch regulatorischen) Entscheidungen zu bieten hat. Dazu gehören selbstverständlich auch möglichst strenge klinische Studien. Sie muss aber auch die präklinische und grundlagenorientierte Wissenschaft berücksichtigen – alle wissenschaftlichen Informationen, die vernünftigerweise auf die jeweilige Fragestellung anwendbar sind. […]

Klinische Beweise stehen vor vielen Herausforderungen, einschließlich des confirmation bias der Forscher und der hieraus folgenden Verzerrung von Publikationen sowie der Neigung zum “Vagabundieren” bei statistischen Analysen. Die meisten durchgeführten Studien sind unvollkommen; zum Beispiel können sie zu klein sein, nicht alle real vorhandenen Variablen ausreichend berücksichtigen, können Verblindungsfehler aufweisen und es müssen in ihrem Rahmen viele Entscheidungen getroffen werden (z.B. welche Ergebnisse gemessen und verglichen werden sollen), die das Ergebnis beeinflussen können. […]

Es dauert oft Jahrzehnte, bis die klinische Forschung so weit fortgeschritten ist, dass wir sehr strenge und endgültige Studien haben (eine valide Gesamtevidenz, Anm. UE) . In der Zwischenzeit müssen wir Entscheidungen auf der Grundlage unvollkommener Belege treffen. Die Plausibilität der wissenschaftlichen Grundlagenforschung hilft, die klinischen Belege in den gesamtwissenschaftlichen Kontext zu stellen und verbessert unsere Fähigkeit, zuverlässige Entscheidungen auf der Grundlage vorläufiger klinischer Daten zu treffen. Deshalb glaube ich, dass sich die evidenzbasierte Medizin in Richtung einer wissenschaftsbasierten Medizin entwickeln sollte. 

Scientabilität und weitere Forschung

Nun könnte man die Ansicht vertreten, die Gesamtschau aus Plausibilität und Empirie sei in Sachen Homöopathie so klar, dass jede weitere Forschung reine Ressourcenverschwendung sei – es fehle an einer wissenschaftlich fassbaren Grundlage, die allein weitere Forschung legitimieren könnte. Dies ist die allgemeine Umschreibung des Begriffs der Scientablität. Unsere Überlegungen führen logisch hierher, das Thema soll deshalb auch nicht ausgespart bleiben.

Ich möchte nicht dahin verstanden werden, dass ich den Begriff der Scientabilität im Sinne von Weymayr (Weymayr 2013) übernehmen will. Diese Definition ist darauf gerichtet, jegliche empirische Forschung wegen fehlender Scientablität a priori zu verwerfen – kurz gesagt also, eine dogmatische Barriere innerhalb des explizit undogmatischen Erkenntnissystems moderner Wissenschaft einzuziehen. So zwingend das erscheinen mag, ist dies doch nicht unproblematisch. Eine solche Konsequenz aus fehlender Plausibilität ist mir zu apodiktisch und kommt für mich dem absoluten Wahrheitsbegriff eines Francis Bacon, den die kritisch-rationale Methode ja aus guten Gründen verwirft, einfach zu nahe. Dann lieber die nächsten kruden Homöopathie-Studien! Dass diese nicht erforderlich sind angesichts der Gesamtevidenz, dem könnte ich zustimmen. 

Setzen wir auf Verbesserung und Verfeinerung des Erkenntnisrahmens der evidenzbasierten Medizin bis hin zu einer wissenschaftsbasierten Medizin in Novellas Sinne. Selbstverständlich entwickelt sich auch die EbM längst weiter. Die Diskussion um den Stellenwert des p-Wertes, der Signifikanz, zeigt dies ja auch. Dass auch verfeinerte, ggf. dem Untersuchungsgegenstand angepasste Kriterien für die Studienauswahl in systematischen Reviews hier ein Weg sein können, zeigt Dr. Nobert Aust eindrucksvoll in seiner Erörterung der Shang-Egger Studie auf und schlägt eine Erweiterung der Ordnungskriterien für die Auswertung der Studien vor, die eben genau Verzerrungen des Ergebnisses zumindest abmildern sollten.

Pseudomedizin und EbM – die Schräglage

Fraglos hat die homöopathische Fraktion längst die evidenzbasierte Medizin als ein bei geschickter Handhabung ihr höchst dienliches Instrument entdeckt. Vielleicht haben sie Steven Novellas Beitrag ja gelesen und ihre eigenen Schlüsse daraus gezogen…

Das hieraus nicht ungeschickt abgeleitete ständige Offenhalten an sich klarer Erkenntnis, die „never ending stories“ als Bestätigung für sich selbst, die Community und als Verunsicherungsstrategie für die Allgemeinheit ist ohne Zweifel ein Ärgernis – unter dem Aspekt wissenschaftlicher Redlichkeit. Die Ausnutzung der “Fairness” der EbM, die sozusagen nicht nach der Eintrittskarte der Plausibilität fragt, ist darüber hinaus eine Verächtlichmachung von wissenschaftlicher Erkenntnissuche.

Dabei ist auch die EbM keineswegs „blind“ für Plausibilitäten, sie ist mehr als die Konzeption, Durchführung und Auswertung klinischer Trials. Die EbM stellt keineswegs in Frage, dass z.B. bei der Entwicklung neuer Medikamente im Vorfeld (Präklinik) klinischer Wirkungsuntersuchungen an menschlichen Probanden Plausibilitätsaspekte zur Anwendung kommen – eine medizinethische Selbstverständlichkeit (2).  Die EbM ist eben „nur“ eine Fokussierung, ein Ausschnitt auf einen bestimmten Aspekt von Wissenschaftlichkeit: den der Gewinnung und Bewertung empirisch-klinischer Erkenntnisse, eben notwendig und verdienstvoll, aber nicht unbedingt hinreichend. 

Momentaufnahme

Diese Fokussierung ist es, die der Pseudomedizin in die Hände spielt. Sie ist es, die vom Alpha-Fehler (der Quote falsch-positiver Ergebnisse im statistischen Zufallsbereich) profitiert. Jeder Mangel in Studiendesign und -durchführung wirkt sich zwangsläufig in Richtung einer steigenden Rate von Alpha-Fehlern aus – d.h. lässt mehr Arbeiten aus einer Gesamtheit „positiv“ („statistisch signifikant“) erscheinen, als es den Tatsachen entspricht. Zudem steigt, worauf u.a. Ioannidis zutreffend hinweist, nicht nur mit Qualitätsmängeln, sondern auch mit der Unplausibilität der Forschungsfrage die Rate der “falsch Positiven”. Dies belegen ja auch deutlich die großen Reviews zur Homöopathie, die bei qualitativer Bewertung der eingeschlossenen Arbeiten einzelne positive Effekte in der Gesamtschau durchweg nicht mehr nachweisen konnten.

Ich fasse – etwas pointiert – zusammen: Die EbM gibt den Pseudomedizinern, insbesondere der homöopathischen Fraktion, in ihrer jetzigen Ausprägung Gelegenheit, hinter einem scheinwissenschaftlichen Schleier zu agieren und mit der Terminologie ernsthafter Wissenschaft – und neuerdings der Epistemologie – eine Mimikry von Wissenschaft aufzuführen. Dabei kommt der Pseudomedizin die oben beschriebene “Empirieblindheit” in weiten Kreisen der Medizin, die Überfokussierung auf die Empirie, besonders zugute. Nein, Wissenschaft ist mehr als Empirie und sollte dieses Mehr auch kommunizieren.

Der Grundplausibilität eines wissenschaftlich zu beurteilenden Sachverhalts muss deshalb im medizinischen Bereich wieder ein angemessener Platz eingeräumt werden. Die Marginalisierung von Plausibilität im Sinne einer Vereinbarkeit mit dem gesicherten Wissenskanon zugunsten der puren Empirie war sicher von den Vätern und Müttern der EbM um David Sackett nicht so intendiert. Sie werden sich nicht vorgestellt haben, dass die Kritiker von Pseudomedizin sich ständig mit „Studien“ herumplagen müssen, um deren Inkonsistenz nachzuweisen, während die Grundannahmen der untersuchten Methode (im Besonderen: der Homöopathie) eklatant unvereinbar mit vielfach gesichertem naturwissenschaftlichem Wissen sind. 

Um nicht missverstanden zu werden – ich schätze die EbM nicht gering! Sie ist, wie auf diesem Blog schon mehrfach hervorgehoben, tatsächlich ein unschätzbarer Paradigmenwechsel in der Medizin, dem modernen Wissenschaftsverständnis und auch der kritisch-rationalen Methode gemäß. Aber ist sie mit ihrem Prinzip des  „unbeschriebenen Blattes“, des “leeren Spielfeldes” nicht geradezu genau der „Pluralismus“ aus den Träumen der Pseudowissenschaftler? Besteht dabei nicht sogar die Gefahr, dies werde über eine Überfokussierung auf das Empirische zu einer Regression, einer Rückentwicklung des Wissenschaftsverständnisses in der Medizin zu einer idealistischen statt einer rational-kritischen Sicht führen? Immerhin haben wir immer noch täglich eine der Manifestationen einer solchen idealistischen Sicht auf die Wissenschaft vor uns: den Binnenkonsens des Arzneimittelgesetzes. Der hier und da sogar Begehrlichkeiten verwandter Interessensphären weckt.

Wissenschaftsbasierte Homöopathiekritik

Ist die Homöoopathiekritik vielleicht allzu fair, zu zurückhaltend? Lässt sie sich den Diskurs über Studien in der Sicht der EBM vielleicht allzu sehr aufzwingen? Der letztlich dem Ziel der Aufklärung der Öffentlichkeit nur einen Bärendienst erweist, weil er letztlich für diese nur einen undurchschaubaren „Schlagabtausch“ liefert? Lassen wir uns auf die Ebene einer im Sinne einer vollständig wissenschaftsbasierten Betrachtung sinnlosen Detaildebatte herunterziehen? Aber – haben wir eine Wahl?

Die Wahrnehmung des Publikums ist von dem wahrlich ärgerlichen Schlagwort geprägt, Homöopathie sei “umstritten”: Ich bin mir allerdings klar darüber, dass über einen engeren Kreis hinaus kein Blumentopf damit zu gewinnen ist, wenn man über Detailergebnisse von Studien diskutiert, die kaum jemand im Original zu lesen, geschweige denn zu verstehen in der Lage ist. Was Dr. Norbert Aust zu diesem Thema an Analysen und Bewertungen auf seinem Blog zusammengetragen hat, sollte ja allein ausreichen, um das Studienthema im Zusammenhang mit Homöopathie ein für alle Mal zu beenden. Allein, dies geschieht eben nicht. Und eine Haltung wie „Ach, diese Studien – die einen sagen so, die anderen so“ ist hochgefährlich, wenn sie sich bei den Zweifelnden und Unentschlossenen und vor allem bei Entscheidern und Multiplikatoren festsetzt. Und man hört und liest sie – täglich.

Die Homöopathen versorgen uns mit einer Art Beschäftigungstherapie – nach wie vor. Mit Unsinn wie der Blasenstudie des Dr. Pannek oder der Geschichte von den fünfmal acht Ratten. Selbst einzelnen Journalen wird die Sache langsam zu dubios. Aber gleichwohl ist es nicht angezeigt, das hier beschriebene Problem der “homöopathischen Wissenschaftsmimikry” seitens der Kritik zu ignorieren. Im Gegenteil. Wenn auch die Botschaft, dass die Homöopathie wissenschaftlich längst ein Nicht-Thema und die Einigkeit über ihre medizinische Irrelevanz Fakt ist, im Vordergrund der aufklärerischen Botschaft stehen sollte. 

Und warum wohl kommen nun die akademischen Homöopathiefans mit der ganz großen Keule der gesellschaftlich relevanten, ganz enorm wichtigen und von uns Kritikern ganz falsch verstandenen Wissenschaftstheorie und Epistemologie, mit dem immer wieder zu vernehmenden Ruf nach “Pluralismus in der Medizin“? (Was soll das sein – außer einem weit geöffneten Scheunentor für Beliebigkeit?) Weil sie genau wissen, auf welch tönernen Füßen ihre ganze “Empirie” steht. Und weil sie ihren Behauptungen zur Evidenzbasierung der Homöopathie gern etwas „Nachhaltiges“ an die Seite stellen wollen, etwas Beeindruckendes, das sowohl Kritiker als auch Zweifler – insonders in der Politik – verstummen lässt: „Seht her, unsere Methode ist nicht nur evidenzbasiert™, sondern kann auch epistemologische™ und gar gesellschaftspolitische™ Legitimität in Anspruch nehmen!“ Nein. Diese grotesken Appelle gehen fehl und sind irrelevant. Die Antwort kann nur sein, das Problem Homöopathie in einer gesamtwissenschaftlichen Sicht redlich und ehrlich zu beurteilen.

Wenn die Homöopathen Forschung auf eigene Rechnung weiter betreiben wollen – bitte. Dies kann und soll ebenso wenig „verboten“ werden wie die Homöopathie selbst. Es gilt Freiheit von Forschung und Lehre. Allerdings: nicht alles, was von einschlägig Interessierten zu Wissenschaft erklärt wird, ist das auch. Und kann auch nicht durch Umdefinieren des Wissenschaftsbegriffs dazu gemacht werden.

Abschließend ein Zitat aus dem Memorandum „Homöopathie ist Pseudowissenschaft“ der Russischen Akademie der Wissenschaften, die sich auch und gerade zur Plausibilitätsfrage klar positioniert hat:

„Die Prinzipien der Homöopathie stehen im Gegensatz zu den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin, die auf den Ergebnissen medizinischer und anderer naturwissenschaftlicher Forschungen basieren: Chemie, Physik, Biologie und Physiologie und ihre Verzweigungen wie Biochemie, Biophysik, Immunologie, Molekularbiologie, pathologische Physiologie und Pharmakologie. Homöopathische Diagnose und Behandlung sind pseudowissenschaftlich und haben keine Funktion.

Die vielen im Laufe der Zeit vorgeschlagenen theoretischen Erklärungen der möglichen Wirkmechanismen der Homöopathie stehen im Widerspruch zu etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Struktur der Materie, Physiologie, Ätiologie und der biochemischen Wirkweise von Medikamenten. Die a priori postulierten “Prinzipien der Homöopathie” sind einer spekulativen Dogmatik zuzurechnen, derer man sich in vorwissenschaftlichen Zeiten bediente. […]

Der Abgleich des „externen (eigenen) Szientismus“ der Homöopathie auf der einen Seite mit dem gemeinsamen System der heutigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis auf der anderen Seite ermöglicht es uns aber, die Homöopathie als eine pseudo-wissenschaftliche Disziplin zu qualifizieren.“

Die Gesamtevidenz der Homöopathie, die keine spezifische Wirkung feststellt, fußt einerseits auf Plausibilitätsüberlegungen (die keinen empirischen Wirkungsnachweis erwarten lassen) und andererseits auf empirischen Ergebnissen, die dem exakt entsprechen (die die Hypothese einer Nicht-Wirkung bestätigen). Das Musterbeispiel eines wissenschaftlichen Vorgehens – die Bestätigung einer auf naturwissenschaftlichen Grundprämissen beruhenden Vorhersage durch das Experiment. Kein „Irrtum“, keine „unangemessene Methodik“, sondern eine glänzende Bestätigung der wissenschaftlichen Methode. Es ist durchaus berechtigt, festzustellen, dass eine so gut abgesicherte und klare Evidenzlage für eine medizinische Intervention – nur hier eben im negativen Sinne – eher selten ist. Die Gesamtevidenz spricht geradezu vernichtend gegen die Homöopathie. 

Zum Abschluss

Nun, lassen wir es dabei, es ist ohnehin mal wieder viel zu lang geworden. Aber ich musste es einmal aufschreiben. Ich habe auch bewusst die praktische Seite einer “gesamtwissenschaftlichen” Bewertung von Studienergebnissen hier außen vor gelassen, es hätte den Rahmen vollends gesprengt. Es ist in den Zitaten von Novella schon erwähnt, dass die Vertreter der SbM die Bayes’sche Statistik (Methode der bedingten Wahrscheinlichkeit) in Evidenzbewertungen befürworten. Damit käme allerdings ein in der strengen Empirie verpöntes subjektives Element ins Spiel …  Aber klammern wir das an dieser Stelle erst einmal aus.

Kommen wir aber noch einmal ganz auf den Anfang des ersten Teils zurück, wo ich die Studie Frass et al. (2020) zur Verbesserung von Überlebenszeit und Lebensqualität von LungenkrebspatientInnen durch Homöopathie als Motivation für diesen Beitrag benannt habe. Ich beschränke mich an dieser Stelle auf den Hinweis, dass diese Arbeit möglicherweise ein schlagendes Beispiel für all die Schräglagen und falschen Schlussfolgerungen aufgrund einer missbrauchten evidenzbasierten Methodik ist, wie ich sie zu beschreiben versucht habe. Wir werden sehen, wie es mit ihr und den gegen sie vorgetragenen Einwänden weiter geschieht und ob es gelingt, das ganze Dilemma einmal publikumswirksam zu verdeutlichen. Es wäre sehr zu wünschen.

Ceterum censeo: Homöopathie wirkt auch mit p-Hacking nicht über den Placeboeffekt hinaus.


Nachtrag, 09.08.2021

Wie die Einvernahme des Evidenzbegriffs in der Praxis aussieht, wurde soeben freundlicherweise von den Homöopathen schlagend demonstriert. Die neue S3-Leitlinie “Komplementäre Onkologie” erwähnt die Homöopathie bei einem von 32 Kriterien, der Lebensqualität, der subjektivsten und “weichsten” Kategorie schlechthin, als “kann in Erwägung gezogen werden”. Schon jubelt das ganze homöopathische Universum. Evidenz!

Und damit liegen sie gleich mehrfach völlig falsch.

  • Erstens bedeutet eine Erwähnung in einer Leitlinie keine Evidenz, gleich aus mehreren Gründen. Vor allem deshalb, weil Leitlinien in der EbM deshalb selbst keine Evidenz begründen, weil sie eine Zusammenfassung und Auswertung bereits belegter und daher vorhandener Evidenz sind. Wenn es Lobbyisten gelingt, sich ein Eckchen in einer Leitlinie zu erobern, weil sie den anderen Mitgliedern der Kommission dieses Zugeständnis mit welchen Mitteln auch immer abtrotzen, ist das eben nur ein Zeichen für eine höchst kritikwürdige Präsenz von Vertretern der Pseudomedizin innerhalb der EbM.
  • Einem zusätzlichen Irrtum (der die Ursache des ersten Punktes ist) unterliegen der Zentralverein homöopathischer Ärzte und die DHU, indem sie feiern, es gehe darum, “der Homöopathie” (…) sei Evidenz der Klasse IIb “zugesprochen” worden.
    Dies zeugt von massiver Unkenntnis dessen, wie Evidenz im Sinne der Cochrane-Kriterien zustande kommt. Hierzu ein Zitat aus der Arbeit “Homöopathie – Eine Therapieoption in der Praxis?” von Dr. Christian Lübbers et al.:
    “Als ersten Maßstab für die Validität des jeweiligen Erkenntnismaterials kennt die EbM eine Evidenzhierarchie. Dabei geht es um die Einordnung von Materialien nach ihrer erwartbaren Validität auf der Grundlage ihrer jeweiligen Methodik und noch nicht um systematische konkrete Bewertungen. Die Hierarchien geben aber einen ersten Aufschluss darüber, welche Materialien vorrangig für eine Evidenzbegründung in Betracht kommen. Maßgeblich sind dabei stets diejenigen höherer Evidenzstufen. Das Heranziehen einer Quelle ohne Berücksichtigung ihrer Position in der Hierarchie ist irrelevant.”
    Bei der Einstufung IIb (einfach randomisierte Studie oder Beobachtungsstudie mit dramatischem Effekt) handelt es sich also nicht um mehr als die Kategorisierung der herangezogenen (übrigens ziemlich mängelbehafteten) Studie von Frass (2015). Auch diese Einstufung begründet keine Evidenz, sie vermutet sie nur, denn die Einstufung in das System der OCEBM Levels of Evidence 2 bedeutet noch keine Bewertung einer Quelle nach ihren Inhalten (critical appraisal). Es ist mehr so wie das Einsortieren in unterschiedlich beschriftete Postfächer.
  • Homöopathen neigen dazu, Evidenz dort zu vermuten, wo irgendetwas an “Erkenntnismaterialien” zur Homöopathie schlicht auf dem Tisch liegt – oder eben in einem “Postfach” der Evidenzklassen. Ganz im Sinne eines renommierten Pharmakologie-Professors und Verteidigers der Homöopathie, der sich zu ihrer Evidenz tatsächlich durchgängig auf die “vielen dicken Bücher” zu berufen pflegt, in denen “die Homöopathie niedergelegt sei”. Sehr illustrativ. Aber genau so muss man sich das vorstellen.

    In gleicher Argumentation auch Prof. Edzard Ernst:
    https://edzardernst.com/2014/08/why-many-results-of-alternative-medicine-research-are-wrong/
    und
    https://edzardernst.com/2013/09/can-one-design-a-trial-which-inevitably-produces-a-positive-result/


    Zum neuesten “Evidenznachweis” das INH beim Humanistischen Pressedient:
    Homöopathie – neuerdings evidenzbasiert?

    Und ja es ging weiter mit der Studie Frass et al. (2020), die der Auslöser für diese viel zu langen Ausführungen war – gesammtelt nachzulesen beim Informationsnetzwerk Homöopathie:
    https://netzwerk-homoeopathie.info/category/studienkritik-frass-et-al-2020/

    Und im Sinne des grundsätzlichen Anliegens dieses Beitrages hier ein guter Beitrag wiederum beim Humanistischen Pressedienst:
    Homöopathie; Von der Vorzeigestudie zu „may be not reliable“


    Referenzen:

    [1] https://www.csicop.org/si/show/its_time_for_science-based_medicine

    (2) Aufgrund der bindenden Bestimmungen der “Helsinki-Erklärung”, die die Voraussetzungen für medizinische Studien am Menschen beschreibt. Es wäre interessant, die Frage zu erörtern, ob es sich die Ethikkommissionen bei homöopathischen Trials nicht zu leicht machen – denn die Helsinki-Kommission verlangt auch, dass Versuche am Menschen nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn von ihnen reale Erkenntnisse zu erwarten sind. Hier schließt sich wieder der Kreis zum Begriff der Scientabilität.

    (3) Ich hoffe, ich brauche der Leserschaft hier nicht besonders zu erklären, dass Ioannidis’ abseitige Positionen in der Corona-Krise seine früheren verdienstvollen, teils bahnbrechenden Arbeiten zur Validität klinischer Studien in keiner Weise diskreditieren. 


    Evidenzbasierte Medizin und Homöopathie (I) – Die “reine Empirie”

    Photo by Pixabay on Pexels.com

    Wir beginnen mit einem Zitat (es werden noch mehr folgen):

    “Ich möchte an dieser Stelle nur darauf hinweisen, dass die durchweg wissenschaftlich ausgebildeten Verfasser “positiver” homöopathischer Studien ein grundsätzlich taugliches wissenschaftliches Werkzeug unter Ausnutzung dessen Schwachstellen diskreditieren. Ein aus wissenschaftlicher Sicht nicht zu akzeptierendes Verhalten.”

    So der stets auf den Punkt zielende Excanwahn, ein Freund offener Worte, auf seinem Bullshit-Blog. Genau darum soll es in diesem Beitrag gehen. Durchaus nicht ohne konkreten Anlass:

    Einführung

    Im Oktober 2020 hat eine Forschergruppe um Prof. Michael Frass (ehemals MedUni Wien) eine auf den ersten und sogar auch noch auf den zweiten Blick unanfechtbar scheinende Studie vorgelegt, die postulierte, dass mit komplementärer individueller homöopathischer Behandlung Verbesserungen bei den Überlebenszeiten und der Lebensqualität von PatientInnen mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs erreicht worden seien.

    Dabei handelte es sich keineswegs um die üblichen marginalen (Schein-)Effekte, die sich meist auf eine knappe “Signifikanz” beschränken. Nein, die hier vorgestellten Effekte waren – wenn sie denn real sind – sogar höchst relevant für die PatientInnen.

    Angesichts von über 200 Jahren vergeblicher Versuche, eine solche Wirkung belastbar zu belegen, scheint dies “zu schön um wahr zu sein”. Anders ausgedrückt: Gerade wegen dieses Ergebnisses MUSS dieser Arbeit die notwendige Skepsis entgegengebracht werden.

    Eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Informationsnetzwerks Homöopathie (D) und der Initiative Wissenschaftliche Medizin (Ö) hat sich daher intensiv mit dieser Studie beschäftigt. Die Veröffentlichung eines ersten Analyseberichts scheint zu bestätigen: Die Arbeit von Frass et al. steht unter begründetem Verdacht, keineswegs so valide zu sein, wie es zunächst den Anschein haben mochte. Hier wird es vermutlich noch einigen Fortgang geben.

    Dem Analysebericht ist hier nichts hinzuzufügen, diese Angelegenheit gibt mir aber Anlass zu einigen Grundsatzbemerkungen zum Verhältnis homöopathischer Forschung zur evidenzbasierten Medizin. 

    EbM und Pseudomedizin

    Die Homöopathie gilt in breitem wissenschaftlichem Konsens aufgrund ihrer Gesamtevidenz als spezifisch unwirksame Methode – “The debate about homeopathy is over” – so Prof. Edzard Ernst schon 2015. Aus Gründen. In der Realität ist ersichtlich die Debatte aber nicht “over”, das Thema und seine Diskussion sind viral. 

    Wie ist es der homöopathischen Fraktion überhaupt möglich, eine scheinbar wissenschaftliche Position einzunehmen, darüber eine Dauerdebatte zu befeuern und dabei auch noch in der allgemeinen Wahrnehmung zu punkten? Einfache Antwort: Durch einen regelrechten Missbrauch der Prämissen der evidenzbasierten Medizin – siehe Eingangszitat.

    Zunächst ein Zitat aus einem früheren Beitrag auf diesem Blog, der sich übrigens auf eine andere Form der Pseudomedizin bezog:

    „Wie auch bei anderen pseudomedizinischen Methoden ohne Grundplausibilität zeigt sich …, wie sehr die evidenzbasierte Methode (die Schaffung belastbarer Evidenz durch Studien) ein Einfallstor für ihr glattes Gegenteil sein kann: für die Scheinlegitimation von Pseudomedizin.

    Die vielfach nicht belastbaren Outcomes einzelner Studien oder auch von schlecht durchgeführten Reviews dienen den Proponenten pseudomedizinischer Methoden als wohlfeile Argumentationsgrundlagen, um ihren Methoden den Anstrich des Evidenzbasierten zu geben. Was der normale Rezipient schlicht nicht nachprüfen kann.“

    Der nachfolgende Beitrag ist sozusagen die “Langfassung” dieses sehr knapp gefassten Grundgedankens. Etwas ausführlicher vorbereitet habe ich diese Gedanken im Artikel “Das Heu im Nadelhaufen?“, der als eine Art Vorab-Zusammenfassung des Nachfolgenden (und des 2. Teils) gelesen werden kann.

    Versuch einer Vereinnahmung

    Viele Statements zeigen, wie sehr die homöopathische Sphäre bestrebt ist, sich den Begriff der evidenzbasierten Medizin zu eigen zu machen. Natürlich ist das auch das Ziel der erwähnten Studie von Frass et al. (2020). Auch hier zeigt die homöopathische Interessensphäre ihre Janusköpfigkeit. Einerseits hat sie insofern ein gebrochenes Verhältnis zu kritisch-rationaler Wissenschaft, als sie den breiten wissenschaftlichen Konsens nicht anerkennt, der ihrer Methode keine spezifische Wirksamkeit zuspricht. Andererseits will sie mit ihren eigenen Studien (ein Widerspruch in sich, da es oft heißt, die kritisch-rationale Methode sei der Homöopathie nicht angemessen) die EbM vereinnahmen, sich auf ihre Definitionen und  Kriterien berufen und “Evidenz” zu einem Aushängeschild für sich machen. 

    Homöopathische Bemühungen zielen dabei auf so etwas wie eine “Schwachstelle” der EbM, anders gesagt, sie nutzen vor allem die strenge Fokussierung auf die reine Empirie aus. Ja, es trifft zu, dass die EbM einen evidenten Nachweis von klinischer Wirksamkeit einer Intervention ausschließlich an den Ergebnissen, am Outcome rein empirischer Forschung zur konkreten Problemstellung festmacht, ohne den Kontext gesicherten Wissens im „Umfeld“ des Problems zu berücksichtigen.

    Und wirklich ist bei der Bewertung von Evidenz der EbM Plausibilitätsdenken nicht inhärent. Die Feststellung eines klinischen Nutzens, der Evidenz, stützt sie allein auf empirisch-statistische Verfahren. Die EBM setzt grundlegende wissenschaftliche Überlegungen (methodisch-physiologische Überlegungen, Plausibilität) auf eine untere Stufe ihrer Evidenzleiter, noch vor der Expertenmeinung.

    Zweifellos hat diese Ausrichtung auf den realen Nutzen einer medizinischen Intervention ihre Meriten. Beispielsweise macht die EbM damit das nach wie vor zu vernehmende Gerede von den “zwei Welten”, die zur Medizin einen “unvergleichbaren Zugang” haben und deshalb “ihr Bestes” nebeneinander koexistieren sollte, obsolet. In meinen Augen ist das einer ihrer größten Vorteile, dass sie derartigen Verirrungen von Wissenschaftsphilosophen oder solchen die glauben, es zu sein, die letztlich einen Angriff auf die Wissenschaft darstellen, die Grundlage entzieht.

    Damit scheint jedoch der Sinn für grundlegende Plausibilität, die sich aus elementaren wissenschaftlichen Erkenntnissen ableitet, zu einem großen Teil verloren gegangen zu sein. Reine, reinste Empirie über alles. Die Auswirkungen dieser Entwicklung in eine einzelne Richtung wird gerade deutlich daran, dass die Diskussion über Homöopathie (allzu sehr) auf der Grundlage von “Studien” geführt und “die Evidenzbasierung der Homöopathie” beschworen wird, ohne dass irgendwo jemand ruft, der Kaiser sei doch nackt? Fast ist es schon anrüchig, einfach auf die  Unplausibilität der Homöopathie zu verweisen.

    Tatsächlich scheint es schwierig zu sein, zu verstehen, dass die EBM sozusagen systembedingt aus dem Gleis laufen kann, wenn es um Pseudomedizin geht. Warum? Man könnte beinahe sagen, weil sie zu gutmütig ist.

    EbM und die Plausibilität

    Darüber haben klügere Leute als ich schon nachgedacht. Ich neige der Deutung zu, dass die Begründer der EBM schlicht davon ausgingen, Mittel und Methoden würden eh nie das Stadium großer (und teurer) RCTs erreichen, wenn sie sich nicht zuvor durch präklinische Evidenz, in Laborstudien, Tierversuchen und Studien der Pathologie als plausibel erwiesen hätten. Was ja der normale Gang z.B. einer Medikamentenentwicklung ist (bei der allerdings auch unter EBM-Bedingungen – eine “biologische Plausibilität” ganz am Anfang der Präklinik steht, was medizinethischen Geboten geschuldet ist). Unter dieser Perspektive kam es den Göttern der EbM einfach nie in den Sinn, dass etwas so Absurdes wie die Homöopathie überhaupt dahin kommen könnte, in RCTs “geprüft” zu werden – sie erlagen dabei dem “Plausibilitätsbias”, also einer gefühlten Selbstverständlichkeit, die ihnen verwehrte, so etwas überhaupt für möglich zu halten. Vermutlich waren sie sogar der Ansicht, dass insofern die EBM eine wirksame Barriere für das Eindringen unplausibler Methoden in die Medizin sei. Weit gefehlt. Die Homöopathie nahm die Chance wahr und sprang – ohne “Präklinik” – mit ihrem fertigen Gebäude mitten hinein in das Zauberreich der RCTs und ihrer Vielzahl von Problemen. Die man für sich zu nutzen verstand.

    Pointiert ausgedrückt wäre zu konstatieren, dass der reine Wirksamkeitsnachweis nach den Kriterien der EbM eine zwar notwendige, aber durchaus nicht hinreichende Bedingung für die Beurteilung der Evidenz einer medizinischen Intervention ist.

    Denn trotz aller Meriten dieser Methodik verstellt sie doch allzu leicht den Blick darauf, dass eine im wissenschaftlichen Sinne umfassende Gesamtbeurteilung auch die äußere Konsistenz von Erkenntnissen (die Vereinbarkeit mit anderem gesichertem Wissen), das was wir hier auch als “Plausibilität” bezeichnet haben, einbeziehen muss.

    Ich könnte es niemals besser ausdrücken als Steven Novella, der zu diesem Thema längst wesentliche Beiträge geleistet hat. Hier in meiner Übersetzung einige wichtige Passagen aus seinem Grundsatzbeitrag „It’s Time for Science Based Medicine“:

    … überall können Sie über Schlangenölheilmittel, zweifelhafte Gesundheitsversprechen, fragwürdige Praktiken und auch über ineffektive Regulierungen und Mängel der Mainstream-Medizin lesen. All dies geschieht […] in der Ära der so genannten “evidenzbasierten Medizin”, deren Zielsetzung es war, den medizinischen Beruf auf eine solide wissenschaftliche Grundlage zu stellen, um jedem Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten. […]

    Die EBM hatte zwei Hauptziele: Erstens, die Evidenzbasis für jede klinische Entscheidung zu bewerten und systematisch zu charakterisieren und zweitens, diese Informationen den Praktikern zur Verfügung zu stellen […] EBM ist großartig, soweit sie reicht, aber sie hat einige bemerkenswerte Schwachstellen und hat eindeutig nicht genug dazu beigetragen, Pseudowissenschaften und zweifelhafte Praktiken aus der Medizin zu verbannen. […]

    Die größte Schwäche der evidenzbasierten Medizin besteht darin, dass sie sich, wie der Name schon sagt, ausschließlich auf klinische Belege (reine Empirie) stützt, um festzustellen, ob eine Behandlung angemessen ist oder nicht. Das mag vordergründig vernünftig klingen, aber es lässt bewusst einen wichtigen Teil der wissenschaftlichen Beweisführung aus: die Plausibilität.

    Als die EBM zum ersten Mal vorgeschlagen wurde, war die Idee, dass Ärzte keine Behandlungen anwenden sollten, nur weil diese nach der Erfahrung „Sinn machen“. Wir brauchen Belege, die zeigen, dass die Behandlungen tatsächlich sicher und wirksam sind. Das ist vernünftig, aber der Lösungsansatz der EBM war, das “Sinn machen”  aus der Gleichung komplett zu eliminieren. Jede denkbare Behandlung wurde konzeptionell als „unbeschriebenes Blatt“ unter gleichen Wettbewerbsbedingungen betrachtet – das Einzige, was zählt, sollten die Belege aus der klinischen Erprobung sein.

    Durch die Nivellierung der „Spielfelder“ hat die EBM den Haupteinwand gegen die meisten (meist lange bekannten) CAM-Modalitäten gleich mit beseitigt: dass sie höchst unplausibel sind. Vermutlich ist den frühen EBM-Befürwortern gar nicht in den Sinn gekommen, dass jemand ernsthaft eine völlig unplausible Behandlung vorschlagen und versuchen würde, sie wissenschaftlich zu untersuchen. CAM-Befürworter aber waren begeistert von der EBM, weil es ihnen die Möglichkeit gab, ihre Behandlungen mit einem Anstrich von wissenschaftlicher Legitimität zu präsentieren. Sie neigen zu einer Interpretation von EbM in der Weise, dass, wenn man auf irgendwelche Belege verweisen kann (egal wie schwach und widersprüchlich), man für seine Praxis das Etikett “evidenzbasiert” in Anspruch nehmen kann. 

     […] Mein Lieblingsbeispiel ist ein Cochrane Review von Oscillococcinum für Grippe / grippale Infekte (Vickers und Smith 2009). Oscillococcinum ist de facto eine Schimäre (“imaginary”), der „Urstoff“ beruht mit größter Sicherheit auf einem Beobachtungsirrtum, und Homöopathie ist völliger Unsinn, so dass die Behandlung damit sozusagen einer mit Feenstaub ähnelt, der bis zum Nichtvorhandensein (out of existence) verdünnt wurde. Wenn etwas mit einer Anfangsplausibilität von Null eingestuft werden müsste, dann dies. Doch die Autoren kamen zu dem Schluss:

     ‚Obwohl die Daten vielversprechend waren, waren sie nicht stark genug, um eine allgemeine Empfehlung für die Verwendung von Oscillococcinum zur First-Line-Behandlung von Grippe und grippeähnlichen Syndromen abzugeben. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, wobei jedoch die Kohortengrößen erheblich sein müssten. Die aktuellen Erkenntnisse stützen keine präventive Wirkung von oscillococcin-basierten homöopathischen Arzneimitteln bei Grippe und grippeähnlichen Syndromen. (Vickers und Smith 2009)

    Eigentlich wird klar gesagt, dass die Beleglage negativ ist. Dies charakterisieren die Cochrane-Autoren aber sprachlich als “vielversprechend” und empfehlen “weitere Forschung”.

    … und niemand ruft “Der Kaiser ist doch nackt!”

    Perspektivenkorrektur

    Wie  legitim und scheinbar einfach wäre es, mit Hinweis auf die Gesamtevidenz bei homöopathischer Forschung auf die begründete negative Gesamtevidenz zu verweisen und zur Tagesordnung überzugehen! Allein, dies tun die Kritiker so nicht. Sie befassen sich wieder und wieder mit den homöopathischen Studien und Forschungsergebnissen, werden nicht müde, diese im Detail zu analysieren und zu widerlegen. Was bringt sie dazu?

    Neben der eigenen Redlichkeit bei der kritischen Arbeit vor allem, dass dieses einfache Zurückweisen schlicht nicht funktioniert. Die Homöopathie ist nun einmal ein wirkmächtiges Phänomen, das trotz aller Widerlegungen als solches fortexistiert. Was nicht heißt, dass die Aufklärung zur Homöopathie sich nicht auch der Wirrnis des homöopathischen Gedankengebäudes annehmen und es kritisieren kann (und soll). Im Gegenteil, die fehlende innere und äußere Konsistenz der Lehre ist elementar und vielleicht sogar der wesentlichste Punkt bei der Aufklärungsarbeit. Der “Streit um die Studien” erreicht von Ausnahmen abgesehen ohnehin nicht den / die DurchschnittspatientIn. Der Strom homöopathischer Forschung hört aber  nicht auf,  so lange es damit gelingt, die öffentliche und auch die politische Reputation dieser längst obsoleten Pseudomedizin zu schützen und zu bewahren. Die kritischen Aufklärer  brauchen in ihrem Bemühen, Vernunft und Rationalität Gehör zu verschaffen, ab einem gewissen Punkt die “Entsatzarmee” des Gesetzgebers und des Gesundheitssystems, von denen allein die entscheidenden Schritte kommen können, um der Groteske einer weithin als medizinisch relevant angesehenen Pseudowisseenschaft die Grenzen aufzuzeigen. 


    Nebelkerzen, Euphemismen und Abzählen

    An dieser Stelle rechtfertigt sich ein kleiner Einschub. Es sei auf die von mir schon mehrfach als „euphemistisch” in Richtung pro Homöopathie charakterisierten Zusammenfassungen großer Reviews bzw. Metaanalysen verwiesen, die immer wieder genau im eben von Novella beschriebenen Sinne das einzig zu ziehende Ergebnis vernebeln – was sich dann in den Augen derer, die nach Bestätigung lechzen, auf wundersame Weise in Evidenznachweise verwandelt (siehe die Zusammenfassung zu Teil I im generellen Blogartikel zu den Reviews).

    Es geht darum, in den Conclusios der Untersuchungen eine klare Antwort darauf zu geben, ob die Ausgangshypothese bestätigt wurde oder nicht. Es geht nicht um Rumgeeier – gleichwohl findet man solches überall. (Sogar in Cochrane-Reviews, wie wir eben gesehen haben.) Allerdings findet man Euphemismen in besonders ziseliert-kunstvoller Weise vor allem in den Arbeiten von Homöopathen. Die ja bekanntlich nicht einmal davor zurückschrecken, im Vergleich von Studien zur Homöopathie und zur wissenschaftlichen Medizin durch „Abzählen“ positiver, negativer und „unentschiedener“ Resultate eine Art „Wer hat gewonnen“-Spiel um die Krone der Evidenz zu veranstalten. So beispielsweise das Homeopathy Research Institute, nach eigenem Selbstverständnis so etwas wie die Speerspitze der Wissenschaftlichkeit in der Homöopathie. Das ist per se Unsinn – fällt aber wie ein Kartenhaus zusammen, bedenkt man, was dabei wohl mit „unentschiedenen“ Studien gemeint sein soll, wo doch die Antwort aus einer Studie nur lauten kann, ob sich die Ausgangshypothese bestätigt hat oder nicht…? Und gekrönt wird dies meist auch noch mit dem Ruf nach „mehr Forschung“ – wir werden noch davon hören.


    Dies zunächst als Einstieg ins Thema – ich weiß, lang. Aber wichtig. Fortsetzung hier.


    Von der Neugier zur Langeweile – Prof. Paul Glasziou zum NHRMC-Review

    Reviews – looking behind the doors

    Der größte Hoax, den Homöopathen (bis auf die Homöopathie selbst) jemals losgetreten haben, ist wohl das jahrelange Schmierentheater um den angeblich unterdrückten “ersten Bericht” des australischen NHMRC, der dem offiziellen Bericht von 2015 vorausgegangen und in der Tonne gelandet sei, weil er angeblich positiv für die Homöopathie ausgefallen war. Nachdem der NHMRC den “First Draft” vor einem Jahr dann veröffentlichte, um dem Unsinn ein Ende zu machen, gab es zunächst weltweit groteske Fehldeutungen und Jubel in der homöopathischen Szene (drastische Demonstrationen des confirmation bias), bis das Ganze dann nach und nach sozusagen verdunstete.

    In Deutschland allerdings hielt und hält sich die Behauptung, sinistre Kräfte steckten hinter dem NHMRC-Review und das Ganze sei eine “Täuschung der Öffentlichkeit” nach wie vor. Erst vor wenigen Tagen geriet ich in eine Diskussion mit einem praktizierenden Homöopathen, der die ganze Geschichte mit dem “First Draft” für sich protokolliert hatte – aus Homöopathensicht. Wirklich kaum zu glauben, wie sehr sich sein Protokoll der causa von dem meinen unterschied. Durchaus Anlass genug, die eigene Position nochmals zu prüfen – und sie für tragfähig zu befinden.

    Im Zusammenhang mit dem NHMRC-Review bin ich auf einen kurzen Blogbeitrag von Prof. Paul Glasziou von der Bond-Universität in Australien gestoßen, der seinerzeit der Leiter der Arbeitsgruppe war, die den Bericht zusammengestellt hatte. Er stammt aus der Zeit (2016), als der Review schon eine Weile in der Welt war und sich die “Opposition” dagegen deutlich zu regen begann. In seiner nüchternen Klarheit finde ich ihn bemerkenswert, auch deshalb, weil Prof. Glasziou ganz offensichtlich sehr unvoreingenommen und nicht einmal mit umfassendem Vorwissen über Homöopathie an die Untersuchung herangegangen war. Nachstehend meine deutsche Übersetzung.

    Paul Glasziou: Immer noch keine Beweise für die Homöopathie
    16. Februar 2016 / thebmjopinion
    http://blogs.bmj.com/bmj/2016/02/16/paul-glasziou-still-no-evidence-for-homeopathy/

    Als der Bericht des Nationalen Gesundheits- und Medizinischen Forschungsrates (NHMRC) über die Homöopathie zu dem Schluss kam, dass “es keine zuverlässigen Beweise aus der Forschung am Menschen gab, dass die Homöopathie irgendwo bei der Bandbreite der betrachteten Krankheitsbilder wirksam ist”, waren nur wenige in der konventionellen Medizin überrascht, die Homöopathie-Gemeinschaft aber war empört. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe, die den Bericht erstellt hat, war ich einfach nur erleichtert, dass der beschwerliche Weg der Sichtung und Synthese der Beweise zu Ende war. Ich hatte die Reise mit einer “Ich weiß es nicht” Haltung begonnen, neugierig darauf, ob diese unwahrscheinliche Methode jemals funktionieren könnte. Allerdings, wer hätte früher geglaubt, dass Bakterien Magengeschwüre verursachen oder dass Impfstoffe gegen Krebs zur Routine werden würden? Also vielleicht doch? … Aber ich habe das Interesse verloren, nachdem ich die 57 systematischen Übersichtsarbeiten (zu 68 Indikationen), die 176 Einzelstudien enthielten, durchgesehen und keine überzeugenden Effekte jenseits von Placebo erkennen konnte.

    Natürlich würden wir bei 176 Studien rein zufällig ein paar p-Werte unter 0,05 erwarten: 1/20 von 176 ist etwa 9, die Anzahl, die reiner Zufall als “statistisch signifikant” erscheinen lassen würde. Wir haben uns auf Replikationen und systematische Übersichtsarbeiten gestützt, um solche falsch positiven Ergebnisse zu vermeiden. Das NHMRC replizierte nicht selbst alle 63 systematischen Übersichtsarbeiten (was jeweils über 50.000 AU$ gekostet hätte), sondern bewertete die vorhandenen Übersichtsarbeiten und benutzte sie als Fenster zur Gesamtevidenz (“body of evidence“) . Obwohl dieser body of evidence in Größe und Qualität heterogen war, ergab sich aus den qualitativ höherwertigen Studien kein klares Signal für eine Wirksamkeit.

    Eine Überraschung war für mich das Spektrum der Erkrankungen, bei denen die Homöopathie untersucht worden war, darunter rheumatoide Arthritis, Radiodermatitis, Stomatitis (Mundentzündung) infolge einer Chemotherapie und die Infektion mit dem Human Immunodeficiency Virus (HIV). Was mich später noch mehr schockierte, war, dass es Organisationen gibt, die die Homöopathie bei Infektionskrankheiten wie AIDS in Afrika oder Malaria propagieren. Angesichts der derzeit vorhandenen wirksamen Behandlungen scheint das eine sehr zweifelhafte Aktivität zu sein und ist ein weiteres Beispiel, das die Aussage des NHMRC rechtfertigt, dass “Menschen, die sich für die Homöopathie entscheiden, ihre Gesundheit gefährden können, wenn sie Behandlungen ablehnen oder verzögern, für die es gute Beweise für Sicherheit und Wirksamkeit gibt”.

    Es überrascht nicht, dass es von Verwendern und den Vertreibern homöopathischer Arzneimittel erheblichen Gegenwind gegeben hat. Tatsächlich initiiert der International Council for Homeopathy derzeit ein Fundraising – jedoch nicht, um bessere Forschung zu finanzieren, sondern um das NHMRC-Dokument anzugreifen. Ich kann gut verstehen, warum Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, mit dem Stand der medizinischen Praktiken des 18. Jahrhunderts, wie Aderlass und Schröpfen, unzufrieden war und versuchte, eine bessere Alternative zu finden. Aber ich vermute, er wäre enttäuscht über das kollektive Versagen der Homöopathie, die, statt seine damals durchaus innovativen Untersuchungen weiterzuführen, weiterhin eine therapeutische Sackgasse verfolgen.


    Paul Glasziou ist Professor für evidenzbasierte Medizin an der Bond-Universität in Queensland und nebenberuflich Allgemeinmediziner.


    Ein interessanter Einblick am Rande. Ceterum censeo: Homöopathie ist eine spezifisch unwirksame Scheintherapie, die im Gesundheitswesen keinen Platz haben kann und deren Privilegierung im Arznei- und Sozialmittelrecht eine perpetuierte Verantwortungslosigkeit ist. Und was Prof. Glaszious Vergleich mit der Entdeckung des Helicobacter pylori oder der Entwicklung des HPV-Impfstoffs betrifft: damit war jedenfalls nichts postuliert worden, was gegen naturgesetzliche Gegebenheiten verstoßen hätte. Diese Entdeckungen, solange sie noch unbekannt waren, existierten latent im Raum des potenziell Möglichen. Anders als die Hypothesen der Homöopathie, die, nach den Worten von Prof. Otto Prokop, Spekulationen “außerhalb der Grenzen der realen Welt” darstellen. Der Vergleich macht aber deutlich, wie unvoreingenommen – als strenger Evidenzler – Prof. Glasziou an die Sache herangegangen ist.


    Zum Weiterlesen – die wichtigsten Veröffentlichungen des Informationsnetzwerks Homöopathie zum NHMRC-Review und der “First Draft”-Debatte:

    Stellungnahme des Informationsnetzwerks Homöopathie zur Beschwerde des HRI über das Review des australischen Gesundheitsministeriums (NHMRC)

    Offener Brief des INH zum Interview mit Dr. Tournier (HRI) auf „Homöopathie online“

    Unendliche Geschichte(n) – noch einmal zum Homöopathie-Review des NHMRC

    Der „unterdrückte erste Report“ des NHMRC – Quelle von „Ermutigender Evidenz“?


    Bild von Arek Socha auf Pixabay

    Wissenschaft – zwischen Dogma und Toleranz?

      Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Die Erde ist keine Scheibe“
      und wird hier in leicht überarbeiteter Form wiederveröffentlicht.

      ZUM DEMARKATIONSPROBLEM AM BEISPIEL HOMÖOPATHIE

      Die Grenzziehung von Pseudowissenschaft und Wissenschaft, im speziellen Falle von Pseudomedizin und Medizin, ist ein ernsthaft behandeltes Problem der Wissenschaftstheorie. Man beschreibt es mit dem Begriff des „Demarkationsproblems“, auch Abgrenzungsproblem genannt.

      Es geht um die scheinbar schlichte Fragestellung, was die kritisch-rational orientierte Wissenschaft von der Pseudowissenschaft trennt und unterscheidet. Karl Popper selbst war einer der ersten, die dieses Thema aufwarfen. Das war vor dem Hintergrund seiner auf Falsifikation (Falschbeweisung) beruhenden Wissenschaftsprinzips wohl zwangsläufig. Nach manchen Wegen der Diskussion in die eine wie in die andere Richtung verfestigte sich gegen Ende der 1980er Jahre eine Tendenz, das Abgrenzungsproblem als letztlich unlösbar und möglicherweise sogar sinnlos zu betrachten. Die praktischen Folgen einer solchen Kapitulation haben jedoch wieder das dringend notwendige Umdenken befördert. Heute wird von vielen Erkenntnistheoretikern die Bedeutung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Trennung zwischen Pseudowissenschaft und kritisch-rational begründeter Wissenschaft wieder betont und diskutiert.

      In der Tat ist das Demarkationsproblem keineswegs theoretisch-akademischer Natur. Das führt uns die „Ära des Postfaktischen“ ja nun deutlich genug vor Augen. Ob zur längst nach den Kriterien belastbarer Erkenntnis komplett widerlegten Homöopathie, bei der Unsicherheit von Eltern in der Impffrage, die nach wissenschaftlichen Kriterien auch klar entscheidbar ist oder auch bei der offensichtlichen Erstarrung bei der Frage verantwortlichen Handelns in Sachen Klimaschutz wegen offenbar unzulänglicher Rezeption der Fakten – überall sehen wir ein Hinein- und Hinüberwirken von Pseudowissenschaft in Bereiche, denen nach strengen Erkenntniskriterien längst hohe bis höchstmögliche Evidenz, also hohe Gewissheit der gültigen Erkenntnis, zugeschrieben wird. Selbst dort, wo die Abgrenzung in großer Eindeutigkeit möglich ist, zeigt sie sich praktisch eben nicht als deutliche Grenzlinie, sondern verschwimmt zu einer breiten Grauzone. Die Ursachen sind vielfältig – ihren Ursprung haben sie durchweg in pseudowissenschaftlich „begründeten“ Gegenpositionen.

      Selbst wissenschaftsaffine Teile der Öffentlichkeit werden durch diese breite Grauzone zu einer falschen Wahrnehmung verführt. Bekanntlich ist es eine Methode der Pseudowissenschaften, sich mit einem wissenschaftlichen Duktus zu umgeben, sei es in der Diktion der Kommunikation selbst, sei es durch die Berufung auf – systemisch oder individuell – ungeeignete Belege (z.B. einzelne Studien) und ebensolche Autoritäten, ohne die in einer solchen Argumentationsweise liegenden vielfältigen Unsicherheiten und Probleme auch nur im Ansatz zu kommunizieren.  Im Bereich der Pseudomedizin erlebt der Autor buchstäblich täglich, manchmal geradezu im Stundentakt, wie wissenschaftlich unbelegte (vielfach widerlegte) Behauptungen mit solider Wissenschaft in den Medien konkurrieren – und oft die „Story“ auf ihrer Seite haben. Selbst der Wettlauf um Forschungsgelder und der Publikationsdruck in den Wissenschaften sind der „Flut der Pseudowissenschaft“ (Prof. David Gorski) ausgesetzt. Wir brauchen also Maßstäbe, alltagstaugliche Kriterien, die uns alle in die Lage versetzten, wissenschaftliche Erkenntnisse von Mimikry zu trennen, Entscheidungen darüber zu treffen, was Wissenschaft, was gültige Erkenntnis ist oder nicht.


      Weit entfernt sind nun aber die Pseudowissenschaftler und -mediziner selbst, im speziellen Falle die Homöopathen, davon, das Demarkationsproblem als ernsthafte Problematik wissenschaftlicher Natur zu begreifen. Sie ersetzen vielmehr eine solche tiefgehende Auseinandersetzung durch erstaunliche Postulate:

      • Mit dem Vorwurf einer „Wissenschaftsdogmatik“ gegenüber der kritisch-rationalen Methode, umschrieben mit Scheinbegriffen wie „monoparadigmatischer Reduktionismus“ oder auch „reduktionistischer Materialismus“; als ein Weg, der zu einem wissenschaftlichen, im Ergebnis gar politischen und gesellschaftlichen „Totalitarismus“ führen soll,
      • daraus folgend einen Intoleranzvorwurf gegenüber der als gegnerische Position verstandenen „Mainstream-Wissenschaft“, die allein als solcher unter Generalverdacht gestellt wird, und der pseudomedizinkritischen Position,
      • daraus wiederum folgend die Forderung nach „Pluralismus“ in Wissenschaft und Medizin, was meint, dass die Aussage „Der andere könnte auch Recht haben“ zum wissenschaftlichen Kriterium erklärt werden soll.

      So macht man es den um Abgrenzungskriterien zwischen Pseudowissenschaft und Wissenschaft Bemühten ja eigentlich leicht, wäre da nur eben nicht wieder der Impact, die Auswirkung solcher Äußerungen auf das – oft allzu geneigte Publikum. Ein Publikum, das sozusagen auch auf der (erkenntnistheoretischen) Metaebene nicht über die Kriterien verfügt, die eine Einordnung all dessen möglich machen. So schlimm sich das für Kritiker der Pseudowissenschaft anhört, so wohltönend mag dies in den Ohren derer klingen, die sich gern mit der Forderung nach „Toleranz“ einverstanden erklären – wer sähe darin nicht zunächst etwas Positives? Aber diese „pluralistische“ Position ist nicht mehr als eine krude Mischung aus Rechthabenwollen, offenbar echtem Unverständnis von Wissenschafts- und Erkenntnistheorie (oder doch wider besseres Wissen?) und dem seltsam anmutenden Versuch, Selbstkritik (nach Popper Grundvoraussetzung für eine wissenschaftliche Haltung) durch Behauptungen zu ersetzen. Letztlich ist sie eine Verunglimpfung ehrlich bemühter Wissenschaft und des jahrtausendelangen ernsthaften Ringens um die Möglichkeiten menschlicher Erkenntnis.


      Jedoch sei dies entgegengehalten:

      • Wie kann man einem metaphysischen Überbau rationaler Erkenntnis, der dazu dient, die Erkenntnisfähigkeit des Menschen auf den Raum der realen Welt zu beschränken und damit Spekulationen von Erkenntnis abgrenzt (der ontologische Naturalismus in seiner schwachen Form) so missverstehen, dass man aus ihm einen unangemessenen Dogmatismus ableitet?
      • Wie kann eine Methodik wie der kritische Rationalismus, das auf der ständigen Infragestellung bestehenden Wissens beruht und aus dem Verwerfen von Irrtümern Fortschritt gewinnt, dogmatisch sein? Wie kann man ein Erkenntnissystem, das sich durch eine niemals zuvor in der Geistesgeschichte dagewesene Form der Bescheidenheit durch den Verzicht auf „Wahrheitsansprüche“ auszeichnet, als „reduktionistischen Materialismus“ oder mit ähnlichen Diktionen bezeichnen?
      • Wie kann ich Toleranz zum Kriterium erheben, wenn es um Annäherung an die Wirklichkeit geht? Über bessere Methoden dazu als die heutigen, in langen Jahrhunderten mühsam gefundenen verfügen wir nicht. Seien wir froh, dass wir über die kritisch-rationalen Methode verfügen – wie nichts Menschliches sind sie nicht in Stein gemeißelt, sind aber in der weltweiten Wissenschaftsgemeinde als gültig durchgängig anerkannt. Auch, weil seit Popper, auch nach vielfältigen Betrachtungen und teils auch Modifikationen, im Grundsatz weit und breit nichts in Sicht ist, das Aussicht auf eine bessere Bewährung beim menschlichen Erkenntnisstreben bieten würde. Was den Prüfsteinen des kritischen Rationalismus nicht standhält, mag als Glaubensvorstellung Toleranz beanspruchen. Aber nicht als Erkenntnis.
      • Die Forderung nach „Pragmatismus“ in der Wissenschaft ist nichts anderes als die Forderung nach der Anerkennung von Beliebigkeit. Mit diesem Begriff wird ein scheinbares Defizit der rationalen Methode suggeriert – dies geht fehl. Wissenschaft nach der kritischen Methode ist ebenso quellen- wie methodenpragmatisch, aber nicht „pluralistisch“. (Selbst der immer wieder als Zeuge für den „Wissenschaftspluralismus“ herangezogene Paul Feyerabend war erklärtermaßen methoden- und nicht „wissenschafts“pluralistisch.) Forderung nach „Pluralismus in der Wissenschaft“ geht noch über die Forderung nach Toleranz hinaus, denn ein solcher Pluralismus würde die Poppersche Definition der „wissenschaftlichen Erkenntnis“ aushebeln: dass wissenschaftliche Ergebnisse belegbare Erkenntnisse sind. Nicht mehr, nicht weniger. Dazu passt ein treffender aktueller Tweet von Dr. Natalie Grams, der weitere Ausführungen überflüssig macht:

      Aktuell hat der Zentralverein homöopathischer Ärzte auf seiner Webseite („Homöopathie online“) eine „Homöopathie-Deklaration“ veröffentlicht, wiederum in „Zusammenarbeit“ mit dem „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“ und unter Beteiligung weiterer üblicher Verdächtiger, die in bestürzender Weise die Verächtlichmachung seriöser Wissenschaftlichkeit durch pseudowissenschaftliche Verbrämungen betreibt. Dies wird sicher nicht die Wirkung haben, die Homöopathie durch Worte plötzlich zu einer wirksamen Medizin werden zu lassen. Allerdings ist dies ein wunderbares Beispiel dafür, wie die Grauzone zwischen Erkenntnis (Wissenschaft) und Behauptung (Pseudowissenschaft) ein weiteres Mal verbreitert und mit zusätzlichem Nebel angereichert wird.

      Man könnte über diesen Vorgang hinweggehen, der sich von ähnlichen. früheren Statements eigentlich kaum unterscheidet. Aber er wird seinen „Impact“ haben, und sei es nur, der Selbstvergewisserung der pseudomedizinischen Szene und als Steinbruch in allfälligen Diskussionen zu dienen. Und hier ist kein Sandkastenverein unterwegs – hier äußert sich eine Vielzahl von Akademikern.


      Nutzen wir die Gelegenheit, noch einmal kurz über die menschliche Erkenntnisfähigkeit und das, was wir darüber mühsam herausdestilliert haben, zu reflektieren.

      So schwierig ist das gar nicht, und die Homöopathie eignet sich gut als Exempel:

      • Nach Karl Popper gibt es nur eine Theorie der Wahrheit, die ernsthaft vertreten werden kann: die Korrespondenztheorie, die These, dass die Wahrheit (der Wahrheitsgrad) einer Aussage in ihrer Übereinstimmung mit den Fakten besteht. Nicht in der Übereinstimmung mit einer Anhäufung von Worten. Und da sieht es für die Homöopathie ganz schlecht aus, wie schon vielfach ausgeführt und belegt wurde.
      • Die Wissenschaft ist die Suche nach der Wahrheit, eine Annäherung an sie, nicht der Besitz „der“ Wahrheit. Die Vorstellung von Wahrheit als ebenso existentes wie erkennbares Absolutum ist leider weit verbreitet (das ist die Wahrheitsannahme Francis Bacons („If truth is manifest, thruth is there to be seen“), die seit David Hume und Immanuel Kant ins Wanken geriet und spätestens seit Karl Popper obsolet für wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung ist).
      • Das aber ist kein Freibrief für Beliebigkeit – ganz im Gegenteil verlangt diese Grunderkenntnis einen verantwortlichen Umgang mit Erkenntnisfähigkeit. Es scheint, als würden die „Pluralisten“ glauben, im Verzicht auf den absoluten Wahrheitsbegriff im kritischen Rationalismus eine „Schwachstelle“, ein „Einfallstor“ für ihre kruden Wissenschaftlichkeitsbegriffe gefunden zu haben – ein Missverständnis epischen Ausmaßes?
      • Insofern ist die kritische Methode dadurch gekennzeichnet, dass man nicht versucht, Hypothesen zu überprüfen (zu verifizieren – letztlich zu bestätigen), sondern zu widerlegen (zu falsifizieren). Das sollte nach den Regeln wissenschaftlicher Arbeit vom Urheber der Hypothese so weit wie möglich selbst getan werden, bevor man sich ernsthafter Kritik stellt.
      • Reine Erfahrung (Empirie) führt wegen des Induktionsproblems (jede noch so große Sammlung von reinen Erfahrungen kann durch die nächste Erfahrung widerlegt werden) nicht zu gesicherter Erkenntnis. Wie David Hume als erster verdeutlichte, halten wir Ereignisse fälschlich für Ursachen und deren Wirkungen, wenn wir sie wiederholt aufeinanderfolgen sehen, da wir dann automatisch (aufgrund des Menschen immanenter Eigenschaften) glauben, diese Folge sei auch in Zukunft so zu erwarten. Das beste Beispiel dafür ist der post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss, gerade in der Homöopathie – wie trügerisch er speziell dort ist, ist auch dadurch belegt, dass die scheinbar beobachteten „Wirkungen“ zwanglos durch schlüssigere, einfachere, widerspruchsfreie Erklärungen ersetzt werden konnten.
      • Und eben hieran, an der fehlenden empirischen Belegbarkeit, wird die Widerlegung des hypothetischen Grundgebäudes von Hahnemanns Methode evident. Genau deswegen, weil die Behauptung der spezifischen „Wirkung“ der Homöopathie lange nur durch Fehlschlüsse und Irrtümer aufrechterhalten bleiben konnte und längst widerlegt ist und deshalb nur scheinbar eine Stütze der hypothetischen Grundlagen darstellte („wir wissen nicht, wie sie wirkt, wir sehen aber, dass sie wirkt“).  Der Falschbeweis ist geführt, die Hypothetik der Homöopathie am Experiment gescheitert. Der empirische, induktive Teil, die „Summe der Erfahrungen“, hat sich als Luftschloss aus Selbsttäuschungen und Fehlannahmen entpuppt – und widerlegt damit auch den axiomatisch-hypothetischen Part von Hahnemanns Gedankenkonstrukt durch die Prüfung an der Realität. Ein geradezu klassisches Beispiel „Kant’scher Wissenschaft“, der Bewährung oder eben Nichtbewährung logisch-deduktiv (oder auch spekulativ) gewonnener Hypothesen durch experimentelle Überprüfung.

      Lassen wir es dabei bewenden.

      Nun, auf eine gewisse Weise trägt das Gezeter der Homöopathen ja auch zur weiteren Klärung des Demarkationsproblems bei – es zeigt, dass jedes Problembewusstsein, jede Selbstkritik, jede strenge Prüfmethode dort dem Absolutheitsanspruch der eigenen Position geopfert wird. Das ist immerhin auch eine Form klarer Grenzziehung.

      Nein, der Auftritt auf dem Feld der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie wird der Pseudomedizin auch diesmal nicht zu mehr „Wahrheit“ verhelfen.


      Zum Weiterlesen:

      Pigliucci M, Bourdry M (Hrsg.), Philosophy of Pseudoscience: Reconsidering the Demarcation Problem, University of Chicago Press, 2013

      Popper K, Gesammelte Werke: Band 3: Logik der Forschung, 11. Auflage, 2005

      Popper K, Gesammelte Werke: Band 7: Realismus und das Ziel der Wissenschaft (Postscript zur „Logik der Forschung“), 1, Auflage 2002

      Popper K, Gesammelte Werke: Band 10: Vermutungen und Widerlegungen. Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis, 2. Auflage, 2009

      Baum W (Hrsg), Paul Feyerabend – Hans Albert: Briefwechsel, Band 1: (1958-1971), veränd. Neuauflage, 2008

      Albert H, Plädoyer für den kritischen Rationalismus, Piper (1975)


      Hightech-Medizin und homöopathische Sandkastenspiele (1)

      Ausdrücklich einmal eine Lanze für die “moderne, seelenlose Medizin”!

      Ein Team um den Mitbegründer der Immuntherapie bei Krebs, Steven Rosenberg, hat einen großen Durchbruch bei Tumorerkrankungen erzielt, die bislang nicht gut durch Immuntherapie erreicht werden könnten. Dabei entnimmt man im Tumor bereits aktiv “arbeitende” T-Lymphozyten und vermehrt sie in der Annahme, dass es Sinn macht, eine größere Menge dieser bereits auf den Tumor “trainierten” T-Zellen wieder per Infusion zuzuführen.

      In Nature ist ein Abstract zu einem Forschungsbericht erschienen, der eine ungewöhnlich dauerhafte Remission (Rückbildung) eines schon metastasierten Mammakarzinoms unter einer solchen Therapie beschreibt: “Die vollständige dauerhafte Regression von metastasierendem Brustkrebs, die nun seit >22 Monaten andauert, stellt einen neuen immuntherapeutischen Ansatz für die Behandlung dieser Patienten dar.” Was für ein Understatement…

      Irre. Wisst ihr, was das ist? Das ist großartig. Das ist Wissenschaft. Das ist eine gute Idee, ausgearbeitet und klinisch umgesetzt mit Können und Fleiß von einem Team, das eine Unmenge von Wissen bündelt und bei dem jede und jeder seinen Teil beiträgt. Wieviel schon vorhandenes, von anderen Wissenschaftlern zusammengetragenes Wissen ist in die praktische Umsetzung in Labor und Klinik eingeflossen! Ein weiterer Schritt nach vorn in das Land der Erkenntnis. Wissenschaft ist Neugier, Wissenschaft ist Unzufriedenheit mit dem Gegebenen!

      Und die Homöopathen?

      Haben von all diesen Dingen keinen Schimmer, halten sich aber als einzelne Therapeuten für nahezu allwissend, kompetent und erfahren, weil sie seit 30 Jahren und mehr beruflich Selbsttäuschung betreiben.

      Wollen auch gar nichts von der “Schulmedizin” wissen, vielfach erklärtermaßen. Denn sie verfügen ja über die “bessere” Medizin:

      • Sie vertreten eine über 200 Jahre alte Lehre, die “Verstimmungen der geistigen Lebenskraft” behandeln will.
      • Mit “geistigen Arzneikräften”, die in allen möglichen und unmöglichen Substanzen enthalten sein sollen. Man muss sie nur verdünnen und schütteln!
      • Dosierung? Äh ja… mehr so persönliche Erfahrung…
      • Krankheit? Nee, Symptombild! Einschließlich des Zustands von “Geist und Gemüt”. Was sie dann als “ganzheitliche Methode” ausgeben.
      • Wissenschaft! Ja klar, aber erst wenn sie nach ihren Regeln mitspielen dürfen!
      • Forschung? Im Prinzip wissen sie ja alles, Forschung gibts nur, um dieses Wissen endlich mal bestätigt zu bekommen.
      • Fortschritt? Welcher Fortschritt? Das Tolle an ihrer Lehre ist doch, dass sie “alt” ist!
      • Anamnese und Repertorisierung zu mühsam? “Diagnose” nach Konstitutionstyp!
      • Wirkt nicht? Äh ja – Erstverschlimmerung. Immer noch nicht? Jaaa… dauert eben. IMMER NOCH NICHT? Irgendwas hat der Patient falsch gemacht, man kann ja nicht 24 Stunden auf ihn aufpassen…
      • Dem Patienten gehts richtig dreckig? Ab zur “Schulmedizin” – wahrscheinlich hilft die Homöopathie eh deshalb nicht, weil der Patient schon vorher “schulmedizinisch verdorben” war. (Diese Variante wird als besondere Qualifikation von Homöopathen verkauft: Als “Patientensicherheit”.)

      Kann umfangreich fortgesetzt werden.

      Merkt ihr was?

      Das ist nicht nur lächerlich, das ist albern. Die Homöopathie steht zur modernen Medizin im gleichen Verhältnis wie das Förmchenbacken im Sandkasten zum Bau eines modernen Kraftwerks. Was eher untertrieben ist.

      Das Vorhandensein der Homöopathie im Gesundheitswesen ist nicht nur eine medizinethische, sondern auch eine intellektuelle Zumutung.


      Bild von congerdesign auf Pixabay

      Der Preis ist heiß!

        Krems an der Donau

        Die folgende Passage aus einer Pressemitteilung der Fa. Peithner, Österreich, verdient unser Augenmerk:

        Wien (pts005/28.03.2018/08:00) – Die Homöopathie erfüllt alle Kriterien der evidenzbasierten Medizin! Zu diesem Ergebnis kommt die Allgemeinmedizinerin Dr. Melanie Wölk, die im Rahmen ihrer Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Abschlusses Master of Science im Universitätslehrgang Natural Medicine, Donau-Universität Krems, die Frage untersucht hat, ob die Homöopathie den Regeln der Evidence based Medicine (EbM) entspricht. Für diese Arbeit wurde Wölk mit dem Dr. Peithner Sonderpreis für Forschung in der Homöopathie ausgezeichnet.

        Das ist ja mal eine Sensation ersten Ranges, sicherlich höherer Würden wert als der eines schnöden Masterabschlusses und eines lumpigen 3000-Euro-Schecks vom Homöopathie-Fabrikanten Peithner (wie die DHU zum Konzern Willmar Schwabe gehörig). Finde ich übrigens auch ziemlich knausering, in Anbetracht eines derartigen Durchbruchs. Naja, auch Blinddärme können durchbrechen…

        Ich gestehe meine tiefe persönliche Betroffenheit. Denn immerhin habe ich mir die Mühe gemacht, die negative Evidenzlage zur Homöopathie aufgrund der großen indikationsübergreifenden Reviews zu belegen. Vertan? Wir werden sehen. Zweifellos wird der Zentralverein in Anbetracht der neuesten akademischen Weihen für dieses Statement die Korken knallen lassen…

        Also, irgendwo scheint es ja hier einen Dissens zu geben… Habe ich mich dermaßen vergaloppiert? Wenn hier mit akademischen Weihen und Auszeichnungen nahe dem Medizinnobelpreis gegen meine Position gehalten wird, muss ich mich ja wohl damit auseinandersetzen. Also auf gehts.

        Aber wohin? Suche in allen Datenbanken und wichtigen Publikationen ergab sowohl zu der Person der Preisträgerin als auch zu der genannten Hochschule – exakt null. Ebenso ist die preisgekrönte Arbeit nicht auffindbar – sie stammt bereits aus 2016, also wäre Zeit genug für eine Veröffentlichung gewesen. Dies lässt mich einerseits erst einmal feststellen, dass hier wohl der bekannte Schubladeneffekt (publication bias) gleich mal zum Prinzip erhoben wurde und zum anderen bin ich deshalb hier auf die Führung eines Indizienprozesses angewiesen. (Update – siehe unten!)

        Klar, dass der Kredit für die Autorin und für die Sache schon sehr geschrumpft ist, wenn hier mit akademischer Autorität gewunken wird, ohne dass irgendwelche Publikationen, weder von der Person noch von der Institution, auffindbar sind. Aber wir wollen gar nicht allein deswegen den Stab über die Sache brechen sondern schauen, welchen Honig wir vielleicht noch aus der Sache saugen können.

        Wie kommt die Preisträgerin zu ihrem Schluss? Durch Literatur- und Datenbankrecherche, wie man erfährt, durch eine Auswahl von Reviews, die mir ein wenig willkürlich erscheinen will – aber seis drum. Das Verfahren als solches ist legitim und normal für die Durchführung eines systematischen Reviews. Richten wir unser Augenmerk nur einmal darauf, dass der große Review der Australischen Gesundheitsbehörde NHMRC auch in den Materialien enthalten ist, aus der der Schluss abgeleitet wird, die Homöopathie sei evidenzbasierte Medizin. Eine mehr als kühne Schlussfolgerung. Denn bekanntlich kommt diese bislang umfangreichste Betrachtung der Studienlage zur Homöopathie zu dem – nicht neuen – Ergebnis, dass es keine einzige Indikation gibt, für die eine belastbare Evidenz zugunsten der Homöopathie vorliegt. Exakt wie die anderen großen indikationsübergreifenden Reviews, insbesondere derer von Robert Mathie (2014 und 2017), einer kritischen Haltung zur Homöopathie wirklich unverdächtigen Herrn, die seltsamerweise keinen Eingang in die preiswürdige Literatur- und Datenbankrecherche gefunden haben.

        Es liegt angesichts dessen auf der Hand, dass es mich brennend interessiert, auf welche Weise die Schlussfolgerungen der Preisträgerin aus den beigezogenen Studien und sonstigen Arbeiten abgeleitet wurden. Nun, ich glaube, das werde ich wohl nicht erfahren. Aber die Zielrichtung ist schon mal ganz klar, denn verlautbart wird in bekannter Manier:

        “Die Diskussion über die Existenzberechtigung der Homöopathie scheint nicht auf einer vorurteilsfreien und fairen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Thematik zu beruhen, sondern ein irrationaler und höchst emotionaler Streit um Weltbilder zu sein.”

        Also, ich würde solch einen Satz ja aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in eine Arbeit mit wissenschaftlichem Anspruch schreiben. Aber wenn schon: dann zieht euch dieses harsche Urteil mal an, liebe Homöopathen! Oder sollte das gar nicht auf euch gemünzt sein… Zudem fällt mir auf: wie kann jemand, der beabsichtigt, die Evidenzbasierung der Homöopathie zu belegen, angesichts des ideologiefreien und voraussetzungslosen pragmatischen Ansatzes der EbM überhaupt so einen Satz schreiben? Das ist doch von vornherein ideologiebesetzt und damit zu Prinzipien der EbM inkompatibel.

        Ich sehe das daher schon einmal als Ankündigung nicht einer Untersuchung nach den Prämissen der EbM, sondern als Sortierarbeit nach „Weltanschauungen“ an. Bis zum Beweis des Gegenteils. Was das nun aber mit der Conclusio einer evidenzbasierten Homöopathie zu tun haben soll, das weiß man wahrlich nicht. Und auch aus der Laudatio des Preisstifters lässt sich außer dem üblichen Mimimi nichts weiter entnehmen, was man in die Nähe einer wissenschaftlichen Aussage rücken könnte:

        “Für die Homöopathie ist das eine sehr wichtige Arbeit, die wieder zeigt, was wir in der ärztlichen Praxis täglich erleben, nämlich dass homöopathische Arzneimittel wirken. Wölks Untersuchung zeigt weiters deutlich, dass es sehr wohl hochqualitative Homöopathie-Studien gibt und es an der Zeit ist, die Hexenjagd zu beenden, mit der eine wirksame medizinische Therapie diskreditiert werden soll. Konventionelle Medizin und Homöopathie sollten endlich Hand in Hand arbeiten – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.”

        Nun, da steht der Rezensent ratlos davor und kann bei allem guten Willen einfach keinen Knoten finden, mit dem er die Informationen zur Masterarbeit (Wölk, Melanie: Eminenz oder Evidenz: Die Homöopathie auf dem Prüfstand der Evidence based Medicine. Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Abschlusses Master of Science im Universitätslehrgang Natural Medicine. Donau-Universität Krems, Department für Gesundheitswissenschaften und Biomedizin. Krems, Mai 2016) mit der prämierten Aussage verknüpfen kann, die Evidenzbasierung der Homöopathie “stehe fest”. Eine solche Absolutaussage ist, wir wissen es, keine, die nach den Prinzipien der wissenschaftlichen Forschung getroffen werden sollte. Es ist eher ein Werturteil auf einer verbal-definitorischen Ebene. Aber immerhin falsifizierbar – und den Gegenbeweis glaube ich, fern aller akademischen Weihen, im oben schon verlinkten Beitrag auf diesem Blog erbracht zu haben.

        Wenn ich irgendwo mit allergrößter Mühe so etwas wie eine Schlussfolgerung in der ganzen Sache vermuten soll, dann ist es allenfalls die, dass die Preisträgerin herausgefunden hat, dass es Pro und Contra zur Homöopathie gibt – und daraus den oben zitierten Schluss ableitet, nämlich den, dass man dieses Pro und Contra nach jeweils dahinter vermuteter Weltanschauung trennen müsse, um zur einzig wahren Wahrheit zu gelangen. Sie führt uns allerdings dabei einen confirmation bias vor, der offenbar mehr Einfluss hat als das Magnetfeld der Erde. Aber bitte – das ist nur eine wohlmeinende Vermutung. Ernstgemeinte Frage: Ist das hier wirklich weit entfernt von der “Heilpraktiker-Forschung”, die auf dem Blog “Onkel Michaels kleine Welt” so trefflich kommentiert worden war?

        Was bleibt? Ein Propagandastück allerersten Ranges, eine Selbstbeweihräucherung vom Allerfeinsten. Zur Selbstbestätigung und für den Applaus des ohnehin geneigten Publikums. Ich darf als Fazit eine kleine Anleihe bei Prof. Edzard Ernst machen, der zu dieser Sache meint:

        A pseudo-prize for pseudo-research into pseudo-medicine.

        In der Tat.

        Ich wünsche weiter fröhliches Bestätigungsforschen. Ach, übrigens: Ich nehme kein Wort meiner Widerlegung der “Evidenzbehauptung” im Blogbeitrag zum Münsteraner Memorandum Homöopathie zurück. Keine Silbe, keinen Buchstaben. Ich nehme an, das überrascht niemanden.

        Update (30.03.2017, 15.00 Uhr)

        Inzwischen liegt mir der Text der Masterarbeit vor. Ich möchte dem zumindest in Kürze gerecht werden, um mich nicht dem Vorwurf auszusetzen, meine einzige Kritikquelle sei die Peithner-Pressemitteilung.

        Letztlich bestätigt sich die oben ausgeführte Kritik. Der confirmation bias schlägt zu. Man bedenke, dass große wissenschaftliche Gesellschaften weltweit, von der Russischen Akademie der Wissenschaften über das Science and Technology Committee des House of Commons (das seine vernichtende Stellungnahme bezeichnenderweise unter dem Titel “Evidence Check Homeopathy” veröffentlicht hat) bis hin zum Wissenschaftlichen Beirat der Europäischen Akademien (EASAC) auf exakt der gleichen verfügbaren Studienlage zu Schlüssen gelangen, die das glatte Gegenteil des Ergebnisses der preisgekrönten Arbeit sind. Nun ist das Autoritätsargument zwar kein Argument, mag man sagen, aber darum geht es nicht: Es geht um sorgfältige Bewertungen durch die wissenschaftliche Community, die wohlbegründet sind. Kann die Masterarbeit hier dagegenhalten?

        Dazu nur ein paar Indizien.

        Der erste Eindruck ist durchaus der einer wortreichen Fleißarbeit, ohne Frage, aber von der ersten bis zur letzten Seite vom confirmation bias geprägt. Ein Blick in die Kurzzusammenfassung enthüllt bereits den folgenden Kernsatz:

        “Die analysierten Reviews, Metaanalysen und Studien der Evidenzklasse Ia und Ib weisen mehrheitlich die Wirksamkeit homöopathischer Arzneien nach.”

        Krasser kann man die Position der Wissenschaftscommunity nicht mehr auf den Kopf stellen. Man ahnt schon, worauf die Endaussage, Homöopathie sei evidenzbasiert, gestützt werden wird: Auf die (Vor-)Selektion der passenden Studien und der Fehlwahrnehmung der nicht passenden nach vorgeblich „weltanschaulichen“ Kriterien. Auf “Abzählen”, wie wir es auch schon in anderen Zusammenhängen bei Vertretern der Homöopathie gefunden und kritisiert haben.

        Und in der Tat. Die Umdeutung des zunächst korrekt referierten Sackett’schen Begriffs der Evidenzbasierten Medizin und die Definition der Evidenzklassen in die Berechtigung, Cherrypicking zu betreiben, wo man Evidenz sieht, spricht dann auch für sich. Grob gesagt, verdeckt die Autorin mit großem rhetorischem Aufwand, dass sie nur das als evidenzbasiert ansieht, was ihre Auffassung von Homöopathie bestätigt. Darauf läuft letztlich alles weitere hinaus.

        Und tatsächlich: Schaut man sich in der Arbeit die Beurteilung der gegen die spezifische Wirksamkeit Homöopathie sprechenden Reviews an, so findet man eine unverkennbare Tendenz zur Umdeutung, wenn nicht zur diffamierenden Abwertung. Zum Review des NHMRC, zweifellos der bedeutendsten Überblicksarbeit zur Homöopathie überhaupt, ist zu allem Überdruss lang und breit die vielfach widerlegte “Kritik” der homöopathischen Szene zu finden, mit einer derart deutlich erkennbaren Tendenz zur Abwertung, dass man kaum weiterlesen mag. Mehr Voreingenommenheit geht nicht.

        Das setzt sich fort. Wie sie aus Mathie 2014 ein “pro Homöopathie” herausliest, bleibt ein Rätsel (na, das ist eher rhetorisch gemeint, denn wir wissen ja, dass gerade diese Arbeit den Pokal der Homöopathen für selektives Zitieren immer wieder gewinnt). Und dann kommen doch die Einzelstudien – obwohl vorher des Langen und Breiten die Bedeutung systematischer Reviews für die Beurteilung der Evidenz dargelegt wurde. Nun, die meisten Einzelstudien, die die Arbeit anführt, sind in den großen Reviews gar nicht oder mit einem hohen “risk of bias” enthalten – und deshalb sicher ungeeignet, eine Evidenz gegenüber den Reviews zu begründen (zumal sie alle durchweg nicht repliziert wurden). Zu einem Ergebnis wie dem hier publizierten kann man nur kommen, wenn man diese Arbeiten wirklich “einzeln” betrachtet und schlicht den Schlussfolgerungen der Autoren folgt.

        Die Arbeit gibt sich zwar nicht die Blöße, die vielfache Kritik z.B. an Shang et al., Frass (Sepsis) und Linde zu unterschlagen. Wie voreingenommen sie damit aber umgeht, verdeutlicht sehr krass diese Passage:

        “Sowohl die homöopathiekritischen Arbeiten von Shang et al. (2005) und Ernst (2002), als auch die homöopathiebefürwortenden Publikationen von Frass et al. (2005) und Linde et al. (1997) wiesen methodische Schwächen auf, welche die Autoren oder deren wissenschaftlich-publizistischen Unterstützerinnen oder Unterstützer oft einander vorhalten ohne die Problematik der eigenen Position einzugestehen. Die Vorwürfe gingen von Ahnungslosigkeit über Unwissenschaftlichkeit bis zu bewusster Manipulation.” (Ich kann mir die Anmerkung nicht verkneifen, dass Linde 1997 keineswegs die Homöopathie „befürwortete“, was Klaus Linde in einer Erklärung zu seiner Arbeit aus dem Jahre 1999 ausdrücklich bekräftigte – was Frau Wölk nicht bekannt gewesen zu sein scheint.)

        Überhaupt schon von “homöopathiekritischen” und “homöopathiebefürwortenden” Arbeiten zu sprechen, ist ein weiteres klares Zeichen für Bestätigungsforschung. Was sonst ist Sinn und Aufgabe der wissenschaftlichen Community, als Veröffentlichungen auf Herz und Nieren zu prüfen und zu kritisieren? Die Kritiker haben z.B. die Schwächen von Shang et al. vielfach selbst offengelegt, aber auch gezeigt, dass diese keinen Einfluss auf die Endaussage des Reviews hatten. Und Frass’ Sepsisstudie ist schon so oft zerlegt worden – und wurde niemals repliziert (glücklicherweise – was sie aber letzttich wie viele andere im Sinne einer Evidenzbegründung wertlos macht).

        Und wo der „Vorwurf bewusster Manipulation“ seitens der Kritiker gemacht wurde, das würde mich sehr interessieren.

        Auch hier wird deutlich, wie die Autorin zu der These von dem “emotional und irrational geführten Streit um Weltbilder” kommt. Sie ist selbst in hohem Maße außerstande, Argumente, die nicht ins Bild passen, anders als emotional-irrationale Verirrungen wahrzunehmen.

        Weiter oben habe ich ja schon etwas zum “Ergebnis” gesagt: Wer eine derartige absolute Formulierung (“steht fest”) als Ergebnis seiner “Forschung” postuliert, der zeigt damit in aller Deutlichkeit, dass er Bestätigungsforschung betrieben hat und damit unwissenschaftlich operiert.

        Die Antwort auf diese Arbeit wäre im Großen und Ganzen deckungsgleich mit der Antwort auf die “Kritik an der Homöopathiekritik” des britischen Homeopathy Research Institute, wie sie das INH auf seiner Webseite systematisch aufgenommen hat. Es fällt auf, dass selbst das HRI, das nun sicher über einigermaßen gewiefte Fachleute verfügt, weit zurückhaltender mit den “Evidenzbelegen” für die Homöopathie ist als unsere preisgekrönte Arbeit.

        Insofern gibt es von der ersten Beurteilung aufgrund der Peithnerschen Pressemitteilung nichts zurückzunehmen.


        Nachtrag, 16.03.2022

        Um die Ehre der Donau-Universität Krems zu wahren, soll nicht übergangen werden, dass sie eine verdienstvolle Arbeit hervorgebracht hat, die der homöopathischen Forschung bescheinigt, in weiten Teilen ein Problem mit guter Publikationspraxis zu haben: https://www.donau-uni.ac.at/de/aktuelles/news/2022/mangelhafte-forschungspraxis-bei-homoeopathie.html

        So, wie ich das sehe, ist damit ein weiterer Sargnagel in die preisgekrönte Arbeit zur „Evidenzbasierung der Homöopathie“ eingeschlagen worden. I rest my case.


        Bilder von Norbert Pietsch und PDPics auf Pixabay

        Eigentor der Woche

        Auf Twitter bekamen die Homöopathiekritiker in der vergangenen Woche dieses vernichtende Statement entgegengeschleudert:

        „Liebe Skeptiker und schon wieder eine signifikant positive Studie zur Homöopathie bei Pubmed. Wenn ihr für die Homöopathie Kritik nicht bezahlt werdet, würde ich mir jetzt ein anderes Betätigungsfeld suchen, z.B. Impfkritik.“

        Die Vielzahl von interessanten Implikationen und Schlussfolgerungen, die dieser eindrucksvolle Text enthält, wollen wir an dieser Stelle nicht weiter würdigen. Wichtiger ist: unser twitternder Freund aus der Zunft der Heilpraktiker verkennt unsere kritische Motivation. Wir warten doch darauf, dass endlich mal jemand mit etwas Handfestem zur Homöopathie um die Ecke käme (dann wäre es auch nicht mehr so langweilig). Sicher ist es für unseren Freund unvorstellbar, aber es ist so: Gäbe es endlich wirklich signifikante und klinisch relevante Nachweise für eine spezifische Wirksamkeit der Homöopathie, würden wir ohne Umschweife unsere Sachen packen und uns nach einer sinnvolleren Tätigkeit umschauen. (Impfkritik wäre das nicht, allenfalls Impfaufklärung.) Skepsis ist weder unverrückbare Überzeugung noch Allwissenheit, das verorten wir eher woanders.

        Jetzt sind wir aber mal gespannt, worum es geht.

        Es handelt sich um eine Anwendungsstudie zum Präparat Monopax der Firma Cassella, bei PubMed mit dem Abstract hier zu finden. Übrigens fängt es gleich schon mal gut an: „Die Studie beabsichtigt, die Überlegenheit von Verum (dem getesteten Mittel) gegenüber Placebo zu demonstrieren”.

        Ach. Ich dachte immer, man solle keine Bestätigungsforschung betreiben. Und hier verbirgt man das nicht einmal, winkt also schon mal gleich mit der Fahne der Voreingenommenheit, des confirmation bias, des – hier schon offen zutage tretenden – Bestätigungsfehlers? Eine seriöse Studie hätte etwa getitelt „Es soll die Nullhypothese untersucht werden, dass keine Überlegenheit des zu prüfenden Mittels gegenüber Placebo gegeben ist“,

        Kurz gesagt, wurden zwei Vergleichsgruppen mit „trockenem Husten“ gebildet, die eine bekam das Präparat, die andere ein Placebo. Sieben Tage wurde beobachtet, dann ein Fazit gezogen und „ausgewertet“. Schön. Aber schon bei einem oberflächlichen Blick auf den Abstract stellt man sich folgende Fragen:

        • “Trockener Husten” als Begleitsymptom von “common cold”, also einem “grippalen Infekt” aka einer einfachen Erkältung, ist keine valide Diagnose, die eine Vergleichbarkeit der Patienten sichert. Primäre Diagnose? Bisherige Krankheitsdauer? Weitere Behandlungsformen? Weitere Krankheitszeichen? Zudem handelt es sich um eine klassische kurzfristig selbstlimitierende Erkrankung, die für den klinischen Nachweis einer spezifischen Intervention im Grunde ungeeignet ist – weil die erwartbare Selbstlimitierung jeden Effekt – auch einen tatsächlichen – überdecken wird.
        • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich binnen sieben Tagen (Beobachtungsdauer) von ganz allein (unspezifischer) “trockener Husten” als Begleitsymptom einer einfachen Erkältung zurückbildet? (Mit Behandlung eine Woche, ohne sieben Tage – was letztlich auch der Outcome dieser Studie ist.)
        • Warum wurde das Testmittel mit Placebo verglichen und nicht mit einer nach medizinischem Standard behandelten Gruppe? Soll das ernsthaft heißen, die Hälfte der kleinen Patienten hat sieben Tage lang keine medizinische Behandlung bekommen? Welche Ethikkommission hat das genehmigt? Wäre es bei einem Vergleich Testmittel vs. Standardtherapie zu einem deutlichen Rückstand der Testgruppe gegenüber der Standardgruppe gekommen, beispielsweise zur Entwicklung einer infektiösen Bronchitis, hätte man abbrechen können (und müssen).
        • Dies reicht eigentlich schon, um die Aussagekraft der „Studie“ gegen Null sinken zu lassen.

        Aber es geht weiter:

        • Es widerspricht homöopathischen Prinzipien, ein Mittel einem Symptom zuzuordnen und damit unterschiedslos Patientengruppen zu behandeln. Und das auch noch mit einem der von Hahnemann verteufelten Komplexmittel. Aber sowas spielt ja wohl heute keine Rolle mehr, eine Grundlage für etwas, das in sich schlüssig und konsistent als “Homöopathie” bezeichnet werden könnte, fehlt ohnehin. Man kann also schon deshalb mit guten Gründen bestreiten, dass hier Homöopathie geprüft wurde.
        • Der Score (die Skalenmethode, nach dem der Husten „bewertet“ wurde) ist nicht validiert und referenziert (ein Score namens “CAS” ist in der Literatur nicht auffindbar und auch nicht in den Reviews zum Score-Thema enthalten; es gibt etliche Scores); gemeinhin gelten diese Scores als Referenz für Husten ohnehin nicht als sonderlich valide (die große Übersicht von Leconte et al. nennt nur eine einzige Score-Methode für Kinder als halbwegs valide für eine Bewertung des Outcomes von Studien – und das ist nicht die hier verwendete).
        • Die „Signifikanz“ und damit das „positive Ergebnis“ des Mittels gegen Placebo wird aus sehr seltsamen Zahlen abgeleitet: Aus Veränderungen der Messskala von 5,2 (Verum) bzw. 3,2 (Placebo). Besser geworden ist es danach allemal, was bei einem Verlauf von sieben Tagen zu erwarten war.
        • Aber: Auch für Nichtstatistiker ist erkennbar, dass Werte von 5,2 bzw. 3,2 mit einer Schwankungsbreite von +/- 2,6 (!) ein wenig – sagen wir mal – seltsam anmuten. Das sind ja Unsicherheitsraten von der Hälfte bzw. deutlich mehr als der Hälfte der angeblich gemessenen Effekte! Das bedeutet, dass eine – ja sogar für möglich bis wahrscheinlich gehaltene – Schwankung der Ergebnisse um einen Punkt jeweils bei Verum (-) und Placebo (+) ausreicht, um einen „Gleichstand“ der Messwerte herbeizuführen… und eine kleine weitere Änderung würde das „Ergebnis“ kopfstehen lassen.
          Fehlerwerte sollen verhindern, dass Studienergebnisse nicht auf scheinbaren Sicherheiten aufgebaut werden. Genau das geschieht aber hier. Und das ist schon eine ganz schöne Chuzpe, die Fehlerwerte anzugeben und sie bei der Bewertung der Studie komplett unter den Tisch fallen zu lassen…

        Und jetzt:

        Geprüft wurde das Präparat Monapax. (Zwei der drei Studienautoren stehen im Dienste der Herstellerfirma Cassella med. Wie schön, aber das nur zur Abrundung.) Aber schauen wir uns jetzt einmal das Mittel genauer an.

        Die pharmazeutische Fachinformation zu Monopax lässt uns wissen, dass vier (!) der Bestandteile als „Urtinktur“, also unverdünnt und „unpotenziert“ enthalten sind, der Rest als D4-Potenzen. (Wer nachschauen möchte: Die „0“ vor den Dosierungsangaben dort bedeutet „Ursubstanz“, eigentlich muss das Zeichen Ø sein.) Wobei sich die Frage erhebt: Was ist Homöopathie?

        Nun, nach den rechtlichen Definitionen ist Homöopathie das, was nach homöopathischen Prinzipien hergestellt wurde. Gemeint ist damit vor allem das Potenzierungsprinzip (danke für diese klare Abgrenzung von wissenschaftsorientierter Medizin). Aber in der Praxis, und das kann man auch im homöopathischen Arzneibuch nachlesen, sind “Urtinkturen” auch Homöopathie -wenn sie denn nach den Herstellungsmonografien eben dieses homöopathischen Arzneibuches hergestellt werden (was allerdings genau nichts über den realen Wirkstoffgehalt aussagt). Hier kommen wir schon wieder tief in den Dschungel der inneren Widersprüche: Eine Urtinktur ist z.B. ein Pflanzenauszug, dessen Konzentration nicht standardisiert ist (wie in der pharmazeutischen Phytotherapie), also alle Schwankungen der Pflanzenzusammensetzung aufgrund von Boden- und Umwelteinflüssen sozusagen mitnimmt. Zudem ist die Löslichkeit der gewünschten Substanzen je nach Pflanze sehr unterschiedlich. Und das wird dann, auch mal angenommen, die Urtinktur würde den Anforderungen pharmazeutischer Phytotherapie entsprechen, auf Zuruf zur Homöopathie, also zu etwas, das nach homöopathischer Lehre in aller Regel eine ganz andere, nämlich die angeblich in den homöopathischen Arzneimittelprüfung gefundenen entfaltet? Das ist eines der großen Dilemmata der (bewusst) fehlenden Grenzziehung zwischen Homöopathie und Phytotherapie, die die Leute in die Irre führt.

        Dass die Durchführenden der “Studie” selbst nicht an ihre „Homöopathie“ glauben, beweist zudem schlagend der letzte Satz der Zusammenfassung des Studienergebnisses: „Bei 15 Patienten (Verum: n=6; Placebo: n=9) wurden 18 Nebenwirkungen leichter oder mittlerer Intensität beobachtet.” Was sagt man dazu? Homöopathie ist doch nebenwirkungsfrei!

        Kann fortgesetzt werden.

        Ceterum censeo: Wir brauchen keine Forschung zur Homöopathie mehr. Wir brauchen noch weniger Forschung, die Homöopathie-Mimikry betreibt, um deren ramponiertes Ansehen zu stützen. Erst recht nicht, wenn die so schlecht gemacht wird wie diese Monapax-Studie, die mal wieder homöopathisches Studiendesign at its best vorführt.

        Lieber Kritiker auf Twitter (der uns leider in der Argumentation nicht folgen mochte, sich dafür als Hardcore-Impf”kritiker” erwies), nein, wir brauchen uns kein neues Tätigkeitsfeld zu suchen. Und Ihnen empfehlen wir mehr Selbstkritik. Auf den erstbesten Zug aufzuspringen kann sich als ziemlicher Fehler erweisen.


        Auf dem Blog von Prof. Edzard Ernst zu dieser Studie:

        A new RCT of homeopathy … and, guess what, it reports a positive result (but are we being misled or not?)


        Bildnachweis: Fotolia_62171586

        Was erlaube Homöopathen?

        Zum 20. Jahrestag der legendären Münchner Pressekonferenz vom Meister des gepflegten Wutausbruchs Giovanni Trappatoni sei diese leicht abgewandelte Einleitung eines durchaus ernstgemeinten Artikels einmal gestattet – unpassend ist sie auf keinen Fall. Passend ist rein zufällig in unserem Zusammenhang auch ein anderes 20-jähriges Jubiläum, das mit dem Wort „Retracted“ in enger Verbindung steht.

        Aber zum aktuellen Fall:

        Klicken für größere Darstellung

        Was soll man dazu sagen, wenn eine Zeitschrift namens „Evidenzbasierte komplementäre und alternative Medizin“ (Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, wo ist mein Riechsalz… ) eine Arbeit zur homöopathischen Krebsbehandlung zurückzieht? Der Blog Retraction watch berichtet.

        Man ist sprachlos. In mancher Hinsicht.

        So geschehen am 26. Februar 2018 mit einem Beitrag namens “Psorinum Therapy in Treating Stomach, Gall Bladder, Pancreatic, and Liver Cancers: A Prospective Clinical Study” (Therapeutische Anwendung von Psorinum bei der Behandlung von Magen-, Gallenblasen-, Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebs: Eine prospektive klinische Studie), veröffentlicht 2010. Allein der Titel lässt Schlimmes befürchten…

        Es sei hier gleich eingeschoben, dass man wohl mit dem Anspruch eines seriösen medizinischen Fachblattes diesen Artikel niemals hätte veröffentlichen dürfen. Wir werden aber noch sehen, wie es zu dem Zurückziehen des Beitrages kam.

        Als erstes tauchten diverse Fragen auf.

        • Angeblich gab es von der Registrierungsstelle für Studien (Institutional Review Board) eine Genehmigung für die „Studie“ aus dem Jahre 2001, was doch ein wenig unglaubwürdig wirkt, wenn man bedenkt, dass die Privatklinik, in der die „Studie“ durchgeführt wurde, erst 2008 gegründet worden war.
        • “Die Teilnehmer haben das Medikament Psorinum zusammen mit allopathischen und homöopathischen unterstützenden Behandlungen erhalten, ohne konventionelle oder andere Krebsbehandlungen zu versuchen” – heißt es in der Studie. Was insofern erschrecken lässt, als hier die Standardtherapie vorenthalten wurde – was zumindest Fragen nach der ethischen Bewertung des Vorgangs aufwirft.

        Nun gut – obwohl das doch im Grunde auf einen Blick schon 2010 hätte erkannt werden sollen / müssen. Jedenfalls wurde bei den Autoren angefragt. Man erbat die Unterlagen zur Ethikprüfung, das vollständige Studienprotokoll und das Formblatt, das für die Einverständniserklärung der Patienten verwendet worden war.

        Ja und dann – dann stellte sich heraus, dass die Hauptautoren, Vater und Sohn Chatterjee, Besitzer und Betreiber des Critical Cancer Management Research Centre and Clinic (CCMRCC; wie schön…) seit Mitte 2017 in Haft sitzen. Wegen „Ausübung von Medizin ohne Qualifikation“.

        Nachfragen bei drei angegebenen Co-Autoren ergab, dass sie sich dagegen verwahrten, als Autoren der Arbeit genannt worden zu sein und dass sie niemals ein solches Einverständnis gegeben hätten. Ein vierter Co-Autor antwortete nicht.


        Und was für eine tolle Krebstherapie hatte man da „entdeckt“?

        Das Papier untersuchte die Wirkungen von Psorinum, einem homöopathischen Präparat, das offenbar schon in der Vergangenheit zur Krebstherapie benutzt wurde:

        Psorinum, ein alkoholischer Extrakt aus Krätze-, Schorf- und Eiterzellen…[der] verschiedene Immuneffektorzellen (z.B. T-Zellen und akzessorische Zellen wie Makrophagen, dendritische Zellen und natürliche Killerzellen) aktiviert, die eine komplexe Antitumor-Immunantwort auslösen können.

        Nosodenkram, aha. Nett. Der „Klassiker“ der Nosoden, erfunden vom Begründer der Homöopathie in Amerika, Konstantin Hering.


        Und jetzt lichtet sich ein wenig das Dunkel:

        Hindawi, einer der größten medizinischen Fachverlage, unter deren Flagge auch das Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine-Magazin segelt, war nach eigenen Angaben durch einen Leser auf die Verhaftung der Chatterjees aufmerksam gemacht geworden und hatte die Untersuchung initiiert. Zudem waren dort Beschwerden aufgelaufen, unter anderem -und das ist wichtig- über PubMed Central, also dem Meldewesen der großen Studiendatenbank PubMed/NCBI. Stichwort: Wissenschaftsgemeinde.

        Der Kern der Untersuchung stammte dann auch von Hindawis Research Integrity Team. Falsche Angaben zur Autorenschaft und zum Genehmigungsdatum und vor allem das offensichtliche Ethikproblem der Studie (wenn sie denn überhaupt durchgeführt wurde…) reichten nach Ansicht von Hindawi allein aus, um die Veröffentlichung zurückzuziehen. Diese Entscheidung wurde denn auch von Hindawi getroffen.

        Es gab aber noch mehr Unangenehmes. Die Diskussion der Studienergebnisse (“Diskussion” als Abschnitt in der Studie selbst ist hier gemeint, als Darlegung dessen, wie man die Daten warum beurteilt) stand in Widerspruch zur Zusammenfassung. Die Diskussion räumte eine eingeschränkte Aussagefähigkeit nach den Maßstäben wissenschaftlicher klinischer Studien ein, weil die Studie weder eine Placebo- noch eine Standardbehandlungsgruppe (!) besaß; die Zusammenfassung lavierte daran vorbei, indem sie eine Wirksamkeit von Psorinum als Krebsmittel implizierte. Und -endlich- wurde man darauf aufmerksam, dass das Studiendesign nicht weniger beschrieb als eine eierlegende Wollmilchsau – nämlich eine „prospektive klinische Beobachtungsstudie“. Es sei, um nicht noch mehr in die Breite zu gehen, nur angemerkt, dass eine Studie schlecht gleichzeitig „klinisch“ (also Anwendungsstudie) und „Beobachtungsstudie“ sein kann. Näheres für den Interessierten hier.

        Retraction watch hat noch recherchiert, dass die Chatterjees Papiere über ihr Wundermittel allen Ernstes im Journal of Clinical Oncology (2009, 2010) veröffentlichen konnten. Die Herausgeberin, die American Society of Clinical Oncology, teilte mit, die Angelegenheit zu überprüfen…


        Was haben wir nun hier?

        Ein weiteres – dreistes – Beispiel für den Missbrauch der Wissenschaft als wohlfeiles Deckmäntelchen dort, wo es nichts Wissenschaftliches gibt. Für das Vortäuschen von Wissenschaftlichkeit, ohne sich an deren Regeln zu halten – dieser Vorwurf trifft auch das Magazin, ganz klar. Auf der einen Seite eine ethische Insolvenzerklärung allerersten Ranges, auf der anderen Seite aber auch ein weiteres Beispiel für die im Wissenschaftssystem „eingebaute“ Selbstreinigungskraft. So mancher hat schon diese „eingebaute Selbstkorrektur“ des wissenschaftlichen Systems unterschätzt. Oder gleich gar nicht wahrgenommen, weil ohnehin nie zum Grundgedanken der Wissenschaftlichkeit durchgedrungen.

        Als einzelner Vorgang mag diese Geschichte wie ein Kuriosum aus dem Morgenland erscheinen. Gut, die Zitationen hielten sich immerhin in Grenzen. Eine Marginalie oder ein als solitär zu betrachtender Vorgang ist es aber keineswegs. Indien, das gelobte Land der Homöopathie (wir erinnern uns an die Besucher aus Indien anlässlich des Welt-Homöopathie-Kongresses 2017 in Leipzig), auch von westlichen Homöopathen stets als solches beschworen und als Beleg für die “hunderte Millionen erfolgreichen Anwendungsfälle” hervorgehoben, dort teils mit hohen Beträgen für „Forschung“ aus staatlichen Mitteln zu Lasten einer vernünftigen gesundheitlichen Grundversorgung ausgestattet – das ist nicht “weit weg”. Die indische Homöopathieszene dient (sogar gegenüber Patienten hierzulande, wie mir persönlich bekannt ist) immer wieder als Referenz – und ist insofern schon von zentraler Bedeutung.

        Und so ist auch dieser Vorgang symptomatisch, ja systemisch für die homöopathische Szene. Über die einzelnen Mängel der Studie verzieht der Kummer gewohnte Kritiker zwar kaum eine Miene, so etwas findet man auch woanders. Aber ist das nicht ab einem gewissen Punkt zwangsläufig bei der Homöopathie, weil sie ja an gut designten und durchgeführten Studien scheitern muss? Und welchen Sinn sollen Zeitschriften haben, die nichts anderes darstellen als den gedruckten Teil der Filterblase Homöopathie? Die keine wissenschaftlichen Publikationsregeln einhalten? Die zu nichts anderem dienen als zur Selbstbestätigung der Homöopathen und allenfalls zum Marketing beim unkritischen Publikum?

        Ein Zerrbild. Eine Groteske.


        Bildnachweise: dpa / Screenshot Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine

        Der Trugschluss der „globalen Erklärung“

        … oder: Einfaches, Falsches und Hypes

        Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Die Erde ist keine Scheibe“
        und wird hier in leicht überarbeiteter Form wiederveröffentlicht.

        Ganz einfach – oder… ?

        Komplex ist eben nicht einfach

        In ihrer Untersuchung zu Mitläufereffekten („Bandwagons [1]) in der Medizin haben Cohen und Rothschild [2] festgestellt, dass nicht nur Patienten, sondern ebenso Ärzte oft eine neue Idee einfach deshalb akzeptieren, weil sie eben eine neue Idee ist, die Verlockung einer einfachen Lösung für ein komplexes Problem.

        Man wird hierin H.L. Menckens [3] Diktum [4] empirisch bestätigt sehen, wonach es für jedes komplexe Problem eine Lösung gibt, die sich durch folgende Eigenschaften auszeichnet: Einfach, plausibel und falsch.

        Ich möchte hiervon ausgehend auf einen Spezialfall dieser Art von Trugschlüssen hinaus: Man könnte ihn den „Trugschluss der globalen Erklärung“ nennen. Damit ist eine Erklärung gemeint, die insofern einfach ist, dass sie ihren Schwerpunkt auf das Allgemeine, den Grundsatz, den Ursprung, auf einen dogmatischen Urgrund legt, damit der allgemeinen Neigung zu einfach, direkt, generalisierend und – falsch entgegenkommt und so imstande ist, einen Hype, aber auch einen langlebigen Trend zu erzeugen. Solche pauschalen Erklärungen und Theorien sind kennzeichnend für die Pseudomedizin. Aber nicht nur, wie wir im Folgenden sehen werden.

        Zum Beispiel basiert die Homöopathie auf den bekannten drei Grundprinzipien des Simile (Ähnliches heilt Ähnliches), der Arzneimittelprüfung am Gesunden (die letztlich ein Ausfluss des Ähnlichkeitsprinzips ist) und der Wirkungszunahme ihrer Mittel durch Potenzierung. Sie lässt dabei jeden Gedanken an Krankheitsentstehung und -verläufe völlig außer Acht, kennt nicht einmal den Krankheitsbegriff, und verspricht dem Patienten, auf so einfache und scheinbar einsichtige Art und Weise seine Symptome zu beseitigen. Verführerisch für Mediziner wie Patienten (worauf schon Heinroth 1825 im Anti-Organon zutreffend hinwies [5]) – und eben deshalb nicht sofort sichtbar das Falsche. Hahnemanns Gefolgschaft erlag genau wegen dieser Einfachheit und Scheinplausibilität, verbunden mit dem Reiz des Neuen, dem Mitläufereffekt – und tut dies bis heute. Die Selbsttäuschung darin hat immerhin mehr als 200 Jahre gehalten und baut heute noch Bollwerke gegen die schlichte Einsicht, dass die Homöopathie eine Irrlehre ist, als die sie schon zu ihrer Entstehungszeit von kritischen Geistern entlarvt wurde. [6] [7] [8] [9]

        Ein weiteres Beispiel für einen „Hype“, der auf eine „einfache und direkte“ Erklärung zurückgeht, ist der von einem Vorläufer Hahnemanns, John Brown (1735-1788) begründete Brownianismus [10]. Der stellte nun gleich eine doppelte Vereinfachung dar. Brown lehrte, dass jede Krankheit nur entweder eine Reizüberflutung (sthenia) oder eine Reizhemmung (asthenia) sei und postulierte gleich passend dazu, dass beides nach dem Grundsatz „Gleiches kuriert Gleiches“ (Isopathieprinzip) behandelt werden müsse.

        Entsprechend den damaligen Zeiten der „heroischen Medizin“ waren die Kuren entsprechend: Die jeweiligen Behandlungen bestanden entweder in Gaben von Opium oder in solchen von Alkohol, und zwar in massiven Dosen. Sehr einfach, höchst einleuchtend und – fatal falsch.

        Das System wurde von den Ärzten (vor allem in Deutschland) begeistert angenommen. Nach Ansicht des Medizinhistorikers J.H. Baas war diese Behandlung „verantwortlich für mehr Tote als die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege zusammen“. [11] Ein Hype par excellence.

        Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde aus dem Schlagwort „Belastung“ eine beliebte „monokausale“ Erklärung für viele Krankheiten: Herzbelastung, Herzmuskelschmerzen, Herzrhythmusstörungen, Beschwerden des Iliosakralgelenks (vorher fast unbekannt) oder „Augenbelastung“ als Hauptursache für Kopfschmerzen und vieles mehr. Später im 20. Jahrhundert wurde „Belastung“ durch den eindrucksvolleren Begriff „Stress“ ersetzt, ein Konzept, das sich zu extremer Popularität entwickelte, nachdem Hans Selye es 1936 zum Herzstück seines „Allgemeinen Adaptionssyndroms“ [12] gemacht hatte, mit dem es möglich war, scheinbare Stress-Leitsymptome auf fast jedes Krankheitsbild zu projizieren. Der „Erfolg“ dieses Konzepts war, dass aufgrund dessen sehr viele Ärzte, Patienten und auch Nichtpatienten „Stress“ als ursächlich für beinahe jede pathologische Diagnose wie koronare Herzkrankheit, Krebs, Colitis ulcerosa, Magengeschwüre und viele andere Erkrankungen auch im psychischen Bereich geradezu verinnerlichten (und dies vielfach bis heute tun). Das Dogma des übersäuerungsbedingten Stress-Magengeschwürs fiel erst mit der Identifizierung des Bakteriums helicobacter pylori als dem Hauptverursacher. Dafür gab es immerhin 2005 den Medizinnobelpreis. [13]

        Skrabanek und McCormick meinen in ihrer Monografie über „Follies and Fallacies in Medicine“ zum Stress-Syndrom, man müsste zurück bis zu Galen [14] gehen, um eine ähnlich grandiose Konzeption zu finden, die keine umfassende Erklärungskraft hat, aber alles zu erklären scheint. [15]

        Gern angenommene, sich verbreitende und erhaltende pauschale Trends und Hypes wie den um „Positive Thinking“ [16] , der Glaube an eine -nicht vorhandene- „Krebspersönlichkeit“ [17] wie auch der Natürlichkeitswahn der Gegenwart zeigen, dass H.L. Menkens eingangs zitiertes Diktum auch heute noch ungebrochen gültig ist. All dies, genau wie auch der Hang zu den pseudomedizinischen Heilslehren, ist der wenig rationalen Suche nach der monokausalen, also einfachen, direkten (und wirklich meist falschen) Erklärung und der Flucht vor der nicht fassbaren, sich dem eigenen Einfluss entziehenden Multikausalität einer immer komplexeren Welt geschuldet, gerade in Fragen der Gesundheit. Dies ist, wie gezeigt, nicht neu – und nicht zu rechtfertigen.

        Evidenz und was man dafür hält

        Auch wenn es zunächst nicht sonderlich auffällt: Der vorangegangene Abschnitt hat eine Menge mit „Evidenz“ zu tun.

        Evidenz ist ein zunächst neutraler Begriff. Er bedeutet, dass etwas offensichtlich, augenscheinlich, auf der Hand liegend ist, dass man an einer Einsicht in etwas schlechterdings nicht vorbeikommt. Auch die Mediziner der eben beschriebenen Zeit waren überzeugt, gerade wegen der „einfachen und direkten“ Erklärungen ihrer vermeintlichen Grundlagen „Evidenz“ zu sehen. Es leuchtete ihnen ein, und nicht nur ihnen. Wir sehen also, dass es mit einer einfach angenommenen Evidenz, mit dem Gefühl, etwas leuchte ein und habe den offensichtlichen Anschein der Richtigkeit für sich, längst nicht getan ist. Mir scheint nach vielen Gesprächen und Erfahrungen der letzten Zeit, dass ein so missverstandener allzu subjektiver Evidenzbegriff vielen, wenn nicht den meisten Anwendern pseudomedizinischer Methoden -auf Therapeuten- wie auf Patientenseite- eine trügerische Selbstlegitimation verleiht. Zudem oft auch noch die Überzeugung, der geschmähten „Schulmedizin“ gleichwertig oder gar überlegen zu sein. Das ist aber, wie wir gesehen haben, das fatale Denken in den Mustern des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, in den Kategorien der idealistischen und der romantischen Medizin.

        Kürzlich begegnete mir die Äußerung, jeglichem Menschen mit einem Intelligenzquotienten „von einem gewissen Grad aufwärts“ müsse die Homöopathie doch „unmittelbar einleuchten“. Zweifellos sollte diese Aussage als Ausdruck einer „Evidenz“ verstanden werden. Dieses Statement dürfte allerdings eher ein Bespiel dafür sein, dass Evidenz nicht aus purer Subjektivität entstehen kann, nicht aus dem Anspruch, dass das Gegenüber einer Behauptung zu glauben habe, deshalb, weil der Behauptende sie für richtig hält. Um auf eine Formulierung von Skrabanek und McCormick aus dem vorigen Abschnitt zurückzukommen: Evidenz ist eben noch lange nicht das, was alles zu erklären scheint, aber keine Erklärungskraft hat.

        Evidenz so, wie die moderne Medizin (und die Wissenschaft insgesamt) den Begriff versteht, setzt sowohl eine einwandfreie Beleglage als auch logische Widerspruchsfreiheit dessen voraus, was als evident anerkannt werden soll. Evidenz ist nicht einfach da. Evidenz ist vor allem nicht subjektiv, sie ist mehr als nur eine Meinung oder das Ergebnis eines oberflächlichen, von Selbstbestätigungsmechanismen geprägten Eindrucks.

        Evidenz aus Logik

        Evident kann nicht nur eine positive, bestätigende Wahrnehmung sein, sondern auch ein Ausschluss von Optionen und Möglichkeiten, eine sich zwingend aufdrängende Unmöglichkeit. Bei dieser Art „negativer“ Evidenz spielt die formale Logik eine große Rolle. Auf diesem Weg kommen wir zu einer grundlegenden Betrachtung von pseudomedizinischen Methoden, die seit jeher ihr Überleben dem anfangs erläuterten bandwagoning, dem Mitläufereffekt in der Medizin verdanken. [18]

        Sie kennen vielleicht das Argument der Religionskritik, dass die Vielzahl der mit einem alleinigen Wahrheitsanspruch auftretenden Religionen an sich bereits das schlagende Argument gegen ihre Gültigkeit sei. Aus ihrem Vorhandensein folgt nach logischen Prinzipien (Kontrarietät), dass entweder alle falsch sein müssen – oder (höchst unwahrscheinlich) nur eine richtig. Diesem Verdikt könnte nur eine Religion ohne Alleingültigkeitsanspruch entgehen, eine in ihren Möglichkeiten offene, aber nicht entgrenzte Religion, wie sie beispielsweise das Römische Reich vor der Christianisierung pflegte, indem die Gottheiten der ins Reich aufgenommenen Völker auch in den Götterhimmel der Römer inkorporiert wurden.

        Was hat das nun mit Pseudomedizin zu tun?

        Nun, sehr viele pseudomedizinische Methoden sind dogmatisch in dem Sinne, als dass sie ein monokausales Bild von Krankheitsentstehung und Heilungsversprechen zeichnen. Sie machen damit das verführerische Angebot der einfachen und direkten Erklärung von Krankheit und Genesung und gehen damit so tief an die Grundlagen, dass dadurch ein logisches (konträres) Ausschlusskriterium gegenüber „konkurrierenden“ Methoden entsteht. Nicht umsonst bezeichnet man solche scheinbar tiefgründigen, aber letztlich auf pauschale Vereinfachung und Alleingültigkeit hinauslaufenden Erklärungsmodelle als „Heilslehren“. Man sollte sich das immer vergegenwärtigen, besonders dann, wenn solche „Methoden“ versuchen, sich als „komplementär“ zur wissenschaftlichen Medizin und -im angeblichen Gegensatz zu dieser- als „ganzheitlich“ anzudienen und damit das Vertrauen der Patientenschaft zu erlangen. Wie soll dies aus Sicht einer Methode, die von sich überzeugt ist, den medizinischen Stein der Weisen zu besitzen, überzeugend oder gar redlich sein?

        Werfen wir einen Blick auf einige Beispiele bekannter medizinischer Heilslehren. Wir beschränken uns dabei auf kurze Erklärungen der dogmatischen Ansätze dieser Lehren, die für ihre gegenseitige logische Ausschließung wichtig sind. Die Widerlegung der einzelnen Lehrgebäude für sich ist hier nicht unser Thema.

        • Arzneimittellehren:

        Homöopathie nach Hahnemann postuliert als alleinige Ursache von Krankheitserscheinungen (Krankheiten im heutigen Sinne kennt sie nicht, nur Symptome) eine „Verstimmung der geistigen Lebenskraft“, die mit einer gegenläufig wirkenden „geistigen Arzneikraft“ zu korrigieren sei.

        Wilhelm Schüßler postulierte als alleinige Ursache von Krankheiten einen Mineralstoffmangel (zudem den Mangel ganz bestimmter Mineralien) auf Zellniveau und bietet das ultimative Sortiment für einen Ausgleich dessen passend in Form seiner „Schüßler-Salze“ an. Was Schüßler als „Weiterentwicklung“ von Hahnemanns Homöopathie empfand, aber keineswegs der Zentralverein homöopathischer Ärzte, der ihn wegen seines „Umstiegs“ von der geistigen Lebenskraft auf „biochemische Grundlagen“ ausschloss.

        Edward Bachs System der Bachblüten sucht Krankheitsursachen ausschließlich in emotionalen Auffälligkeiten bestimmter Persönlichkeitstypen, deren Systematik selbstverständlich seiner ganz persönlichen Einschätzung unterlag. Seine Heilmethode beruht darauf, diesen Persönlichkeitstypen nach seiner persönlichen Intuition Heilpflanzen zuzuordnen. Die Homöopathie war in seinen Augen eine Irrlehre. Was in dieses Dogma nicht passen wollte, ordnete Bach schlicht dem Darm als Krankheitsauslöser zu.

        Homotoxiologie nach Reckeweg geht davon aus, dass alle Krankheiten ausschließlich Reaktionen des Körpers auf andauernd einwirkende Giftstoffe sind. Der Körper kämpft gegen diese Gifte an und möchte sie ausscheiden. Akute Krankheiten werden als erfolgreiche Ausscheidungsphasen gedeutet, chronische Krankheiten sollen entstehen, wenn das Entgiften nach und nach nicht mehr vollständig gelingt. Erstaunlicherweise sah auch Reckeweg seine Lehre als Weiterentwicklung der Homöopathie.

        Wir dürfen nach diesen Beispielen schon einmal kurz innehalten und uns vergegenwärtigen, in welcher trauten Eintracht die Mittelchen dieser populären Pseudomedizinen in den Apotheken nebeneinander stehen und mitunter gleichzeitig vom werten Publikum nachgefragt und ihm auch so verkauft werden – ohne dass irgendjemand einen Gedanken daran verschwendet, dass diese vier Methoden sich wegen ihrer völlig unterschiedlichen dogmatischen Ansätze gegenseitig ausschließen (ihre einzige Gemeinsamkeit liegt in ihrer Unwirksamkeit).

        Aber die Galerie der dogmatischen Krankheitsdeuter und Heilslehrer geht noch weiter:

        • Manuelle Lehren

        Osteopathie postuliert nach seinem Begründer Andrew Taylor Still, dass es für sämtliche Krankheiten keinerlei andere Heilung als die durch die Selbstheilungskräfte („Selbstregulationsfähigkeit“) des Körpers gebe, somit eine Heilung „von außen“ unmöglich und die Osteopathie die einzige Methode sei, gestörte Funktionen zu erkennen und zu beheben. Diese „gestörten Funktionen“ verortete er allen in Beeinträchtigungen von Muskel und Skelett.

        Chiropraktik definierte der Begründer D.D. Palmer als „Heilen ohne Medikamente“ und ging davon aus, Erkrankungen seien ausschließlich auf Fehlstellungen innerhalb der Wirbelsäule zurückzuführen. Er will damit Taubheit, Asthma, Blindheit und mehr geheilt haben.

        • Okkulte / vitalistische Lehren

        In der Anthroposophie entspringen Krankheiten nach der okkulten Lehre Rudolf Steiners einer „Disharmonie der Wesensglieder“, des physischen Leibs (Körper), des Ätherleibs (lebenserfüllte Geistgestalt), des Astralleibs (Seele) und des „Ich“, letzteres als dem spezifisch „menschlichen“ Anteil an der Wesenheit Mensch.

        Traditionelle Chinesische Medizin ist ein Konglomerat aus traditionellen Heilweisen unterschiedlichster Art und schlicht „erfundenen“ Pseudomethoden, die zur Zeit der Kulturrevolution mangels anderer Möglichkeiten in sozusagen reduzierter Form als Gesundheitsversorgung der Bevölkerung eingesetzt wurden, zudem heute in westlichen Formen assimiliert, die mit wirklicher traditioneller Heilkunde Chinas wenig zu tun haben. Die meisten der darin verbundenen Ansätze vereint die Annahme der Regulierung einer imaginären, im Falle von Krankheit aus dem Gleichgewicht geratenen Lebenskraft („Qi“).

        Die Zahl an Deutungs- und Erklärungsmodellen zur Akupunktur, einem verselbständigten Zweig der TCM, ist kaum noch überschaubar. Grundlegend bleibt festzuhalten, dass ihr ursprünglicher Ansatz war, Krankheiten durch die „Ableitung“ von falschem, blockiertem oder überschüssigem „Qi“ (imaginäre Lebensenergie) mittels Wiederherstellung eines harmonischen Gleichgewichts der körperlichen „Energien“ zu heilen (Yin-Yang-Prinzip).

        Nach dem Begründer des Reiki, Mikao Usui, beruht die Lehre auf der Annahme eines Ki (Chi) als unpersönlicher Natur- und Seelenkraft, die als Energie die ganze Welt durchwirkt und die Grundlage des Lebens bildet. Krankheiten sind ein Mangel an dieser Energie, Reiki-Heiler sollen sie durch das ritualisierte Auflegen ihrer Hände auf den Körper übertragen. (Wir sehen hier schon einen bezeichnenden Widerspruch zu einer anderen Lebensenergielehre, der Akupunktur: Dort soll Qi blockiert und überschüssig oder gar falsch sein und demzufolge „abgeleitet“ werden, Reiki will „fehlende“ Energie „einleiten“).

        • Pseudopsychologische Ansätze

        Die sogenannte „Germanische Neue Medizin“, kurz GNM nach Ryke Geerd Hamer postuliert, alle Erkrankungen bei Menschen (und Tieren) seien Folge von so genannten „biologischen Konflikten“, zwangsläufig sich körperlich (verzögerungslos) niederschlagenden Auswirkungen von Einwirkungen auf die Psyche und seien nur durch Beseitigung dieser Konflikte heilbar.

        Die Lehren der assoziativen Krankheitssymbolik vertreten Konzepte (Dahlke und Tepperwein), die eine Art primitiver Psychosomatik als alleinige Ursache für Krankheiten postuliert. Ausnahmslos allen Krankheiten soll eine geistig/seelische „Fehlhaltung“ zugrunde liegen, die der Therapeut rein intuitiv erfassen und dem Patienten nahebringen will – und diesen damit auch noch zum „Verantwortlichen“ für seine eigene Krankheit macht.

        Kann fortgesetzt werden.

        Ja, was denn nun?

        Es sollte einleuchten, dass all diese Ansätze wegen ihrer spezifischen Deutungsmodelle für Krankheit und Heilung miteinander unvereinbar sind. Sie vertreten jeweils eine „Selbstimmanenz“, einen hermetisch in sich abgeschlossenen Erklärungskanon, dem die Nichtvereinbarkeit mit dem „externen“ Erkenntnisstand gleichgültig ist. Dies hat nun einmal den Preis, dass alle diese Ansätze ohne externe Plausibilität falsch sein müssen – oder nur einer ist richtig. Neigen Sie ungeachtet ihrer Unwahrscheinlichkeit der zweiten Möglichkeit zu, sollten Sie sich fragen, ob Sie eine Wette auf die These des „einen richtigen“ Ansatzes abschließen würden.

        Manche dieser Methoden -wenn nicht die meisten- werden heute in veränderter und / oder abgeschwächter Form praktiziert, was gern als „Weiterentwicklung“ etikettiert wird. All dies ist durchweg als reiner Pragmatismus anzusehen, um die Methode als solche am Leben zu erhalten. Wie sollte aus einer zwangsläufig falschen Grundannahme durch „Weiterentwicklung“ etwas Sinnvolles, Belastbares entstehen? Ex falso sequitur quodlibet – aus Falschem folgt Beliebiges. Wobei das Falsche falsch bleibt.

        Ist es nicht haarsträubend, zu sehen, dass „Ausübende der Heilkunde“ -seien es Heilpraktiker oder leider auch Ärzte- ganze Portfolios aus solchen miteinander unvereinbaren Heilslehren, zudem noch in abenteuerlichsten Varianten, offerieren?

        Mit Blick auf unsere Ausgangsthese sei auch anderes nicht übersehen: Die Vielzahl von Methoden, die man als simplifizierte Varianten schulmedizinischer Verfahren ansehen kann, die Pseudopharmazie mit herbeifantasierten Mitteln wie dem zu trauriger Berühmtheit gelangten Aprikosenkernextrakt oder dem ominösen „Vitamin K-Hype“ oder auch die Versprechen einer Heilung schwerer und schwerster Krankheiten nur durch Ernährung oder Vitamin-/Mineralstoffgaben. Auch dies ist alles H.L. Menkens Verdikt von einfach, plausibel und – falsch zuzuordnen. Da das „falsch“ nicht wahrgenommen wird, vertraut man dem „einfach und plausibel“ nur allzu gern – das bandwagoning beginnt.

        Und die wissenschaftliche Medizin?

        Welche Position nun nimmt dabei die wissenschaftliche Medizin ein? Sie entgeht dem logischen Verdikt der Unvereinbarkeit von Allgültigkeitsansprüchen, weil sie undogmatisch ist. Die Medizin ist offen für alles, was nach ihren Maßstäben eine Wirksamkeit und einen Nutzen für den Patienten belegen kann, wobei ihr die Herkunft des Mittels oder der Methode herzlich gleichgültig ist. Sie entgeht dem Verdikt der gegenseitigen Unvereinbarkeit auch, weil sie eine offene Methode ist, kein „Glaube“, kein „Religionsersatz“ oder als was man sie auch immer fälschlich ansehen mag. Sie kennt eine weit gefächerte Ätiologie, eine Lehre von Krankheitsentstehung und -verlauf, die auf multikausalen differenzierten Ansätzen beruht, die sich täglich bewähren und gemäß dem wissenschaftlichen Prinzip ebenso täglich verfeinert, verbessert und erweitert werden. Damit führt sie jede monokausal begründete Heilslehre, ob arzneimittelorientiert, okkult oder auf imaginären Lebenskräften (Vitalismus) beruhend, ad absurdum. Und sie kommt, trotz oder auch wegen ihrer großen Fortschritte, ohne all die unbelegten und oft transzendenten Annahmen aus, die all die pseudomedizinischen Methoden so scheinattraktiv machen – als einfache, direkte und – falsche Erklärungen.

        Wir dürfen der wissenschaftlichen Entwicklung dankbar dafür sein, dass sie den pseudomedizinischen Verfahren den Freiraum streitig macht, der zu Auswüchsen wie denen von Baas beschriebenen beim Brownianismus führen kann. Leider wird solchen Irrationalitäten noch hier und heute ein Raum und eine öffentliche Glaubwürdigkeit eingeräumt, was mit dem Denken des 18. Jahrhunderts zwar erklärt, aber im vielbeschworenen Bildungs- und Wissenschaftszeitalter längst nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Wir solten nicht zulassen, dass die wissenschaftliche Medizin für ihre Gegenposition auch noch kritisiert und -unter grotesker Verdrehung der Begriffe- als „Schulmedizin“ [19] und „wissenschaftsdogmatisch“ [20] diffamiert wird.

        Im Medienzeitalter – was tun?

        Die Neigung zu den monokausalen -also den einfach, einleuchtend und – falsch begründeten Heilslehren und ihren Versprechungen (nicht nur in der Medizin) wird niemals verschwinden. Aber in einer Bildungs- und Mediengesellschaft sollte es möglich sein, dem gezielt entgegenzuwirken.

        Die Multikausalität und die Komplexität der heutigen medizinischen Lehre dürfen nicht als Negativum wahrgenommen werden, sondern als das, was sie sind: Ausdruck eines zunehmend vertieften Verständnisses, einer immer größeren Annäherung an eine nun einmal hochkomplexe Wirklichkeit. Evidenzbasiertes Expertenwissen ist heute der Gegenpol gegen die Flucht ins Einfache, Direkte und Falsche – einschließlich der Mittel zur Verfügbarkeit dieses Wissens, was erstmals im gegenwärtigen Medienzeitalter überhaupt möglich ist.

        Der gleiche Trend zu einfachen, plausiblen und meist falschen Erklärungen, der seit der vorwissenschaftlichen Zeit (nicht nur) bei der Medizin imstande war, Hypes auszulösen und oft lange zu erhalten, ist auch heute noch am Werk. Ja, die Komplexität heutigen Wissens befördert das noch, weil diese ein Gefühl von Autonomieverlust mit sich bringt, das durch die schnellen, einfachen und scheinbar evidenten monokausalen Erklärungen medizinischer Heilslehren ein scheinbares Gegengewicht erfährt. Dafür wird der Preis von Irrationalität und Misstrauen gegen Expertenwissen offenbar allzu gern gezahlt. Wenn man sich fragt, wieso ausgerechnet im Gesundheitsbereich, wo es um einen selbst geht, um ein menschliches Kernanliegen – dann muss man eigentlich sagen: Wahrscheinlich wirken diese Dinge dort erst recht, weil dort der Autonomieverlust als besonders stark empfunden wird.

        Nur am Rande sei angemerkt, dass diese Mechanismen sich natürlich nicht auf den medizinischen Bereich beschränken. Oft genug kommt es selbst innerhalb der wissenschaftlichen Community dazu, dass der eine oder andere der Verlockung der Einfachheit erliegt und mit einer „globalen Erklärung“ einen Trugschluss produziert. [21] Dort allerdings gibt es wegen der weltweiten Vernetzung der Wissenschaftsgemeinde und der Verständigung über einen gemeinsamen Wissenschaftsbegriff inzwischen immanente Korrekturmechanismen, auf die man sich verlassen kann.

        Die Chancen des Medienzeitalters, der Verbreitung von Falschem unter dem Deckmantel des Einfachen und Einleuchtenden entgegenzuwirken, müssen genutzt werden. Korrekturmechanismen wie innerhalb der wissenschaftlichen Community gibt es im Alltag nicht oder kaum. Wir brauchen deshalb weit mehr als bisher eine Verständigung zwischen (Medizin-)Wissenschaft und dem Publikum. Dabei sehe ich die Wissenschaft (im weitesten Sinne, als die Summe der Informierten) durchaus in einer Bringschuld. Wir brauchen vertrauensbildende Maßnahmen. Wir brauchen Aufklärung, wir brauchen entschiedenes Auftreten gegen Irrationalität und Bauernfängerei. Wir brauchen mehr und bessere Methoden der Wissenschaftskommunikation. Dazu gehört auch ein guter und verantwortlicher Wissenschaftsjournalismus. Projekte wie die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) [22], das Informationsnetzwerk Homöopathie [23] mit seinen Angeboten auf verschiedenen Ebenen, das Recherchenetzwerk Correctiv [24], das den Schwerpunkt „Alternativmedizin“ im Portfolio hat, die Initiative des Münsteraner Kreises [25] pro evidenzbasierte Medizin im Gesundheitswesen oder das am Start befindliche Projekt MedWatch [26], einem Portal für Faktencheck zu Gesundheitsinformationen, lassen hoffen, dass mit den Möglichkeiten des Medienzeitalters Brücken gebaut werden können, die stärker sind als die überkommenen Strukturen des einfachen und schnellen Denkens. Wenn es auch manchmal schwer erscheint.

        Was aber auch vonnöten ist: Das Vertrauen des Publikums und eine minimale Bereitschaft seinerseits, sich mit den Fragen des modernen Lebens vorurteilsfrei auseinanderzusetzen. Hier ist wohl das Bildungssystem mehr als bisher gefordert. Gute und wissenschaftsbasierte Medizin darf nicht länger gegen irrationale Heilslehren, Beliebigkeits- und Wünschdirwas-Medizin ausgespielt werden. Nicht von den Proponenten der Pseudomedizin, nicht von der Politik und auch nicht vom leider noch allzusehr dazu geneigten Publikum.


        TL;DR

        Wie einfache Lösungen komplexer Probleme fast immer falsch sind, gleichwohl große Anziehungskraft ausüben, dadurch Mitläufertum in Fachwelt und Publikum erzeugen und Hypes anfachen, die sehr lange anhalten können.

        Wie einfache monokausale Erklärungen -in der Pseudomedizin für den Grundsachverhalt der Erklärung von Krankheit und Heilung- sich logisch gegenseitig ausschließen und die moderne Wissenschaft diesem Ausschluss durch undogmatisches Vorgehen und die Suche nach differenzierten mulitkausalen Erklärungsmodellen entgeht.

        Wie dem Trugschluss der globalen Erklärung und der Entfremdung der Fach- von der Laienwelt mit allen ihren verhängnisvollen Folgen im Medienzeitalter begegnet werden kann und soll, als Bringschuld bei der Wissenschaft, aber auch als Holschuld beim Publikum.


        Leseempfehlung zum Thema:
        Grams, Natalie: Gesundheit! Ein Buch nicht ohne Nebenwirkungen, Springer Heidelberg 2017


        Referenzen:

        [1] https://sites.google.com/site/skepticalmedicine//cognitive-biases#TOC-Bandwagon-effect-
        [2] The Bandwagons of Medicine; Lawrence CohenHenry Rothschild; aus: Perspectives in Biology and Medicine Volume 22, Number 4, Summer 1979 (pp. 531-538 | 10.1353/pbm.1979.0037)
        [3] https://de.wikipedia.org/wiki/H._L._Mencken
        [4] “Explanations exist; they have existed for all time; there is always a well-known solution to every human problem — neat, plausible, and wrong.” In: „The Divine Afflatus“ in New York Evening Mail (16 November 1917); later published in Prejudices: Second Series (1920) and A Mencken Chrestomathy (1949) – via Wikiquote (https://en.wikiquote.org/wiki/H._L._Mencken)
        [5] Heinroth, Joh.Chr.Aug., Anti-Organon oder Das Irrige der Hahnemannischen Lehre im Organon der Heilkunst. C.H.F. Hartmann, Leipzig (1825)
        [6] The end of homoeopathy. Lancet. 2005;366:690
        [7] Skrabanek P, Mc Cormick J. Follies and Fallacies in Medicine. Glasgow: The Terragone Press; 1989
        [8] Hopff W. Homöopathie kritisch betrachtet. Stuttgart: Thieme; 1991
        [9] Prokop O, Hopff W. Gibt es heute noch Schildbürgerstreiche? Schweiz MedWochenschr. 1992; 122(46):1770-1
        [10] https://de.wikipedia.org/wiki/Brownianismus
        [11] Baas, J.H., Die geschichtliche Entwicklung des ärztlichen Standes und der medicinischen Wissenschaften. Berlin Fr Wreden, 1896
        [12] Hans Selye, The Stress Of Life; McGraw-Hill Book Company, NY 1956 (http://repositorio.cenpat-conicet.gob.ar:8081/xmlui/bitstream/handle/123456789/415/theStressOfLife.pdf?sequence=1)
        [13] https://www.aerzteblatt.de/archiv/48558/Nobelpreis-fuer-Medizin-Der-Bakterientrunk-lieferte-der-Fachwelt-den-Beweis
        [14] http://flexikon.doccheck.com/de/Galen
        [15] FOLLIES AND FALLACIES IN MEDICINE Third Edition Petr Skrabanek James McCormick TARRAGON PRESS Whithorn; 3. Auflage 1998 (http://euract.woncaeurope.org/sites/euractdev/files/documents/resources/documents/folliesandfalliciesinmedicine-thirdeditionpetrskrabanekjamesmccormick-1998.pdf)
        [16] https://www.nytimes.com/2014/12/23/science/gabriele-oettingen-turns-her-mind-to-motivation-in-rethinking-positive-thinking.html
        [17] https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/krankheitsverarbeitung/psyche-und-krebsrisiko.php
        [18] https://sciencebasedmedicine.org/hop-on-the-im-bandwagon/
        [19] https://scilogs.spektrum.de/sprachlog/hom-pathische-sprachfallen-und-wie-geo-sie-nicht-vermeidet/
        [20] http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/11/09/ist-wissenschaft-dogmatisch/
        [21] Ein aktuelles Beispiel: http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2017/11/27/dunkle-materie-und-dunkle-energie-wurden-abgeschafft-schon-wieder/
        [22] https://gwup.org
        [23] www.netzwerk-homoeopathie.eu
        [24] https://correctiv.org
        [25] www.münsteraner-kreis.de
        [26] https://medwatch.de


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